Passant vor Corona-Testzentrum
Die Schatten der Pandemie liegen noch immer über dem Land / dpa

Corona-Aufarbeitung - „Journalisten haben beide Augen zugedrückt“

Bereits im Frühjahr 2020 hat Gerd Antes, Medizinstatistiker und einstiger Direktor von Cochrane Deutschland, die deutsche Corona-Politik kritisiert. Im Interview erklärt er, wo besonders die Medien während der Pandemie versagt haben und was das viel diskutierte Cochrane-Review zu Masken aussagt.

Ralf Hanselle / Antje Berghäuser

Autoreninfo

Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

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Gerd Antes war Mitglied zahlreicher Wissenschaftskommissionen, unter anderem der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut sowie des Advisory Boards der International Clinical Trial Registry Platform (ICTRP) der WHO. Der Medizinstatistiker war Wissenschaftlicher Vorstand der Cochrane Deutschland Stiftung, die sich für wissenschaftliche Evidenz in der Medizin einsetzt. Er ist Mitglied des Vereins „Sokrates – Kritische Rationalisten“, der jüngst eine Stellungnahme zum Umgang mit Corona veröffentlicht hat.

Herr Antes, alle Welt redet dieser Tage von der Aufarbeitung des Corona-Managements – zuletzt etwa sehr prominent Lothar Wieler in einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit. Was sind denn Ihrer Meinung nach die wichtigsten Aspekte, die jetzt wirklich auf den Prüfstand gehören?

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Tomas Poth | Do., 16. Februar 2023 - 11:59

Man kann das auch anders formulieren und es als Propagandaarbeit für die Regierung und ihrer einseitigen Berater bezeichnen.
Das ist das generelle Problem, daß wir seit Jahren vergegenwärtigen.

Es ist nicht nur die Kritiklosigkeit an der Regierungspolitik. Die meisten Medien haben mit ihren dramatischen, sensationslüsternen Bildern aus Wuhan, später aus Bologna und die Politik vor sich hergetrieben. Strengste Beispiele wurden als Vorbild für gute Politik herangezogen.
Dabei haben die Regierenden jede Regel eines guten Krisenmanagements vermissen lassen. Regel 1 lautet: Ruhe bewahren, Problem analysieren und Risiko von Problem und Maßnahmen abschätzen. Das ging jedoch nicht mehr, nachdem das Problem erst ausgesessen wurde (bei Merkel üblich). Während des 1. Lockdowns gab es keine Aktivitäten zur Wissensverbesserung, keine Analyse, nicht einmal bekannte Treffen zum weiteren Vorgehen. Das ist sträfliche Vernachlässigung des Amtseides. Man hätte mindestens wöchentlich zu einem Update und Verabredung weiterer Analysen Maßnahmen zusammenkommen müssen.
Das schlimme ist: Es geht munter weiter so, beim Klima, beim Ukraine-Krieg, bei …., keine Änderung in Sicht.

Wolfgang Tröbner | Do., 16. Februar 2023 - 12:05

Danke für das Interview, das vieles von dem bestätigt, was auch mir aufgefallen ist. Zum Beispiel, dass keine der relevanten Corona-Studien aus Deutschland kam. Wie auch! Einem Land, wo keine relevanten Daten erfasst werden. Als 2020 die Heinsberg-Studie von Streeck publik wurde, haben sich Politik u. Medien wie die Hyänen darauf gestürzt und sich nicht entblödet, der Studie methodische Fehler u. mangelhafte Wissenschaftlichkeit zu unterstellen. Ich hatte letztes Jahr das "Vergnügen", mit einer Medienvertreterin über die wissenschaftliche Basis der Covid-Politik zu diskutieren. Es stellte sich schnell heraus, dass dieser Frau sämtliche schulischen Grundlagen für Biologie/Medizin fehlten. Ich denke, das ist ein Grund für das Versagen der Medien. Es gibt kaum Journalisten, die überhaupt etwas verstehen. Nicht viel anders sieht es in der Politik aus. Bitte nicht missverstehen: Ich werfe weder Medien noch Politik ihr Nicht-Wissen vor, sondern, dass sie glauben, sie wüssten es besser ...

Manfred Bühring | Do., 16. Februar 2023 - 12:54

Komplettversagen (eine der ganz wenigen Ausnahmen ist Cicero) der Medien nicht nur bei Corona. Die ganze woke Politik von Genderquatsch über Cancel Culture bis Klimapanik und letztlich Russland-Ukraine-Krieg wurde und wird weiterhin von den Medien in unverantwortlicher Weise und entgegen jeglicher journalistischer Sorgfaltspflicht und notwendiger kritischer Begleitung im Sinne unseres GG befördert. Ein Trauerspiel!

Christa Wallau | Do., 16. Februar 2023 - 13:12

Forschung u. Wissenschaft befinden sich in einem Prozeß der fortlaufenden Entwicklung u. In-Frage-Stellung dessen, was - als bisheriger Endzustand - festzustehen scheint.
Alles, was Wissenschaftler äußern, bleibt vorläufig und anzweifelbar. Jeder seriöse Wissenschaftler weiß das und ist daher offen für die Ergebnisse anderer u. neuerer Studien.

Natürlich hätten die meisten Leute es lieber anders! Sie wollen Eindeutigkeit u. Endgültigkeit. Deshalb sind sie allzu gern bereit, auf Menschen zu hören, die ihnen bombenfeste wissenschaftl. Erkenntnisse vorgaukeln. Der Glaube an "die Wissenschaft" hat in Europa inzwischen mehr Anhänger als jede Religion.
Nur deshalb konnte es dazu kommen, daß die meisten Deutschen (wie auch Menschen in anderen Staaten) in der Pandemie den Aussagen einiger weniger, von der Regierung ausgewählter "Experten" blind vertrauten u. alle verunglimpften, die zu widersprechen wagten.
Dies war aber nur möglich, weil auch fast alle Medien ähnlich unkritisch blieben.

Ernst-Günther Konrad | Do., 16. Februar 2023 - 13:26

Fast alle haben sich sogar mit den Politkern und den Corona Hysterikern, den sog. "Experten" einen regelrechten Überbietungswettbewerb geliefert bis hin zu Forderungen überzogener Maßnahmen, vor denen sogar die Politiker erst zurückschreckten, bis diese dann noch einen draufsetzten. Reitschuster wurde aus der BPK verbannt, weil er hinterfragte, weil er mit den vom RKI und anderen "offiziellen" Zahlen, deren Lügen in Fragen verpackt drohte offenbar werden zu lassen. Und jetzt plötzlich diese Artikel, sprachlich harmlos formuliert, nach dem Motto, bloß niemanden weh tun. Ja, die Meinung staatsgelenkter Mediziner wurde als die "Wissenschaft" von den Msm verkauft. Es hielten Bhakdi, seine Frau, Wodarg, Ioannidis u.a. dagegen. Wo wart Ihr Herr Antes als die ausgegrenzt wurden? Wo waren Eure Podcasts mit Fachdiskussionen, öffentliche Forderungen nach Diskurs mit Drosten, Wieler und Seuchen Karl im ÖRR? Jetzt kommt ihr alle aus den Löchern und klärt auf. Doch die Ausgrenzung ist noch da.

Detlev Bargatzky | Do., 16. Februar 2023 - 14:21

"Dazu gehört etwa auch die Schaffung eines übergreifenden Gesundheitsinstituts auf Bundesebene mit Public Health als zentralem Aufgabenbereich."

Ich denke, man kann mindestens 2 Annahmen tätigen:
1. Jede Bundesregierung würde Einfluss darauf nehmen, wer dieses Institut leitet. Und das schwerwiegendste Kriterium wäre sicher die politische Loyalität gegenüber der Regierung!

2. Im Fall der nächsten Pandemie würde diese Loyalität gnadenlos eingefordert. Käme die Institutsleitung einer solchen Forderung nicht nach, würde sie durch die Medien diskreditiert und/oder die Bundesregierung würde sich ein anderes Gremium schaffen (z.B. einen "Expertenrat")

Gerhard Lenz | Do., 16. Februar 2023 - 15:08

Welche Schuld ist denn erwiesen?

Dass man bei den Schließungen von Kindergärten und Schulen vielleicht zu weit ging?

Dass man nicht genug Datenmaterial gesammelt hat, was im Übrigen nicht beweist, dass die Maßnahmen nicht doch weitgehend gerechtfertigt waren?

Dass irgendjemand meint, eine Studie so verstehen zu müssen, dass Masken nicht hilfreich gewesen wären, obwohl das die Studie gar nicht hergibt?

Nun gut, seit geraumer Zeit lässt der Cicero einen Maßnahmen-Kritiker nach dem anderen hier antreten, die im Großen und Ganzen jedoch nur wiederholen, was sie (angeblich) schon während der Pandemie wussten.

Erkenntnisgewinn? Keiner.

Kein Mensch kann mit Sicherheit sagen, dass bestimmte Maßnahmen - auf Grundlage des damaligen Wissenstandes - möglicherweise fragwürdig waren.

Es ist interessant, wie schnell Menschen die Bilder von Massengräbern (Bergamo, Brasilien) vergessen.

Oder die Millionen von Toten weltweit bzw. Hunderttausend in DE schlicht ausblenden.

… dieses gebetsmühlenartige Runterbeten von Scheinargumenten, falschen und halbwahren Behauptungen auseinander zu pflücken. Haben viele schon 20x gemacht. Sie WOLLEN es nicht wahrhaben. Das ist nun mal leider für Sie und die Maßnahmenanbeter in die Hose gegangen, die Realität ist durchgebrochen. Und Sie müssen ja auf Deibel komm raus Ihr Gesicht wahren, so wie die ganzen Medien- und Regierungsgestalten, die jetzt alle aus ihren Löchern kriechen und die es ja eigentlich auch bisschen kritisch gesehen hätten, angeblich. Oder wieder Andere machen sich gleich einen schlanken Fuß, ziehen sich mit einem "sorry" zurück oder weisen alle Verantwortung von sich bzw. übergeben sie an Andere. So wie Seuchen-Karl.
Es ist einfach nur noch schäbig.

Herr Forbrig, Sie haben vollkommen recht. Der Herr beleidigt seit Jahren viele Foristen auf das Übelste, obwohl er gerade von Corona (und damit auch von den Massnahmen der Politik) nun gar nichts versteht (sein Geschreibsel legt nahe, dass sein schulischer Werdegang nicht vorsah, irgendeinen Kontakt zu naturwissenschaftlichen Fächern aufzubauen). Trotzdem will sich dieser Mensch ständig auf die "Wissenschaft" berufen, obwohl er höchstens das Wort buchstabieren kann. Wie Sie schreiben, nur schäbig. Widerlich und abstossend ...

Sabine Lehmann | Fr., 17. Februar 2023 - 01:28

Mit Vorsatz als verlängerter Arm der Regierung zu agieren, ist schon etwas mehr als „die Augen zu schließen“. So billig kommen sie nicht davon, wenn man eine offene Aufarbeitung betreiben will. Dass die lieben Medienschaffenden als verlängerter Arm der staatlichen Macht auch noch ganz und gar freiwillig agiert und sich ganz ohne jeden Druck von „oben“ angebiedert haben, macht das Ganze noch schlimmer und richtig widerlich. Viele Journalisten agieren nur noch im vorauseilenden Gehorsam, weil ihnen ihre Karriere wichtiger ist als ihre journalistische Ehre.

Es wurden bewusst keine relevanten Daten gesammelt, um die volle Deutungshoheit über das Geschehen und die Wirkung der Maßnahmen zu behalten. Das war die Absicht der Regierung und der Journalismus hat das in weiten Teilen freiwillig unterstützt.

So entstand der Eindruck eines geschlossenen Blocks, wer widersprach, wurde bestenfalls mundtot gemacht und schlimmstenfalls seiner Existenz beraubt. Auch die Verletzung der Grundrechte und die Hetze gegen Ungeimpfte wurde von weiten Teilen der Medien unterstützt.

Das Ergebnis ist ein Vertrauensverlust, den man gar nicht unterschätzen kann. Die meisten Medien mutierten vom Anwalt des Bürgers zum verlängerten Arm der Obrigkeit. Ja, letztere haben wir seit der Pandemie wieder.

Hans-Hasso Stamer | Fr., 17. Februar 2023 - 12:43

Herr Antes hat recht. Der Druck ging von der obersten Führungsebene aus. Und, was er damit meint, aber vielleicht nicht ganz so klar sagt: Es gab deshalb keine validen Daten, weil sie nicht erwünscht waren. sie wurden sogar regelrecht verhindert. Deshalb wurden auch die vorhandenen Kohorten – Daten nicht benutzt.

Es war eindeutiger politischer Wille, um sich die Interpretation der jeweiligen konkreten Pandemie-Situation nicht aus der Hand nehmen zu lassen. Objektive Daten hätten auch den Gegnern der jeweiligen Maßnahmen Argumente liefern können, diese zu bekämpfen. Man wollte aber die 100-prozentige eigene Definitionsmacht. Da sollte einem die Wahrheit nicht ins Konzept pfuschen können.

Die Pandemie hat gezeigt, was mein Vater mir vor 60 Jahren in Bezug auf den Sozialismus sagte und was heute noch gilt: Es geht immer nur um die Macht. Ich füge hinzu: Wahrheit schadet der Macht. Kein Ereignis hat das so klar gezeigt wie die Pandemie.