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Artikel 5 des Grundgesetzes / dpa

Meinungsfreiheit in Gefahr - Lieber canceln statt reden

Immer mehr Studien belegen, was debattierfreudige Geister längst befürchtet haben: In Deutschland geht die Lust am Meinungsstreit verloren. Lieber canceln statt reden, scheint das Motto der Stunde zu sein. Am Ende warten Angst, Unverständnis und Schweigen.

Ralf Hanselle / Antje Berghäuser

Autoreninfo

Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

So erreichen Sie Ralf Hanselle:

Die Sprache ist eine Waffe, hat Kurt Tucholsky 1929 in einem Aufsatz der Weltbühne behauptet. Ein gefährlicher Satz. Ein Spiel mit dem linguistischen Messer. Der US-amerikanische Psychologe Marshall B. Rosenberg, Erfinder der sogenannten „Gewaltfreien Kommunikation“, hätte im Angesicht einer solchen Bedrohungslage ganz sicher gezittert. Doch Kurt Tucholsky, der vielleicht scharfzüngigste Beobachter der Zwanzigerjahre, scherte sich nicht um verbales Appeasement: Man solle seine Sprachwaffen scharf halten, legte er nach: „Wer schludert, der sei verlacht.“

Und doch, so wirklich zum Lachen ist einem eigentlich gar nicht zumute, wenn man sich anno 2020, also gut 90 Jahre nach Tucholskys totaler Mobilmachung der Füllhalter und Wörterbücher, die Zeughäuser hiesiger Schriftgelehrter anschaut. Der eine – Stichwort „Rosenberg“ – scheut jegliche Konflikte wie der Schüttelneurotiker die Schlacht, ein anderer schießt seine Kanonaden auf Spatzen. Die allermeisten aber sperren schon im Vorhinein alles aus, was auch nur den Hauch einer anderen Meinung – und somit von Dialektik hat. 

Das Ende eines Diskurses

Stell Dir also vor, es ist Meinungskrieg, und keiner kommt rein. Unter immer mehr Nachwuchs-Intellektuellen scheint das die Methode der Wahl zu werden. Das zumindest legt eine Studie des Frankfurter Soziologen und Kommunikationswissenschaftlers Matthias Revers sowie des Mannheimer Politologen Richard Traunmüller nahe, deren Ergebnisse im September in der „Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie“ publiziert worden sind, deren Daten-Pool aber älter ist. 

Es war bereits Ende 2017, als die Frankfurter Ethnologin Susanne Schröter den Bundesvorsitzenden der Polizeigewerkschaft Rainer Wendt zu einem zuwanderungskritischen Vortrag über den „Polizeialltag in der Einwanderungsgesellschaft“ an die Frankfurter Goethe-Universität einlud. Ein offener Austausch sollte es werden, doch es kam im Vorfeld zu Protesten. 60 von Schröters Kolleginnen und Kollegen forderten in einem offenen Brief die Wiederausladung des Gewerkschaftsmannes mit der anderen, nicht zu akzeptierenden Meinung. Schließlich gab Schröter nach, und das geplante Podium fiel ins Wasser. Der Frankfurter Streit um die Grenzen der Meinungsfreiheit aber blieb bestehen und schwillt nicht nur an der Goethe-Universität bis heute weiter.

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Walter Bühler | Mi., 11. November 2020 - 09:24

Das Anwachsen der Abiturientenzahlen wurde durch die Senkung des Leistungs-Niveaus in den Schulen erreicht, die trotz einer vorgeblichen "Wissenschaftsorientierung" von den meisten politischen Parteien doch vorrangig nur als Aufbewahrungs- und Fütterungsanstalten betrachtet werden. Hinzu kommt die sinkende fachlichen Qualifikation der jungen Lehrer.

Durch all dies ist die Leistungsfähigkeit der Studenten abgesunken. Zugleich hat in der gesamten deutschen Gesellschaft "Leistung" eine dramatische Abwertung erfahren. Das Berufsleben besteht für viele aus einzelnen "Jobs" oder "Projekten", bei denen man kein Verantwortungsgefühl für die eigene Arbeit mehr haben muss. Die geschickte Karriereplanung in "Netzwerken" ersetzt immer mehr die Wahl eines wissenschaftlichen Berufes, mit dem man sich ernsthaft identifiziert.

So erkläre ich mir die Phänomene, die der Artikel zutreffend beschreibt. Die Wissenschaft hat daher in Deutschland einen schweren Stand.

Was Sie schreiben, ist traurige Realität im einstigen "Land der Dichter und Denker". Nicht einfach die Lust am Diskurs hat bei uns abgenommen, sondern vor allem fehlt es an hochgebildeten Menschen, die einen Diskurs überhaupt führen k ö n n e n. Wer da Defizite hat, entwickelt natürlich keinen Eifer, sich mit anderen auseinanderzusetzen. Er übernimmt vielmehr die Mehrheitsmeinung u. will ansonsten in Ruhe gelassen werden.
Selbständiges Denken,das zu einer eigenen Meinung führt, setzt Intelligenz voraus u.
ist anstrengend! Man kann nur argumentieren, wenn man sich eingehend mit einem Problem auseinandergesetzt, es verstanden und mit unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten beschäftigt hat. Dazu sind - wie wir alle wissen - nicht alle, ja, nicht einmal die meisten Menschen in der Lage. Das ist überall auf der Welt gleich. ABER: Jedes Land, das es schafft, eine große Zahl von umfassend Gebildeten (= geistige Elite) hervorzubringen, hat enorme Vorteile. Deutschland gehört nicht dazu.

Werte Frau Wallau!

"Jedes Land, das es schafft, eine große Zahl von umfassend Gebildeten (= geistige Elite) hervorzubringen, hat enorme Vorteile. Deutschland gehört nicht dazu."

Dem stimme ich nicht zu!
Meiner Meinung nach, haben wir in Deutschland sehr wohl eine geistige Elite.
Diese ist jedoch ggü der "Machtelite" (ich nenne diese "Selbstgerechten" so) mehr oder weniger chancenlos.
Entscheidend sind Seilschaften/Netzwerke in Parteien, Medien.
"Moral und Haltung"!
Wer insoweit brach liegt, quasi ein Einzelkämpfer ist, hat schon verloren, ist ein Nullum, gar Paria.
Etwa Peter Sloterdijk. Er war in 2016 (?) bei ZDF-Illner zu Gast und sprach sich vehement gegen Merkels Flüchtlingspolitik aus: "Es gibt keine Pflicht zur Selbstzerstörung!"
Das war quasi ein telegener Suizid.
"Schön dass Sie hier waren" = tschö mit ö forever.

Natürlich haben wir eine (laut schweigende!) Elite.

Gesinnungs-/Neusprech-"Kultur"?
Meiner Meinung nach JA!
Das ist wie im Gefängnis: wer nicht spurt fliegt raus!

das fehlende Wissen, das "intellektuelle Niveau" in der heutigen Schule, das sich in der Universität fortsetzt, ist - da stimme ich ihnen zu - Produkt schulischer Ausbildung, bei der es nicht auf rationaler Auseinandersetzung ankommt sondern auf ein Wissen, das zur Selektion der Probanden dient und gleichzeitig befähigen soll, für die spätere Arbeit und ggf. Karriere infrage zu kommen, also für diejenigen, die dem schulischen Druck standhalten bzw. sich durchsetzen konnten. Das in Kürze.
Zynisch finde ich ihre Kritik an jener geistigen Elite (oder ist es einfach Lehrer-bashing?), die, wie alle lohnabhängig Arbeitenden darauf angewiesen sind, daß jemand sie benötigt und bereit ist, für ihre Leistungen zu bezahlen und deshalb mit mehreren Jobs sich über Wasser halten müssen. Denken sie mal darüber nach. Für eine offene schonungslose Debatte stehe ich bereit, nicht aber für einen "Meinungsaustausch"!!!

Walter Bühler | Do., 12. November 2020 - 11:08

Antwort auf von bruno leutze

..., Sie haben Recht, meine Formulierungen zu kritisieren, die in der Tat den Eindruck erwecken können, dass Leute aus Jux und Tollerei mehrere Jobs annehmen würden. Das habe ich nicht so gemeint. Ich weiß natürlich, dass sie dazu gezwungen sind. Und genau diesen Zwang empfinde ich als fatale Entwicklung. Ich wünsche mir, dass sich Menschen mit ihrem Beruf identifizieren können und in ihm einigermaßen gelassen und ruhig gute Arbeit leisten können. Als ehemaliger Lehrer fällt es mir nicht im Traume ein, für all das den einzelnen Lehrer verantwortlich zu machen. Es ist das Problem einer vernünftigen Bildungspolitik in der Gesellschaft.

helmut armbruster | Mi., 11. November 2020 - 09:30

fett und bequem werden lassen.
Jahrzehntelange Dauerberieselung durch Werbung haben ihr Urteilsvermögen und ihre Wertvorstellungen korrumpiert.
Political Correctness und an Umerziehung grenzende politische Methoden haben ihnen den Rest gegeben und willfährige Duckmäuser aus ihnen gemacht.
Kritik und selbstständiges Denken wurde nicht mehr eingefordert. Ein guter Staatsbürger war ein konformer Staatsbürger.
Woher soll bei derart gezähmten Menschen der Funke kommen, der wirkliche Diskussionen entzündet?

Michael Andreas | Mi., 11. November 2020 - 09:31

dass die "alten weißen Männer", deren Ansichten von jeher wie selbstverständlich die Diskussion bestimmt haben, seit einiger Zeit ungewohnten Gegenwind erfahren und damit noch nicht umgehen können.

Sie haben im Alleingang die Grundlagen dessen geschaffen, was man gemeinhin unter Zivilisation subsummiert: nie dagewesener Wohlstand, beste Gesundheitsversorgung, längste Lebenserwartung, grösste Produktivität, quantitativ und qualitativ höchste Freizeitwerte. Und damit eigentlich das beste Argument, deren Ansichten sehr hochzuarbeiten gewichten, nicht wahr?
Davon ab wird im Artikel eine Studie über junge Studenten zitiert, die zu einem Gutteil nicht mit anderen Ansichten umgehen können, nicht alte weisse Männer.

Man muss gar nicht in die Ferne schweifen!

Ich kann gar nicht mehr die sicherlich durchweg gutgemeinten Ratschläge zählen, doch dieses Forum zu verlassen und woanders zu schreiben!

Na gut, die demokratische "Belastbarkeit" ist nun mal nicht bei jedem Foristen besonders ausgeprägt. Ich verstehe ja: Man will unter sich bleiben. Andere Meinungen stören da nur.

Was mich widerum überhaupt nicht stört.

Besonders laut waren übrigens diejenigen, die im nächsten Beitrag beklagten, mit der Meinungsfreiheit in Deutschland stünde es nicht zum besten!

Ein besonderer Höhepunkt: Vorgestern erfuhr ich, dass ich eigentlich ein Computerprogramm sei!

Gleiches widerfährt ja durchaus auch dem einen oder der anderen Cicero-Redakteur(in). Besonders, wenn ein Beitrag sich mit rechtsextremistischen Tendenzen und kritisch mit der AfD befasst.

Da werden Redakteure schon mal ermahnt, auf die von Foristen erwartete Linie zurückzukehren - oder gleich zu Spiegel, Zeit usw. abzuwandern.

Darauf gibt es von mir (selbst unter der Vorraussetzung sie wären ein Computer) die Antwort: "Manche Richter sind so stolz auf ihre Unbestechlichkeit, dass sie darüber die Gerechtigkeit vergessen." (Oskar Wilde)
Oder wer andere Meinungen immer durch persönliches Diskreditieren wegwischen will, kommt genau in die Lage, welche sie beklagen. Fakten, Herr Lenz, Fakten, sollte man(n) widerlegen.

dass Sie nicht verstanden haben, wovon die gleichermassen überzeugende wie differenzierte Analyse handelt. Doch schön, dass Ihnen dazu immerhin der Spruch mit den "alten weissen Männern" eingefallen ist, deren Ansichten die - inzwischen kaum noch stattfindende - Diskussion früher scheints dominiert haben. Der neue Ansatz heisst Diskussionsverweigerung, was nur logisch ist, soweit man sich selber im Vollbesitz der ganzen Wahrheit wähnt. Wozu auch Zeit in eine Diskussion mit
mit Leuten investieren, denen nicht einleuchtet, dass es auf alle Fragen der Zeit jeweils nur eine einzige richtige Antwort geben kann, die sich jedem hellen Kopf intuitiv erschliesst, womit sich eine Debatte erübrigt. Wer das nicht versteht, soll es bitte für sich behalten und die "Erhellten" nicht mit seinen unmassgeblichen Ansichten belästigen. ...

Hans Jürgen Wienroth | Mi., 11. November 2020 - 10:56

Antwort auf von Michael Andreas

Nein Herr Andreas, die „alten weißen Männer“ haben keine Angst vor Diskussionen. Sie haben noch gelernt, mit Wissen, Fakten und Zitaten zu argumentieren. Das ist schwer, weil eine intensive Beschäftigung mit dem Thema erforderlich ist, um in der Diskussion zu bestehen. Man darf sich nicht nur auf Veröffentlichungen in den Medien berufen und diese als Nachweis ansehen. Echte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit einzelnen Themen ist aber zeitaufwendig, stellt sich immer in Frage, wozu – hier pauschalisiere ich bewusst auch – die junge Generation keine Lust mehr hat. Genau das beschreibt Herr Hanselle in seinem Artikel.
Die etablierten Parteien reden immer davon, der „Opposition“ (AfD) mit Argumenten begegnen zu wollen. Bisher gab es da jedoch nur populistische Aussagen ohne Fundament. Bei Corona-Demos geht es in den Medien immer nur um die Maske. Ist das alles, wogegen Protest stattfindet? Was ist mit dem in keinem Wahlprogramm stehenden Umbau der EU (Schulden, Steuern etc.)?

"[alte weiße Männer] ungewohnten Gegenwind erfahren und damit noch nicht umgehen können"

@Michael Andreas: Hier vermischen sich glaube ich zwei Dinge: einerseits schießen neue Gruppen gegen die Machtpoitionen in Zeitungen (die Chefredaktion, Top-Redaktuerspositionen), Wirtschaft, Film, Kultur, Politik, die noch viel mit weißen Männern (oft christlichen Glaubens) besetzt sind. Das ist sozusagen ein "Kampf" innerhalb des progressiven, linken Lagers (wobei natürlich viele nur vorgeben progressiv und links zu sein, weil das gerade die Gewinnerseite ist) und es wird noch dauern bis hier alle Positionen wirklich bunt mit allen Hautfarben, allen Religionen, allen Kontinenten, allen Geschichtsbildern, allen Gendervarianten, allen sonstigen Gruppierungen, insbesondere allen, die schonmal diskriminiert wurden, besetzt sind.

Andererseits geht es gegen rechte, weiße, männliche Dominanz - z.B. Achgut oder so. Aber die kennen, als Außenseiter, glaube ich Gegenwind eher ganz gut.

Allein das "alte, weiße Männer" suggeriert, dass Väter und Großväter Familientyrannen, Herrscher, Frauenhasser, Unterdrücker usw. gewesen wären. Wenn das so durch sämtliche Schichten des deutschen Volkes passiert, hätte es nicht die Frauenbewegung im 19./20.Jahrhundert gegeben, die vielen aufgeklärten Frauen und Mütter, die ohne zu fragen als Arbeitnehmerin oder Unternehmerin angepackt haben, Deutschland zu dem zu machen, was es ist, die vielen Ministerinnen in Land und Bund seit vielen Jahrzehnten, die die Richtung vorgaben und vorgeben und nicht zuletzt die nicht mehr wegzuwählende Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die derzeitige Unkultur des Canceln liegt tiefgründiger in der Gesellschaft und nicht per Zeigefinger auf irgend eine diffuse Gruppierung, die nicht verifizierbar ist.

...Meinung als Sie, aber ich würde mein Leben dafür geben daß Sie Ihre Meinung frei aussprechen dürfen". Verspricht Voltaire.

Unsere Meinungsfreiheit unterliegt in Deutschland Teilen der Zivilgesellschaft
unter staatlicher Förderung schwer unter Druck. Nur existentielle Unabhängige können es sich leisten, zu Demonstrationen, wie zur Klimahysterie, Genderunfug, fahrläsiger Zuwanderungs- und einäugiger Sicherheitspolitik zu gehen.
Kritik wird zur Majestätsbeleidigung und zu Haß disqualifiziert. Unsere Regierung sollte sich Konfuzius Weißheit " aneignen.
"Der weise Mann setzt Ruhm an wie das Schwein das Fett".
Unsere grün/roten Universitäten verhindern diesen Ruhm. Der Druck zunehmender
Intoleranz Andersdenkender ist durch nichts zu rechtfertigen, auch wenn sie von einer gebildeten Elite" ausgeht. Steinmeier weiß das. Er ist wirklich nicht weise, er ist lediglich weiß. Arrogant spricht er von angeblich gefühlter Freiheitseinschränkung.
Es ist ernüchternd.

Eve Weinzierl | Mi., 11. November 2020 - 09:41

Welche, Herr Hanselle?

gabriele bondzio | Mi., 11. November 2020 - 10:39

Erst mal klar gesagt, ich zähle mich nicht zu denen, die die Lust am Meinungsstreit verloren haben. Im Gegenteil, je mehr Menschen in eine Ecke getrieben werden sollen, eingeschüchtert, um ihre Position im Leben gebracht, desto mehr werde ich gegenrudern. Weil das weder unter Demokratie noch Loyalität fällt.
Von Gewalt (gegen Mensch oder Tier) halte ich nichts...aber auch gar nichts. Gandhi, leuchtendes Beispiel gegen Nicht-Gewalt: „Was man mit Gewalt gewinnt, kann man nur mit Gewalt behalten“
Auch wenn ich nicht im Stand seiner Duldungsfähigkeit bin, ist jedes dieser Worte eine unumstößliche Wahrheit.
Der schwedische Weg in der Pandemie ist untersetzt von Vertrauen zu seinen Bürgern (siehe gestern 20:15 ARTE Corona: Sicherheit kontra Freiheit)
Die Sorge um das Infektionsgeschehen in Deutschlands Metropolen gerät auch bei mir in den Verdacht, dass hier sehr wohl eine Beschneidung Andersdenkender erreicht werden soll. Dafür gibt es mehr als genug Anhaltspunkte.

Liebe Frau Bondzio,
danke für den tollen Hinweis auf die Reportage, die ich mir sofort angeschaut habe. Endlich einmal eine Doku, in der auch mal Kritiker zu Wort kommen. Kritiker, die nicht verwirrt sind oder zum rechten Rand gehören. Eine andere Sicht auf die Dinge, die mir zur Zeit gut tut und wieder zu einer ausgewogenen Debatte führen könnte.

Markus Michaelis | Mi., 11. November 2020 - 11:55

Viele würden wohl sagen, dass wir in einer rassistisch-postkolonial-rechten Gesellschaft leben (oder zumindest mit großer Gefahr in diese Richtung) und daher eine klare Haltung Pflicht ist.

Ich würde den Aspekt stärker sehen, dass die Jugend immer zur reinen Lehre und Wahrheit strebt. Die "Dialektik" kommt dann über den Kampf mit den "Alten" rein, die viele Dinge praktisch durchführbar oder auch einfach aus Gewohnheit anders machen - und oft auch mehr Erfahrung mit all den Widersprüchen des Lebens haben.

Im Moment haben wir eine besondere Phase, in der die "staatstragenden Alten" "links" sind, also dasselbe wollen, wie die tonangebende Jugend, nur will letztere das noch kompromissloser, wogegen die "Alten" schlecht etwas sagen können, weil sie selber zumindest rethorisch das immer so gefordert haben.

Wir haben daher die Zeit der reinen Lehre, die sich aber noch an letzten Punkten an der Realität reibt.

Ernst-Günther Konrad | Mi., 11. November 2020 - 12:18

Herr Hanselle Sie irren sich. Nach Angaben der Politik und der Medien, haben wir doch Meinungsfreiheit. Jeder darf alles sagen, nur nicht immer, nur nicht kritisch und schon gar nicht detailliert begründet. Was soll es denn schon für Folgen haben?
Nun, Ausschluss aus der meinungsgebenden sozialen Gesellschaft, berufliche Schwierigkeiten bis zu Entlassung, Auftrittsverbote bei Vorlesungen und Satireauftritten, Verbot von Büchern, Denkmälern und Namensgebungen, das Gaststättenbedienungsverbot für bestimmte politische Parteien, das permanente Umdeuten und Stigmatisieren von Meinungen. Ein mit Lügen und Auslassungen versehenes Fernsehen und Radio, ein von Parteien und Ministerien finanziell abhängig gemachte Regierungspresse sorgen für öffentlichen Verriss der Kritiker, was gerne in den asozialen Medien ihren Anfang nimmt. Ja, man kann alles sagen, zu Hause im Kreise der wohlgesinnten Mitkritiker, aber sonst ist schweigen angesagt. Die Umfragen sagen uns schon was wir denken sollen.

Gerhard Fiedler | Mi., 11. November 2020 - 12:28

Liebe Frau Wallau, diesmal kann ich Ihnen nicht völlig zustimmen. Sie schreiben, dass das Christentum durch die läuternde Kritik eines Aufklärungsfeuers gegangen sei. Als 82-jähriger erinnere ich mich immer noch gut daran, in meiner Kind- und Jugendzeit, streng katholisch erzogen, von Kirche und Elternhaus massiv unter religiösen Druck gesetzt worden zu sein. Das mag heute vielleicht nicht mehr so sein. Der regelmäßig erwartete Gang zum Beichtstuhl war für mich jedes mal ein Grauen. Und wer nicht zur Kommunion ging, wurde im Zustand der schweren Sünde verortet. Erst als ich meiner Frau zuliebe evangelisch wurde, spürte ich etwas von der Freiheit eines Christenmenschen. Eine Ihrer Aussagen, Frau Wallau, unterstreiche ich jedoch, nämlich dass es keine Brücke zwischen Erkenntnisbereitschaft (Realismus) und Wunschdenken gibt. Und dies gilt immer noch
für unsere beiden Kirchen. Ihr Verhalten in Sachen Migration und Islam sind Beispiele dafür.

Maik Harms | Mi., 11. November 2020 - 13:07

Da früher immer alles besser war, vermute ich, dass die zunehmende Gereiztheit und Gesprächsverweigerung mit dem ebenfalls zunehmenden Tempo in fast allen Gesellschaftsbereichen zu tun hat: Medien, Technik, Politik, Familie usw., die Veränderungen sind zusammengenommen kaum noch verdaubar. Man ist entweder in einem Rausch oder benebelt.

Das macht angst. Und es führt dazu, dass Toleranz ("dulden", auch erdulden von Differenzen) rapide abnimmt. Man hat auch scheinbar keine Zeit mehr, die zum Austausch erforderlichen Routinen zu erlernen und Verfahren einzuhalten.

Mensch ist für die moderne Zeit vielleicht sowohl körperlich als auch geistig nicht gebaut.

Heidemarie Heim | Mi., 11. November 2020 - 13:25

Wie Wortgewalt, Wortgewandtheit, geschliffene Sprache, rhetorisches Genie, Gegenargument!! als Ausdrucksform und Inhalt unseres sprachlichen Vermögens können wir also getrost in die Tonne kloppen. Solche Begriffe verwenden, wenn überhaupt nur "alte weiße Männlein und Weiblein" wie auch hier in dem ein oder anderen Kommentar festgestellt wurde;). Was die Methode betrifft kurzerhand alles umgehend zu "tabuisieren" über das man eventuell a) nicht selbst verfügt und einem b) auf den eigenen Meinungszeiger geht, war schon immer die beste Methode die Masse (Volk) oder Andersmeinende> (noch so ein Wort für die Tonne;) zum Schweigen zu bringen. Das ist zwar ein klein wenig totalitär, bringt uns aber die so gewünschte gesellschaftliche und politische Friedhofsruhe. Pardon, die gute new cancel culture!
Gegen die wir hoffentlich hier im Forum noch lange verstoßen dürfen liebe Redaktion! PS: Überdies teile ich mit Herr Hanselle den Verdacht bezüglich des Demo-Rechts. Lasst bloß die Finger davon!

Urban Will | Mi., 11. November 2020 - 13:30

nur dann wirksam, wenn sie in einem Umfeld freier Meinungsäußerung angewendet werden darf.
Eine noch so geschliffene, überragende Verteidigungsrede bspw. am Volksgerichtshof unter einem Richter Freisler wäre wirkungslos von diesem niedergebrüllt worden, der Redner gar selbst in Gefahr gewesen.
Freislers haben wir noch keine, aber ein Umfeld, in dem freie Meinungsäußerung nicht ohne unangemessene Folgen bleibt, sehr wohl.
Sei es die körperliche Unversehrtheit oder die Karriere, was auch immer.

In Anbetracht der deutlich tiefer liegenden Toleranzschwelle bei Links – Grün und der Tatsache, dass beim ARD – Nachwuchs (wohl auch dem des ZDF) über 80 % sich diesem zugehörig fühlen, braucht man auch in Zukunft im Ö.R. weder mit einer unabhängigen, freien Berichterstattung zu rechnen, noch damit, dass vom links-grünen Mainstream nicht geduldete politische oder sonstige Vertreter angemessen zu Wort kommen dürfen.
Also abschalten, wenn die Quasselrunden zu reden anfangen.
Schont die Nerven.

Dirk Weller | Mi., 11. November 2020 - 14:06

Zumindest wenn die "Meinung" eindeutig dem linken Spektrum zuzuordnen ist.
Wenn die Meinung jedoch auch nur ansatzweise als "NICHT-links" gilt, so hat man in den meisten Medien und Kommentar-Bereichen mit massivem Gegenwind zu rechnen.
Wobei die "Gegenargumente" in den allerseltensten Fällen Sachargumente sind.
Ausweichende Aussagen wie "das ist unmoralisch", "das ist unchristlich/unmenschlich", "das ist AfD-nah" oder "das ist Rechts" sind die Regel.
( der CICERO ist da eine Ausnahme )
Meinungen "links-populistischer" oder "links-extremistischer" Art dagegen werden in der Regel von den meisten Medien kritiklos durchgereicht.
Zum Beispiel weltfremde Weltanschuungen wie "no nation-no border", oder die Absicht vieler GRÜNER noch erheblich mehr Flüchtlinge in die EU zu holen.
Das da bei belesenen zumindest bezüglich der Medien der Eindruck einer eingeschränkten Meinungsfreiheit aufkommt, ist gut nachvollziehbar.

Gisela Fimiani | Mi., 11. November 2020 - 16:18

Ihrem Beitrag, Herr Hanselle, möchte ich folgende Leseempfehlung des Autors Michael Esders hinzufügen: >>Sprachregime<< Nicht nur Menschen, deren „Werkzeug“ die Sprache ist, sondern vor allem auch uns Bürgern, eröffnet das Buch tiefe Einblicke in die „Macht der Sprache“ und führt uns vor Augen , wie diese dazu dient, „politische Wahrheitssysteme“ zu etablieren. Ein großartiger, entlarvender Beitrag eines kritischen Intellektuellen!

Kai Hügle | Mi., 11. November 2020 - 18:27

Es wäre angebracht gewesen, den methodischen Ansatz der Forscher und ihr Sample zu erwähnen, auf denen die Daten beruhen. Ich zitiere aus:

https://link.springer.com/article/10.1007/s11577-020-00713-z

"Our empirical analysis is based on original survey data collected from social science students at Goethe University Frankfurt. We are certainly not under the impression that our sample is representative of university students in general (or the wider public, for that matter). On the contrary, we purposefully consider the social science studentship at Frankfurt as a most likely case."

Revers und Traunmüller haben also gezielt EINEN Fachbereich (Sozialwissenschaften) an EINER als "stramm links" geltenden Universität ausgewählt, um ihre Hypothese zu überprüfen, und beanspruchen KEINE Repräsentativität. Insofern ist diese Studie als Beleg für Ihre These des um sich greifenden linken Meinungsdiktats denkbar ungeeignet.
Haben Sie das übersehen oder mit Absicht "gecancelt"?

Wolfgang Jäger | Do., 12. November 2020 - 08:44

Die in diesem Artikel beschriebenen Phänomene lassen sich leicht erklären. Die Studenten von heute sind die Schüler von gestern. An den Schulen hat man in den Fächern Geschichte, Deutsch, Politik und inzwischen auch Biologie (Klimawandel, Genderideologie!) die jungen Menschen so auf die Spur gebracht (das tun die links-rot-grün missionarisch tätigen pädagogischen "Weltverbesserer", die an Schulen wohl mindestens 80% ausmachen, seit Jahrzehnten!) , dass wir uns über deren Einstellungen zum Thema Meinungsfreiheit nicht mehr zu wundern brauchen. Hinzukommt das inzwischen zum Persilschein verkommene "Reifezeugnis". Unsere Gesellschaft ist bereits voll von rot-grün-linken Gesinnungs-/Haltungsjournalistenjournalisten, voll von Gefälligkeitswissenschaftlern, voll von rot-grün-linken Pädagogen und Dozenten, die ihre Philosophie der eingeschränkten Toleranz verbreiten. Überall finden sie hörige Schülerinnen und Schüler, Studenten und solche, die noch eine Karriere planen. Ende nicht in Sicht.