
- Vom Hetzen und Treideln
Zwei Aussagen Juli Zehs in einem Interview lassen die immer selben Personen mal wieder entrüstet auf die Barrikaden gehen. Die Dinge und der Debattenverlauf in Sachen Zeh sind so erwartbar und so ermüdend. Denn sie folgen dem immer gleichen Muster.
„Es ist ein so leichtes Unternehmen, und es spielt sich so rasch ab, dass man sich beeilen muss, um zurechtzukommen. Die Eile, Gehobenheit und Sicherheit einer solchen Masse hat etwas Unheimliches. Es ist die Erregung von Blinden, die am blindesten sind, wenn sie plötzlich zu sehen glauben.“ Auch wenn es nach dem ersten Lesen so scheinen mag, als handelten diese Sätze vom zeitgenössischen Phänomen des „Shitstorms“ in den sogenannten sozialen Medien, so sind sie doch wesentlich älter und entstammen einem ganz anderen Kontext.
Denn das, was Elias Canetti (1905-1994) hier in seinem Jahrhundertwerk „Masse und Macht“ beschrieb, ist die „Hetzmasse“. Mit Blick auf den Zustand der Debattenkultur in diesem Land kommen Canettis Beobachtungen einem dieser Tage wieder in den Sinn, auch wenn der spätere Literaturnobelpreisträger mit der „Hetzmasse“, vor allem ein Phänomen aus der Frühzeit des Menschen beschrieb.