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„Peinliche Blamage“: Sachsens Ministerpräsident Reiner Haseloff muss sich massive Kritik von der Opposition gefallen lassen / dpa / dpa

Rundfunkbeitrag auf der Kippe - „Die, die in der CDU rechts geblinkt haben, haben gewonnen“

2016 war die Links-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt noch gegen eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags. Doch in der Koalitionskrise wechselte sie die Seite. Jetzt sagt sie, der Ministerpräsident hätte den Gesetzesentwurf nicht zurückziehen dürfen. Doch warum hat sie ihm nicht schon vorher Druck gemacht?

Antje Hildebrandt

Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Eva von Angern ist Rechtsanwältin und seit 2002 Abgeordnete der Links-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt. Seit dem 1. Dezember ist sie Co-Chefin der Fraktion. 

Frau von Angern, Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff hat den Staatsvertrag zur Erhöhung des Rundfunkbeitrags zurückgezogen – und damit eine Abstimmung im Landtag verhindert. Ist das ein mutiger Versuch, die Kenia-Koalition zu retten? Oder der feige Versuch, gesichtswahrend aus einer Bredouille herauszukommen, in den ihn die eigene CDU-Fraktion gebracht hat, weil sie mit der AfD flirtet?
Spannende Frage. Aus meiner Sicht ist es vor allem verantwortungslos, was der Ministerpräsident hier getan hat. Er hat über Monate nicht dafür gesorgt, dass der von ihm und von seinem Kabinett eingebrachte Gesetzentwurf eine Mehrheit finden konnte. Insofern halte ich seinen Rückzug nur noch für eine Schadensbegrenzung, um die Koalition zu retten. Es ist aber auch ganz klar eine Ohrfeige für die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Aber es ist doch gar nicht seine Aufgabe, einen Entwurf im Parlament durchzuboxen. Wenn eine Mehrheit im Parlament dagegen ist, muss er das akzeptieren. So geht Demokratie.
Mehrheiten werden durch Abstimmung festgestellt, nicht durch Vermutung. Es gibt Kritikpunkte meiner Fraktion, die zum Teil auch von der CDU geteilt werden. Da sind unter anderem die Höhe der Intendantengehälter und das Beispiel, dass Ostdeutschland und Sachsen-Anhalt im gesamtdeutschen öffentlichen Rundfunk eine untergeordnete Rolle spielen. Das sind aber Punkte, die man nicht über diesen Medienstaatsvertrag verändern  kann. Diese Punkte hätte man schon viel eher ausdiskutieren müssen. Die Situation, in die uns der Ministerpräsident gebracht hat, ist selbstgemacht.

Haseloff hatte sich im März als einziger bei der Konferenz der Ministerpräsidenten der Stimme enthalten, den Vertrag dann aber doch unterschrieben und ihn auf Bitten der CDU-Fraktion zur Abstimmung gestellt. Gab es von Anfang an eine Mehrheit dagegen?
Schon bei der ersten Lesung gab es viele kritische Punkte. Deswegen wusste der Ministerpräsident natürlich auch, worauf er sich einlässt und dass es kein Selbstläufer wird. Das wäre aber der Moment gewesen, wo er hätte deutlich machen müssen, welche Rolle der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Sachsen-Anhalt spielt

Aber wenn er diese Debatte nicht geführt hat, warum hat es die Linksfraktion nicht eingefordert? So eine Gelegenheit ist doch ein Geschenk für die Opposition.
Uns war vor allem wichtig, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk entsprechend seiner Aufgaben ausfinanziert wird. Unsere Fraktion hat während der Pandemie eine Umfrage gemacht: Über 70 Prozent der Bürger beziehen Informationen während der Pandemie über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Und das hat uns gezeigt, wie wichtig Medien sind, die unabhängig berichten können und frei von wirtschaftlichen Zwängen sind.  

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Tomas Poth | Mi., 9. Dezember 2020 - 18:30

Gut das diese Linke es bemerkt, auch wenn sie diese Ansicht nicht teilt. Wie könnte sie auch da es ja ihre eigene Position betrifft.
Ansonsten Danke für die Fragetechnik und die dadurch aufgeführte Bauchtanzperformance der Befragten.

Markus Michaelis | Mi., 9. Dezember 2020 - 19:31

"Wir sind nicht bereit, einen solchen Rechtsruck hinzunehmen."

Das kann ich verstehen und anstelle der Linken würde ich genauso handeln/denken - dafür ist eine Partei ja da, möglichst ihre Politik durchzusetzen und nicht das Gegenteil.

Nur, sagt das nicht auch aus, dass es nicht einfach um einen "Demokratiefunk" geht, sondern der ÖR schon politisch ist? Die Linke geht davon aus, dass der ÖR im Moment ihre Positionen stützt, die CDU geht teilweise davon aus, dass es eher anders ist. Weshalb die Linke Kürzungen berechtigt als Rechtsruck empfindet und die CDU eine andere politische Position hat: ich nehme mal an letztlich neutral: einerseits wird der ÖR auf absehbare Zeit eher Linke, Grüne und SPD stärken, andererseits will man den ÖR natürlich als Bollwerk gegen die AfD (und andere, die prinzipiell am Regierungskurs sägen).

Demokratie ist immer mehr, als bloßes Abstimmungsverhalten. Schaffen Parteien es nicht, ihre Politik zu begründen, geht ihr repräsentativer Charakter verloren. Da fragt man sich dann als Wähler, warum die Partei, die man gewählt hat, so und nicht anders entschieden hat.

Auch bei der Entscheidung über den ÖR-Vertrag gibt es mehrere, unterschiedliche Faktoren, die eine Rolle spielen. Wenn die CDU behauptet, sie fordere Reformen, dann hat sie sich schlicht den falschen Zeitpunkt ausgesucht.

Ausserdem muss man sich doch nichts vormachen: Gebührenerhöhungen sind unpopulär, die AfD prahlt die ganze Zeit, man sei dagegen. Letztere Aussage ist zwar wertlos, weil gewohnt populistisch und nur ideologisch, aber nicht rational begründet; sie könnte aber beim Wähler verfangen. Also wirft die CDU die Demokratie stützende Prinzipien über Bord, in der Furcht, noch mehr Stimmen an die in SA bereits starken Rechtsextremisten zu verlieren.

Und hilft damit den Totengräbern der Demokratie.

Für Grüne (5,3%) und SPD (10,6% bei der letzten SA-Wahl) macht der Haltungs-Journalismus des ÖRR kostenlosen Dauerwahlkampf. Grüne und SPD brechen deshalb den von ihnen unterschriebenen Koalitionsvertrag mit der CDU, um ihren wichtigsten Wahlhelfern, den Haltungsjournalisten, etwas Gutes zukommen zu lassen. So einfach ist es, das sieht selbst ein Grüner, wenn er denn ehrlich ist.

Wann war es denn jemals der richtige? Bei der letzten Umstellung der Gebührenerhebung etwa, die zu hohen neuntstelligen Mehreinnahmen für den ÖRR führte?
Und wieso soll die Ablehnung von Gebührenerhöhungen nicht rational begründbar sein? Der deutsche gehört sowohl absolut als auch relativ zu den teuersten öffentlich-rechtlichen Rundfunken de Welt, erreicht desto weniger Staatsbürger je jünger sie sind und hat ein grottenschlechten Kapitaleinsatz pro Zuschauer. Der Versorgungsauftrag der ÖRR steht seit mindestens 20 Jahren in der Diskussion und wurde trotzdem immer noch weiter ausgedehnt, trotz immer vielfältiger gewordener Alternativen. Und als zum Glück offensichtlich gewordenen Höhepunkt des Reformunwillens: 2017 das framing Manual: Eine Anleitung zum besseren Sprechen über die ARD und ihrer Existenzberechtigung statt eines viel nötigeren Vorschlags zur inneren Struktur-Reform.

Herr Lenz, neutral betrachtet, zeigt sich in der Sachfrage um die erneute Erhöung des Rundfunktbeitrages wieder sehr deutlich, dass gerade Leute wie Sie, die keine Gelegenheit auslassen, um vom Ende der Demokratie und einer angeblichen Bedrohung "von rechts" zu schwurbeln, nicht im geringsten zu echter Demokratie fähig sind. Die wahren "Totengräber der Demokratie" sind Leute, die andere politische Meinungen nicht akzeptieren können und so damit beschäftigt sind, ihren politischen Gegner in selbstgerechter Pose als undemokratisch zu diffamieren, dass sie darüber die tatsächliche Frage (-> Soll der Beitrag erhöht werden und wenn ja, warum?) aus den Augen verlieren. Die wahren "Totengräber der Demokratie" sind Leute, die nicht verstehen wollen, dass der "Kampf für die Demokratie" nicht bedeuten kann, alles aus dem Diskrus auszuschließen, was einem nicht in den (linken) Kram passt. Herr Lenz, warum wollen Sie die Demokratie begraben?

Ja, es gibt viele Faktoren und der Zeitpunkt für Reformen mag nicht richtig sein. Das sind sehr zulässige Sichtweisen.

Der zweite Teil ihres Kommentars ist aber zu heftig. Wenn ich auf der Gegenseite nur das Überbordwerfen und Totengräber der Demokratie, Rechtsextremisten und Ideologie sehe, ist die Demokratie ja schon beschädigt, weil ihre Grundvoraussetzung ist, dass man einen Sieg/Einfluss der Gegenseite akzeptieren würde - was bei diesen Einschätzungen kaum geht. Alle Seiten sollten schauen, ob man nicht einen Gang zurückschalten kann und wo die wirklichen Schwellen liegen, hinter denen man einen Sieg/Einfluss der Gegenseite nicht mehr akzeptieren kann. Für den "letzten Schritt" der wehrhaften Demokratie gegen deren prinzipielle Feinde sprengt auch die Demokratie automatisch ihr eigenes Korsett. Demokratie ist eine Staatsform für Demokraten mit gemeinsamem Grundkonsens (und der Kraft die Undemokraten oder Leute mit anderem Grundkonsens rauszuschmeißen).

Werner Kistritz | Mi., 9. Dezember 2020 - 20:24

Das Problem ist, daß man nicht jedes Problem unter dem Gesichtspunkt "links-rechts" behandeln kann. Es führt zu teilweise absurden Verhaltensweisen: Pro Trump-keine Maske, pro Biden-Maske.
Ist die Erhöhung des Rundfunkbeitrags links oder rechts? Debatten auf diesem Niveau werden immer in die Irre führen. Warum führt man sie dann? Es geht um Propaganda: Propaganda will keine "Wahrheit", sondern die eigene Seite gut darstellen, gerne auch unter Verfälschung von Tatsachen.
Das wäre in der Tat ein starkes Argument für eine unabhängige Informationsquelle!
Das, wofür wir bezahlen, ist so ungefähr das Gegenteil davon.

Stefan Wenzel | Mi., 9. Dezember 2020 - 20:24

Vor dem Verfassungsgericht wird die Sache wohl ganz einfach: Der beklagte Staat "verteidigt" sich bewußt halbherzig, vielleicht sogar noch schwächer - und schwupps, schon ist die Rundfunksteuer durch.

Ein Coup ...

Ingo frank | Mi., 9. Dezember 2020 - 21:36

Sicher, es geht auch um Rundfunkgebühren und die Ausrichtung der Geldempfänger. Natürlich ist das ganze Konstrukt links grün (wie die nationale Front der alten DDR: SED + Blockparteien = Staatsfernsehen) ausgerichtet und durch direkte Steuern finanziert.
Das ist ja wohl nicht die einzige Steuer im HochSteuerland Deutschland. Das kann man so sehen oder auch nicht.
Doch, wenn man das so sieht, ist man weder Rechts noch ein Nazi.
Ich möchte keine Stellungnahmen und oder persönliche Meinungen zu pol. Themen die bilde ich mir lieber selbst.
Denn der Weg der Tagesschau und der heute Sendung zur aktuellen Kamera ist nicht mehr weit.

Mit vielen Grüßen aus der Erfurter Republik

gabriele bondzio | Do., 10. Dezember 2020 - 08:40

war ein Ja zur Demokratie.“...mir kommen die Tränen, ob soviel Schmalzigkeit. Die hier plötzlich aufkommt.

„Von der Wendigkeit zur Windigkeit ist nur ein Buchstabe.“ (deutsches Sprichwort)

Da war doch kürzlich, auf einer Konferenz, die Rede davon, "das ein(e) Prozent der Reichen" zu erschießen bzw. sie für nützliche Arbeit einzusetzen. Oder den "parlamentsfixierten Abgeordnetenbetrieb schwächen". Und das man das "Parlament als Bühne“ brauche, weil die Medien so geil auf dieses Parlament sind. Die NRW-Landesvorsitzende Inge Höger warb dafür, den "radikalen Systemwechsel" hinzubekommen und Industrien zu "verstaatlichen.

Ja, ich finde das auch unendlich peinlich, wie sich eine Linke hier plötzlich positioniert und das Versagen bei allen Anderen sucht.

Wehret den Anfängen! Wenn Demokratie nicht mehr als Demokratie empfunden werden kann (...geht mir zumindest so ... man braucht nur auf die "eingefärbten" Überschriften zu schauen), sollten wir ALLE genau schauen, wie es weitergeht!
Es sei nur angemerkt: Ich hab früher mal GRÜN und auch ROT gewählt ... das würde mir beim Verhalten der entsprechenden Parteien im Moment nicht einfallen ... da würd ich lieber UNGÜLTIG wählen und mich als zu doof darstellen lassen :(

Jens Rudolf | Do., 10. Dezember 2020 - 10:31

Wie hätte die Linke gestimmt, wenn die AfD ohne Aufsehen FÜR die Erhöhung des Rundfunkbeitrages gestimmt hätte? Dagegen? Geht es um die Sache und somit um die überfällige Diskussion des Kosten/Auftragserfüllungsverhältnisses des ÖR in Deutschland oder nur um Hauptsache gegen AfD. Oder geht es um die ungehinderte Finanzierung eines ÖH, der sich seit Jahren zum Sprachrohr einer politischen Richtung und zum Erziehungsfernsehen entwickelt?

Josef Olbrich | Do., 10. Dezember 2020 - 17:26

Was soll man aus diesem Kommentar herauslesen, der, so er mir den Sinn vermittelt, alle im Gleichschritt zu laufen haben, wenn der ÖR „bedarfsgerecht ausgestaltet werden muss“. Was verbirgt sich eigentlich hinter dieser Aussage?
Hat man vergessen, dass wir in einer Pandemie leben und der Staat Schulden aufnehmen muss, damit nicht alles zusammenbricht. Der ÖR aber Forderungen stellt, die hinterfragt werden müssen zu dieser Zeit. Wo ist die Zeit geblieben, als der Journalist Friedrich uns die Politik in der Welt erläuterte - ohne ideologischen Unterbau.