Die Außenminister von Frankreich, Deutschland, Russland und der Ukraine beim Treffen in Minsk
Kaum einen Schritt weiter: Die Außenminister Ayrault, Steinmeier, Lavrov und Klimkin / picture alliance

Ukraine-Konflikt - Zwischen Krieg und Frieden

Kolumne: Leicht gesagt. Beim Treffen der Außenminister in Minsk musste Frank-Walter Steinmeier anerkennen, dass vom Vereinbarten im Ukraine-Konflikt so gut wie nichts umgesetzt wurde. Ganz umsonst waren zwei Jahre Diplomatie dennoch nicht

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Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Es sagt sich leicht, dass alle Diplomatie umsonst gewesen sei im Ukraine-Konflikt. In zwei Jahren gab es mühsame Gespräche, 13 Außenministertreffen und vier Gipfel der höchsten Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine. Doch was im Februar 2015 als „Frieden von Minsk“ gefeiert wurde, ist immer noch keiner. Immerhin aber hat diese oft quälend festgefahrene Runde eines auch verhindert, einen Krieg mit hunderttausenden Toten.

Gewalt wütet weiter im Donbass-Gebiet. In dem Konflikt zwischen ukrainischen Separatisten, die als pro-russisch gelten, und Ukrainern, die weiterhin Kiew als ihre Hauptstadt sehen, sind 10.000 Menschen umgekommen. An manchen Tagen werden die Vereinbarungen von Minsk tausendfach missachtet, in den schlimmsten Wochen wurden 15.000 Verstöße gezählt – von gewalttätigen Übergriffen bis zu Granat-Einschlägen.

Steinmeiers wohl letzter Versuch 

Wohl letztmals hat sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier nun in dem Kollegen-Kreis getroffen, der diesen Konflikt friedlich regeln soll. „Normandie-Format“ heißt die Viererrunde, weil das erste Krisentreffen der Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Russlands und der Ukraine in Nordfrankreich stattfand. Im Juni 2014 war das, dort wurde eine „Kontaktgruppe“ verabredet, die sich seitdem unzählige Mal auch auf unterer Ebene traf, um Wege zu finden, einen Krieg zu verhindern. Sie hat die Außenminister- und Gipfelrunden vorbereitet.

Diese Treffen wiederum fanden fast alle in Berlin statt, wenige auch in Paris, das hochrangigste und hoffnungsvollste aber in Minsk im Februar 2015. Und ausgerechnet dort musste nun Steinmeier verkünden, dass vom Vereinbarten in den vergangenen 20 Monaten so gut wie nichts umgesetzt wurde.

Für jede Seite in ihrem Sinne interpretierbar

Im Grunde ist nun in Minsk offenbar geworden, dass der „Vertrag von Minsk“ nicht wirklich taugt für das, wozu Verträge da sind: zum vertragen. Zu schwammig waren die Formulierungen damals und vor allem: für jede Seite in ihrem Sinne interpretierbar. Darüber kann man heute leicht herfallen. Damals aber waren die Kompromisse notwendig, um überhaupt irgendeine Abmachung zu erzielen.

17 Stunden am Stück haben sie damals verhandelt, Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Präsidenten Francois Hollande, Wladimir Putin und Petro Poroschenko. Ihnen jeweils zur Seite standen die Außenminister. Merkel und Steinmeier soll dieser Marathon von Minsk zu politisch Vertrauten gemacht haben, jedenfalls vertrauter, als sie sich bis dahin waren. Damals, so berichteten Steinmeiers Leute später anerkennend, habe Merkel mit ihren Russisch-Kenntnissen darauf geachtet, dass in der russischen Version des Minsker Abkommens noch einzelne Worte ausgetauscht wurden, weil sie manche Synonyme für zu unpräzise hielt. Dennoch ist es im Ganzen aber nicht gelungen, eine klare Linie zu formulieren.

Ablauf strittig

Denn genau diese weite Auslegbarkeit wollte Putin und, für seine Seite, wohl auch Poroschenko. So blieb ungeregelt, in welcher Reihenfolge die Bedingen erfüllt werden sollen: erst Abzug der Waffen von der „Konfliktlinie“, wie die Front beschönigend heißt, und dann Verfassungsänderungen für mehr Autonomie der Ostukraine? So will es Kiew. Oder umgekehrt: Erst Autonomie und freie Wahlen, dann die Waffen raus? So will es Moskau.

Daran hakt im Grund alles. Poroschenko kann keine Verfassungsänderung liefern, weil es im Kiewer Parlament dafür keine Mehrheit gibt. Putin will aber die Unterstützung der Separatisten bis dahin fortsetzen, sprich: die Lage instabil halten. Die Zeit spielt für ihn, seine Macht scheint weit stabiler als die Poroschenkos.

Der unsichtbare Dritte

Beim Außenministertreffen in Minsk nun gaben sich Russland und die Ukraine völlig stur. Zwar begrüßten Russlands Außenminister Sergei Lawrow und sein ukrainischer Kollege Klimkin einander mit Vornamen, der Umgang war korrekt, doch niemand gab auch nur einen Millimeter nach. Grund dafür könnte auch ein Macht sein, die bei bisher keiner Verhandlung mit am Tisch saß: die USA.

Sowohl in Moskau als auch in Kiew hoffen sie durch Trump auf eine Zeitenwende zu ihren Gunsten. Moskau glaubt anscheinend, der künftige amerikanische Präsident interessiere sich nicht sonderlich für die EU-Interessen der Ukraine, was am Ende auch das Schutzinteresse der Europäer schwinden lassen würde. In Kiew aber setzen manche darauf, dass es doch die bald regierenden Republikaner waren, die ihnen Waffen und mehr Rückhalt versprochen hatten.

Politik der Eindämmung

Eines immerhin aber wurde deutlich auf dem Außenministertreffen an diesem Dienstag in Minsk: Weder Russland noch die Ukraine schlugen offiziell das Abkommen in den Wind, beide legten Wert darauf, sich daran orientieren zu wollen.

Zwar ist kein Frieden geschafft. Es tobt aber auch kein Krieg zwischen Russland und der Ukraine, wie er Anfang 2015 hätte ausbrechen können. Es herrscht ein Schwebezustand zwischen Krieg und Frieden. Containment-Politik hieß das im Kalten Krieg – Eindämmung. Das ist nicht viel. Aber das ist auch nicht nichts.

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Nicolas Wolf | Mi., 30. November 2016 - 17:19

Ja dem kann man nur Zustimmen. Sehr unglückliche Lage, eigentlich müssten wir ja an der Seite von Großbritannien und den USA in einem Krieg mit Russland sein (also wir nicht unbedingt aber die anderen beiden schon und naja NATO...), denn die Ukraine erhielt ja Garantien für das abgeben der Atomwaffen. Nun scheint aber niemand in einen richtigen Krieg für die Ukraine marschieren zu wollen, noch nicht einmal die Russen. Von daher kann man das erreichte durchaus als zufriedenstellend ansehen. Ich hoffe nur, das man Russland mit dem Sanktionen spürbaren Schaden zugefügt hat. Zum einen würde dies Zeigen, dass man auch nicht militärisch der Lage Herr wurde und zum anderen wäre so auch eine zügige Normalisierung der Beziehung zu Russland möglich und trotzdem zeigte man mal, wo der Hammer hängt.
Also noch besteht die Hoffnung, dass annehmbare Friedensbedingungen für die Beteiligten erreichbar sind

Herr Wolf, eigentlich müsste niemand in einem Krieg mit Russland sein, am wenigsten die Amis.

Von Trump kann man nur hoffen, dass er sich aus einigen - nur Europa betreffenden - Kriesengebieten heraushält und das betrifft auch die Ukraine.
Es reicht, dass hier unsere Frau Merkel mit Herrn Steinmeier schon genug Unheil angerichtet haben.

Die Sanktionen waren eine der größten Fehlleistungen in diesem Konflikt. Das müßte jeder erkennen, der nur eine kleine Ahnung von der "russischen Seele" hat.

Nein von der russischen Seele habe ich keine Ahnung, aber die Russen, die ich kenne, sind auch nur Menschen. Mit dem Krieg würde ich widersprechen, es gab Garantien für die Ukraine und jeder sieht was die wert sind. So braucht man gar nicht zu glauben, dass man z.b. Nordkorea irgendwann mal zu Vernunft bringt oder Russland nicht auch stärkere Gelüste am Baltikum entwickelt. Auch hätten die Niederlande aus bekannten Grund den Bündnisfall ausrufen können. Auf Trump können Sie zählen, ein Krieg mit Russland wird er nicht wollen. Was Merkel und Steinmeier in diesem Fall hätten besser machen können, ist mir nicht klar. Ein Tolerieren der Situation ist sicherlich kein erfolgsversprechender Ansatz und unsere Partner, Polen und im Baltikum, sehen sich zu recht bedroht, von daher sollte Deutschland schon klar zu diesen stehen.

@Herr Placzek: na für einen Kompromiss muss man auch was in der Hand haben, ich sehe das Geld nicht als weggeworfen, Russland lässt auch Federn...

hat man in erster Linie der Deutschen Wirtschaft-18 Milliarden Verlust durch
die Sanktionen.Das Problem läßt sich nur politisch lösen,wo bleibt die Autonomie
für die Region Donnez?Kiew hält das Minzker Abkommen auch nicht ein.Die Bürger
sind müde von dem Streit und wünschen sich Frieden.Kiew braucht den Konflikt im
Osten um alle Probleme damit zu erklären.Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung wächst.

niemand wird in einen richtigen Krieg für die Ukraine maschieren wollen. Warum sollten wir? Wir sollten uns aus dem Konflikt ganz raushalten. Auch was die Sanktionen gegen Russland anbetrifft, deren eifrigste Verfechterin Frau Merkel ist. Ganz im Sinne der USA, die mit ihrer Einmischung in die innerparteilichen Angelegenheiten der Ukraine den Konflikt erst haben eskalieren lassen.

Aber, zeigen wir Russland mal, wo der Hammer hängt. Das wird Putin sicher beeindrucken und uns dem Frieden näher bringen!

Josef Garnweitner | Fr., 2. Dezember 2016 - 14:45

Antwort auf von Christa Schreiber

es waren doch wieder mal die Amerikaner, die ein Land destabilisiert haben. Ins Chaos gestürzt ist das richtigere Wort. Und das ist erwiesen, nicht von den bösen Deutschen erdacht.

Und Herr Placzek, Sie schreiben, die auf Anordnung der amerik. Regierung verhängten Sanktionen kosten der deutschen Wirtschaft Milliarden. Vom Vertrauensverlust mal abgesehen.

Interessant dabei ist, daß sich unsere amerik. Freunde daran nicht beteiligen, im Gegenteil ihren Handel mit Rußland in dieser Zeit erheblich ausgeweitet haben. Man spricht von 9 %.

Wie heißt es doch so schön "Wer solche Freunde hat ..................

Man fragt sich nur, was in den Köpfen von Merkel & Co. vorgeht, daß sie bei diesen Spielchen mitmachen.

Willy Ehrlich | Do., 1. Dezember 2016 - 13:44

Was macht eigentlich Janukowitsch? In 2014 war ich davon ausgegangen, dass ER sich ein paar russische Truppen gemietet hat, um sein vermeintliches "Eigentum" aus der Ostukraine zu transportieren. Die teilweise völlig unlogischen Stellungnahmen, Handlungen und Sachverhalte hatten gut zu diesem Szenario gepasst.
Wer bezahlt denn jetzt die vaterlandslosen Truppen im Donbass? Und wer zahlt wem Steuern und Renten usw.? Recherchiert das irgendjemand oder gibt es irgendwo einen sachaufklärenden link?

Wilhelm Maier | Do., 1. Dezember 2016 - 18:41

Antwort auf von Willy Ehrlich

werter Herr Ehrlich,
Das ist ein Bericht, der fast garnichts neues berichtet.
Also, was der Großer Journalist schon vor jahren gesagt hat ist jetzt leider tatsache geworden:
Peter Scholl-Latour: Russland im Zangengriff:
https://www.youtube.com/watch?v=2DstVufWpRg

und was die Berichten betrifft soll man das anhören:
Peter Scholl-Latour: https://www.youtube.com/watch?v=gstFjX--XB4

Gabriele Krone-Schmalz: Einseitige Berichterstattung in den Medien:
https://www.youtube.com/watch?v=mEPdRtKP9jo

es gibt sehr vieles wenn man "Google“t,
z. B:
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/im-schatten-des-krieges
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/zwischen-hoelle-und-himmelre…
http://www.tt.com/politik/konflikte/12317941-91/neue-maidan-hintergr%C3…

Reiner Jornitz | Do., 1. Dezember 2016 - 16:01

Kürzlich habe ich eine Rede des Amerikanischen Präsidentenberater Friedman mitbekommen, das Europa die USA überhaupt nicht interessiert ist. Was auf keinen Fall sein darf, das Russland und Deutschland gute Beziehungen haben dürfen, deswegen die Sanktionen gegen Russland. Ein Glück das Putin die Nerven behält und auf die Provokation der USA nicht militärisch reagiert! 18Mrd. € Verlust für die deutsche Industrie ist den Amerikanern nicht hoch genug." Da wird ein ganz mieses Spiel getrieben mit Amerikas Vasallen" ( nicht Verbündeten) dazu gehören auch - auch wenn das nicht die Thematik ist - die von Amerika gewollten Flüchtlingsströme nach Deutschland ( Belegbar und Fakt) Was die Politik der 4er Bande anbelangt ist lediglich , so wie ich das sehe nur Wahlkampf . Frau Merkel hat aus Amerika ihre eigenen Instruktionen zu befolgen , siehe Obama Besuch und seine Verkündigung zur Kanzlerwahl! Frohe Weihnachten im Voraus und ein abenteuerliches neues Jahr 2017

Christina Fladda | Do., 1. Dezember 2016 - 17:20

formuliert. Und völlig eindeutig ist die Reihenfolge, in der die einzelnen Punkte umgesetzt werden müssen.

http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/gipfel-von-minsk-13-punkte-f…

Nach der Lektüre fragt sich der Leser dann vielleicht, wieso dauernd davon die Rede ist, Rußland müsse "MinskII einhalten" oder gar "umsetzen". Die beiden Konfliktparteien müssen beide ihre schweren Waffen zurückziehen. Ob und inwieweit das geschehen ist, darüber gehen die Berichte auseinander. Fakt ist jedoch, daß sich die ukrainische Regierung seit 2 1/2 Jahren weigert,
überhaupt mit den Menschen in der Ostukraine zu reden, geschweige denn an eine Föderalisierung des Landes und eine Befriedung der Situation
denkt. Kann man doch den schwelenden Konflikt
für alle Probleme (Korruption, Bankrott, steigende Preise, Arbeitslosigkeit) verantwortlich machen.

Robert Hagen | Do., 1. Dezember 2016 - 19:46

Der wohl entscheidende Defizit ist das Format, genauer: das "Normandie-Format: Eine vermeintliche Großmacht auf der einen, eine vermeintlich große Mittelmacht und zwei ziemlich Unmächtige zusammen auf der anderen Seite. Das ergibt kein Gleichgewicht und daher auch keine belastbaren Absprachen.

Klaus Moll | Do., 1. Dezember 2016 - 19:48

Der Krieg in der Ukraine wäre zu vermeiden gewesen, denn Janukowytsch, seinerzeit Präsident der Ukraine strebte ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union an, wollte aber auch im Interesse der ostukrainischen Bevölkerung der russischen Zollunion beitreten. Jose Barroso, der damalige Präsident der Europäischen Union lehnte dies ab und verhinderte damit eine friedliche Lösung. Dann mischten sich auch noch die USA ein und verstärkten die Konflikte, die mit dem Putsch auf dem Maidan endeten. Wer für die Schüsse auf dem Maidan verantwortlich war, ist bis heute ungeklärt. Die überwiegend russische Bevölkerung im Donbass akzeptierte den Regierungswechsel nicht und verlangte eine gewisse Sonderstellung. Das neue von den USA favorisierte Regime begann stattdessen einen Krieg gegen die eigene Bevölkerung anstatt eine Lösung auf dem Verhandlungswege zu suchen. Anstatt eigene Interessen wahrzunehmen, haben unsere Politiker sich von den USA auf eine falsche Fährte führen lassen.