Der früherere Außenminister Guido Westerwelle
Guido Westerwelle war im Kern ein sensibler Mann, auch wenn er hart austeilen konnte / picture alliance

Guido Westerwelle - Deutschland schuldet ihm späten Dank

Vor einem halben Jahr verstarb Guido Westerwelle. Das Vermächtnis des früheren Außenministers wird heute sichtbar. Seine Entscheidung, damals nicht in Libyen einzumarschieren, war mutig und richtig

Autoreninfo

Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Vergangene Woche gab es wieder dramatische Bilder von der Küste vor Libyen. Fast 5.000 Flüchtlinge wurden an einem Tag aus Seenot gerettet, eine junge Mutter gebar kurz nach der Rettung noch auf See Zwillinge, die Wehen hatten unter den Strapazen früher eingesetzt.

Libyen, das ist das neue Syrien. Von dort kommt der Strom, dort tobt ein unentwirrbarer Bürgerkrieg, im medialen Schatten des Assad-Reiches, auf dessen Boden sich die USA und Russland zunehmend offen einen Krieg liefern.

In Libyen ist passiert, was so oft im Nahen Osten passiert. Das Muster ist immer das Gleiche: Ein Diktator unterdrückt sein Volk, es beginnt zu brodeln, der Westen greift ein, der Diktator ist irgendwann weg. Dann aber geht das Brodeln erst richtig los. Und ist von nichts und niemandem mehr unter Kontrolle zu kriegen, wie bei einem großen Störfall in einem Kernkraftwerk.

Mutiger Alleingang im UN-Sicherheitsrat

In Libyen nahm das Verhängnis im Frühjahr 2011 seinen Lauf. Diktator Muammar al-Gaddafi hatte das Land seit Jahrzehnten unter Kontrolle, aber zu einem enormen Preis, den die Bevölkerung zu zahlen hatte. Seine Herrschaft wurde zunehmend erratischer und despotischer, ein Bürgerkrieg zog auf. Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy wollte Stärke zeigen, nicht zuletzt um von innenpolitischen Problemen abzulenken. Die USA, angeführt von Barack Obama, der zu keinem Zeitpunkt seiner Präsidentschaft im Nahen Osten ein glückliches Händchen hatte, willigten in einen Einsatz ein.

Eine Entscheidung im UN-Sicherheitsrat stand an, dem Deutschland zu jener Zeit turnusmäßig angehörte. Und der deutsche Außenminister wies den deutschen Botschafter in einer spektakulären Aktion zu einer Enthaltung an.

Was war die Empörung groß! Joschka Fischer, ewiger Antipode Westerwelles, dessen Vorgänger als Außenminister und selbsternannter Weltgeist, erkannte in der Aktion „das vielleicht größte Debakel seit Gründung der Bundesrepublik“. Das gesamte außenpolitische Kommentariat Deutschlands und der Welt fiel über den damaligen FDP-Chef her. Die Causa war der letzte Tropfen, den es noch brauchte, um ihn jenen Parteivorsitz zu kosten.

Gerechtigkeit blieb Westerwelle versagt

Westerwelle, der vor gut einem halben Jahr gestorben ist, war im Kern ein sensibler Mann, auch wenn er hart austeilen konnte. Weil das auch seine politischen Gegner wussten, zollten ihm zu seinem frühen Tod auch alle Respekt. Respekt, der ihm zu Lebzeiten meist verwehrt blieb. Die sensible Seite an ihm verwand diese von ihm so empfundene Ungerechtigkeit nicht. Denn obgleich andere ihn einen kalten Neoliberalen schimpften, hatte Westerwelle ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden, das sich hier in eigener Sache meldete.

Heute, fünf Jahre nach Westerwelles Libyen-Entscheidung und knapp sieben Monate nach seinem Tod, ist es Zeit, ihm für diese Aktion einen Blumenstrauß aufs Grab in Köln zu legen. Libyen ist kein Staat mehr mit funktionerenden Strukturen, sondern nur mehr eine Region ohne Recht und Ordnung. Eine Brutstätte von Hass, Terror, Gewalt.

So wird im Rückblick immer deutlicher: Das war ein kleiner Schröder, den Westerwelle da hingelegt hatte. Während der Altkanzler für sein „Nein“ zum Irakkrieg nach viel Schelte noch in den Genuss der Genugtuung kam, blieb dem Anti-Interventionisten Westerwelle diese späte Gerechtigkeit zu Lebzeiten versagt.

Deshalb, posthum: Danke, Guido Westerwelle. Sie haben mutig und richtig gehandelt. Auch wenn das seinerzeit keiner wahrhaben wollte.

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Felix Garbe | Di., 11. Oktober 2016 - 11:31

Ich hab damals sogar seine Email-Adresse gegoogelt, um ihm dafür meine Anerkennung zu zollen.
Er hat sich persönlich bedankt.

Dietrich Koch-Heintzeler | Mi., 22. Februar 2017 - 11:10

Antwort auf von Felix Garbe

Deutschland hat sich im Sicherheitsrat verweigert unter anderem weil unsere Luftwaffe damals und auch heute zu internationalen Einsätzen im Gegensatz zu England und Frankreich nicht einsatzfähig ist.
Das war schon in Jugoslawien so und ist auch in Afghanistan so gewesen und jetzt in Syrien mit grade mal zwei alten Tornadoaufklärerer, die nicht einmal nachttauglich sind. Auch diese Blamage wollten sich Westerwelle und Merkel wohl ersparen.
Auch der innenpolitische Rückhalt hätte gefehlt. "Nie wieder Krieg" mit deutscher Beteiligung. Das ist der Zickzackkurs in deutscher Aussenpolitik und ja, auch der späte Brexit davon eine traurige Folge. Wir sind moralisch hochmütig und wenns drauf ankommt kneifen wir.

Wolfgang Tröbner | Di., 11. Oktober 2016 - 11:50

Herr Schwennicke, meine volle Zustimmung für Ihren Artikel über Herrn Westerwelle. Es wäre zwar schön gewesen, wenn Herr Westerwelle diese Würdigung noch zu Lebzeiten erfahren hätte. Aber besser spät als nie.

Ich kann mich noch gut erinnern, wie damals insbesondere die Medien über Westerwelle hergefallen und ihn für seine Entscheidung bezüglich Libyen nicht nur kritisiert, sondern öffentlich vorgeführt und gedemütigt haben. Man ist fast versucht zu sagen, dass er öffentlich hingerichtet wurde. Anders als seine damalige Chefin hat Westerwelle aber Mut und Rückgrat bewiesen. Und auch Weitsicht (was z.B. einem Herrn Fischer gänzlich abgeht). Diese Eigenschaften sind, vor allem wenn man die heute agierenden Politiker betrachtet, sehr, sehr selten geworden.

Westerwelle hatte mit Deutschlands Veto im UN-Sicherheitsrat jeden Einfluss als Mitspieler für eine friedliche demokratischere Zukunft in Libyen verspielt und damit einen Konsens mit Frankreich, Grossbritannien und Italien verunmöglicht.

Arndt Reichstätter | Di., 11. Oktober 2016 - 11:51

Sondern es drängt sich zunehmend die Frage auf, ob Khadaffi kein besserer Staatschef als das Gespann aus Obama, Sarkozy, Cameron, dem Vorsitzenden des ägyptischen Militärputschregimes sowie dem Saudi-König war.

Als Ursache des arabischen Frühlings werden mehrere Dinge debattiert. Geheimdienstoperationen, Ressourcenkriege, Verdopplung des Getreidepreises, Bevölkerungsanstieg.

Aber seriöse Journalisten sind sich einig, dass es einen sorgfältigen politischen Plan für den Sturz Khadaffis gab. Khadaffi als besserer Politiker als Obama?

Der dänsiche Wissenschaftler Helmuth Nyborg hat die These aufgestellt, dass Demokratie erst ab einem Volks-IQ von 90 möglich ist. Dies halte ich für eine bessere Erklärung als das angebliche Machtvakuum, welches der IS stets füllt.

IQ - Libyen: 83
IQ - Irak: 87
IQ - Syrien: 83

Khadaffi prophezeite, Libyen werde ohne ihn auseinanderfallen. Er scheint einen hohen IQ gehabt zu haben. Oder die Gepflogenheiten seines Stammes gekannt zu haben.

Frank Linnhoff | Di., 11. Oktober 2016 - 13:47

Antwort auf von Arndt Reichstätter

Wie hoch wohl der Volks-IQ des deutschen Volkes 1933 gewesen sein mag? Über 50?

Nicolas Wolf | Di., 11. Oktober 2016 - 18:20

Antwort auf von Frank Linnhoff

Eine bestehende Möglichkeit führt nicht zwangsläufig auch zu Eintreten des möglichen Ereignisses, Beispiel: Deutschland hatte dieses Jahr die Möglichkeit Europameister zu werden, anders als Holland, die haben sich nicht fürs Tunier qualifiziert. Deshalb ist trotzdem Portugal Europameister geworden, nicht Deutschland oder Holland. Der IQ 1933 war vermutlich genausohoch wie heute, vielleicht sogar höher. Auch schlaue können völlig falsch liegen. Die genannte Quelle ist aber sicherlich nicht unumstritten, auch wenn ich Kritik aus PC Gründen ablehne, scheint es bei Prof. Nyborg auch andere Problem zu geben. Außerdem unterscheidet sich Tunesien nicht signifikant von Libyen und es scheint trotzdem eine Demktratie möglich. Die Zeit wird es zeigen, aber man kann ja auch mal hoffen. In Botswana, Ghana, Südafrika etc. geht es ja auch irgendwie, trotz vermeintlich noch schlechterer Voraussetzungen.

Arndt Reichstätter | Di., 11. Oktober 2016 - 22:49

Antwort auf von Frank Linnhoff

Danke für den Nazi-Vergleich und kein inhaltliches Argument.
Adolf wäre stolz.

Martin Michael | Di., 11. Oktober 2016 - 23:24

Antwort auf von Arndt Reichstätter

Mich wunder nur das so was nicht zensiert wird.
Das generelle Problem für Armut und Perspektivlosigkeit ist Intelligenz, erst wenn wir das erkennen lassen sich die Probleme der Welt lösen. Meiner Meinung nach ist Hr. Westerwelle wegen Libyen hingerichtet worden. Aber das ist Spekulation.

Dorothee Sehrt-Irrek | Di., 11. Oktober 2016 - 11:55

Herrn Westerwelle in diesem Schritt nicht gewürdigt zu haben.
Ein wirklich schöner Artikel zu einem leider viel zu früh verstorbenen Politiker mit Weltformat.
Ich habe die Situation völlig falsch eingeschätzt, obwohl mir Fischers Kritik an Westerwelle hätte zu denken geben müssen.
Demokratie als ideologischen Schild zur Durchsetzung eigener ordnungs- und geopolitischer Interessen habe ich unter Obama nicht gewagt zu denken.
Ich glaubte zudem an begleitende Massnahmen und vor allem rückversicherte Pläne für ein neues Libyen.
Obama hatte nie die Macht in den USA?
Er hat aber ganz sicher das Beste für die USA und die Welt gewollt.
Darunter sollte kein Politiker beginnen.
Gewählte Politiker sind vor allem ihrem Land verpflichtet.
In dieser Entscheidung WUCHS SICH Westerwelle zu einem Weltpolitiker AUS.
Er wäre ein hervorragender UNO-Generalsekretär geworden.
Bleibe er also bei guter Gesundheit, der Herr Lindner.
Alles Gute für die FDP.
Ich verneige mich mich.

Robert Müller | Di., 11. Oktober 2016 - 12:15

Ich hatte damals darauf hingewiesen, dass das eine Entscheidung der gesamten Bundesregierung war. Die anderen Minister und Merkel haben sich damals weggeduckt. Ob die Entscheidung richtig war, ist so klar nicht zu sagen, da auch die Befürworter eigentlich nichts aktiv tun wollten, höchstens etwas Hilfestellung geben. Ich glaube trotz Enthaltung flogen z.B. Awacs-Fl. mit dt Soldaten. Was war also die Enthaltung wert? Sie war ehrlich. Vielleicht war das Westerwelle wichtig? Hätte DE bei einem PRO Einfluss auf das Vorgehen in Libyen gehabt? DE hat eigentlich nie versucht so etwas zu beeinflussen. Auch in Afgh hat man fast nie eigene Initiativen entwickelt. Der zivil-militärische Ansatz hatte in der Praxis kaum Bedeutung. Ich weiß aber, dass mit DE-Unterstützung die Energieversorgung gepusht wurde, auch wieder von 2 FDP Minister, einschl. Westerwelle. Eigene Ideen einbringen und sich nicht wegducken, hat Vor- und Nachteile. "Mövenpick" war ursp. von CSU u. FDP. WW war ein guter Minister.

Markus Werner | Di., 11. Oktober 2016 - 12:31

Danke, Herr Schwennicke, dass Sie daran erinnern und das hier einmal so klar gewürdigt haben.

Andreas Müller | Di., 11. Oktober 2016 - 13:42

Ja, Westerwelle hat das gut gemacht.
Ebenso rätselhaft wie die billige Kritik der Grünen daran war allerdings die billige Kritik der FDP am Nein Schröders zum Krieg in Irak gewesen. Sind wir wirklich so dumm in diesem Land, dass wir einen unsinnigen und ungerechten Krieg nur deshalb unterstützen, weil unser innenpolitischer Gegner ihn ablehnt?
Es nützt letztlich auch wenig, sich gegen sinnlose Kriege zu stemmen, wenn man sich anschließend die Gewalt aus diesen Kriegen ohne Sinn und Verstand ins eigene Land holt. Den islamistischen Terror haben wir uns ja inzwischen richtig dick eingehandelt. Wer konnte so dumm sein zu glauben, dass aus einem Kriegsgebiet nur die Opfer fliehen und nicht auch die Täter? Wer konnte so unglaublich dumm sein, nicht einmal den Versuch zu unternehmen, die Täter herauszufiltern?

Christa Wallau | Di., 11. Oktober 2016 - 16:01

Antwort auf von Andreas Müller

Ihren wahren Worten, sehr geehrter Herr Müller, schließe ich mich
vorbehaltlos an.
Ich frage mich auch immer wieder, wie um alles in der Welt es möglich sein kann, daß verantwortliche Politiker "unglaublich dumm" handeln und dafür auch noch bejubelt werden, wie dies in Deutschland offensichtlich der Fall ist.

Armin Latell | Fr., 14. Oktober 2016 - 12:07

Antwort auf von Andreas Müller

Sehr geehrter Herr Müller, so kurz wie richtig. Wer da so unglaublich dumm sein konnte, glauben wir alle zu wissen. Deshalb sehe ich ihre Fragen eher als rhetorisch an. Aber die Antwort wäre zu einfach. Also steht für mich eine Absicht dahinter, die mir bis heute niemand überzeugend hat erklären können, schon gar nicht die Presse, die ihre eigenen Vermutungen als Tatsachen zu präsentieren versucht. Humanitäre Gründe waren es definitiv nicht. Unter Berücksichtigung dieses Sachverhaltes steht dahinter keine Dummheit, sondern kühles Kalkül, insbesondere, wenn man die gewaltigen Auswirkungen betrachtet. An Verschwörungstheorien jeglicher Art mangelt es ja nicht.

Karin Zeitz | Di., 11. Oktober 2016 - 13:47

waren sowohl die von Gerhard Schröder, sich nicht am Irakkrieg , als auch die von Guido Westerwelle, nicht an der Bombardierung Lybiens zu beteiligen. Von deutschen Politikern verlangt es offensichtlich viel Standhaftigkeit, wenn sie nicht jedem Ruf der US-Administration folgen. Derzeit haben wir sogar den Status eines vorauseilenden Gehorsams, wenn z.B. Angela Merkel zeitlich noch vor der Obama-Administration Sanktionen gegen Russland fordert, weil es Cyberattacken von bisher noch unbekannter Seite gegen die US-Regierung gab. Das lybische Volk hingegen, das jetzt unter der von der Nato zerbombten Infrastruktur, dem politischen Chaos und dem Terror der Clanchefs leidet, hat allen Grund, der angeblichen Diktatur Gadaffis nachzutrauern.

Wolfgang Z. Keller | Di., 11. Oktober 2016 - 14:24

Auch ich habe mich, wie Herr Garbe, damals bei Herrn Westerwelle per e-mail bedankt (dass J. Fischer, ohnehin eine Paradebeispiel für die Umkehrung der alten Saulus-Paulus-Story, diesbezüglich SO eine Erklärung absonderte, war mir entgangen, ist für mich aber ein weiterer Beleg für politische Verkommenheit).
Ob nun Herr W. deshalb warmherzig war, wage ich - außer in punkto Hoteliers - zu bezweifeln.
Wie Herr Reichstätter bin ich aber der Meinung, dass der Sturz von Gaddafi so wenig mit "Freiheit und Demokratie ermöglichen" zu tun hatte wie im Irak, in Syrien, der Ukraine etc. pp. Solange Diktatoren-Herrschaft gut fürs Geschäft ist und war, bekommt sie immer noch JEDE Unterstützung, siehe Saudi-Arabien. Dass Gaddafi aber AUCH ein kostenfreies Gesundheitssystem und freies Wohnen "anbot" sowie ein gigantisches unterirdisches Wasserreservoir anlegen hatte lassen, DAS ist in den Augen von westlichen Konzernen pure Verschwendung von Einnahmequellen, DAS ist einer der wahren Hintergründe.

Joachim Fehr | Di., 11. Oktober 2016 - 14:26

Ja, Westerwelle war besser als sein Ruf. Es ist leider immer noch so, dass der Mainstream manch falsches Klischee permanent lauthals vor sich herträgt. Z.B. verkennt der Mainstream vollkommen, dass die Neoliberalen dem Liberalismus deutliche soziale Stempel aufgedrückt haben. Das will der Mainstream genannt "Einheitssosse" aus cducsuspdgrünelinkeafd nicht erkennen und die deutsche Presse passt sich dem fast ausnahmslos an. Wir leben in einer Zeit in der die Presse Ihrer Funktion mehrheitlich nicht gerecht wird. Sicherlich haben wir keine Lügenpresse, sondern ein Presseversagen, dass der Politikverdrossenheit Vorschub leistet. Man darf aber die Hoffnung nicht aufgeben, sondern ist gefordert aktiv mitzuwirken. Wir können aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, so wie die FDP unter Lindner und seinem Team mühsam aber erfolgreich wieder politisches Format gewinnt.
Joachim Fehr

Robert Polis | Di., 11. Oktober 2016 - 14:32

Zwar weiß ich nicht, ob Herrn Westerwelle damals die ganze Konsequenz der Libyen-Intervention klar war (s.u.), aber er hat die für Deutschland einzig richtige (selten, aber in diesem Fall trifft es zu) Entscheidung gegen den Widerstand von Politikern und veröffentlichter Meinung durchgesetzt. Lange habe ich darauf gewartet, daß dies so klar dargestellt wird.
Zur Erinnerung: das UN-Mandat erlaubte die Errichtung einer Flugverbotszone. Aus eigenen Untersuchungen (in meinem damaligen Beruf und zu einem etwas anderen Thema) war klar, daß dies kaum ohne die Unterdrückung der bodengestützten Luftverteidigung möglich war, (SEAD plus "Offensive Counter Air"). Daß dies aber zu einem veritablen Luft(angriffs-)krieg ausgeweitet würde, habe ich mir nicht vorstellen können.

Beate Lied | Di., 11. Oktober 2016 - 14:44

Ich war 2 x zu Zeiten Gadaffis geschäftlich in Lybien, es war ein funktionierendes Land, aus meiner Sicht waren auch die Menschen zufrieden. Gadaffi hatte sogar die Bürger an den Oel-Einnahmen beteiligt. Es bestand absolut kein Anlaß eine Veränderung herbei zu führen- schon gar nicht vom"Westen". Das Thema Gadaffi hätte sich irgendwann von alleine erledigt, genauso wie Sadam im Irak. Ich denke da laufen politisch im Hintergrund Dinge von denen wir nicht mal träumen.

Werner Schütz | Mi., 12. Oktober 2016 - 12:35

Antwort auf von Beate Lied

Ihren Eindruck vom Libyen Gaddafis kann ich nur bestätigen.
Meine Frau und ich haben 2008 während des Ramadan eine Studienreise zu den antiken Stätten und Süd-Libyens Sahara unternommen und eine Woche lang dort im Zelt übernachtet.
Wir sahen auf dem Land und in den Städten fast keine Armut. Die Menschen machten einen zufriedenen Eindruck und waren hilfsbereit und höflich. Auch die Infrastruktur, wie Straßen, Hotels, Märkte, machten einen guten Eindruck. Negativ fiel der viele Plastik Müll auf. Allgemein hörten wir Lob bezüglich des Sozialen, inbesondere für die Krankenversorgung. Wir fühlten uns sicher, zudem hatten wir neben dem Reiseleiter noch einen freundlichen Mitarbeiter des Tourismusministeriums dabei.
Ganz anders waren unsere Eindrücke im nächsten Jahr in Ägyten: viel Armut und Chaos - aber auch freundliche Menschen.

Wolfgang Z. Keller | Di., 11. Oktober 2016 - 14:51

Und damit kein Missverständnis aufkommt: Ich unterstütze Diktatoren MITNICHTEN, lasse mich aber auch nach Möglichkeit nicht von all den Damen und Herren in scheinbar weißem Jacket oder Jäckchen für deren jeweilige Okkupations-Vorhaben im Sinne der dahinterstehenden "interessierten Kreise" vereinnahmen.
Ob es eine immer wieder mal behauptete "Destabilisierungs-Strategie" der USA-Politik gibt oder nicht, vermag ich nicht zu entscheiden - wenn ich mir aber die reinen Fakten und die Gesamtentwicklung "seit Afghanistan" Ende der 70er anschaue, gibt´s eigentlich keine andere Erklärung. Denn dass da "Dumme" am Werk sind, kann mir keine(r) weismachen.
Und Unzufriedene, weil nicht zum Clan oder zur Familie des "Chefs" oder eben zur herrschenden Schicht im weiteren Sinn gehörende Menschen gibt es auch hierzulande, und nicht zu knapp. Wer da Öl ins Feuer gießen will, findet eine herrliche Spielwiese, wo immer es gefällt.
Dank an Cicero jedenfalls für all die Themen, die hier behandelt werden.

Klaus Ramelow | Mo., 17. Oktober 2016 - 20:39

Antwort auf von Wolfgang Z. Keller

"Und Unzufriedene, weil nicht zum Clan oder zur Familie des "Chefs" oder eben zur herrschenden Schicht im weiteren Sinn gehörende Menschen ..."
(wie Herr Keller schrieb)
Ich habe bis heute nicht begriffen, warum meine Tochter Julia - die an der Quelle saß - den ägyptischen Frühling bejubelte und so auch letztlich die katastrophalen Entwicklungen in Libyen und Auswirkungen auf den Clan förderte, in dem sie lebte.
( ich habe seit ihrer Konvertierung zum Islam keinen Kontakt mehr bekommen )

Jacqueline Gafner | Di., 11. Oktober 2016 - 15:09

Dass Guido Westerwelle unter seinem Wert gehandelt und ihm auch Unrecht getan worden ist, würde ich nicht bezweifeln wollen. Die späte Würdigung im Jahre 2016 an seiner Haltung zur Frage des Einmarsches in Libyen festmachen zu wollen, ist dann aber doch etwas gar billig. 2011 glaubte man nicht nur im Nahen Osten daran, dass der sogenannte Arabische Frühling zu einer demokratiepolitischen Erfolgsstory für die Region werden könnte. Diese Hoffnung hat sich gründlich zerschlagen, wie man inzwischen weiss. Daraus zu schliessen, dass der seinerzeitige deutsche Aussenminister die Entwicklung so vorausgesehen habe, ist nicht erstellt. Gerade im Fall von Deutschland sind auch andere Gründe für den Entscheid zur Nichtintervention denkbar, um es höflich auszudrücken. Last but not least könnte dieser Artikel den Eindruck erwecken, dass man Gewaltherrschern künftig besser freie Hand lassen sollte, zumindest im Nahen Osten, da - für Europa - das kleinere Übel. Ist das die eigentliche Botschaft?

Karl Kuhn | Di., 11. Oktober 2016 - 15:12

... äh, und wenn doch?

Was wäre denn passiert, wenn der Westen das Ghaddhafi-Regime nicht beseitigt hätte?

Die 'Revolution' hätte trotzdem gesiegt, mit 50% Wahrscheinlichkeit. Dann hätten wir die heutigen Zustände auch ohne westliche Mithilfe. Hätte uns ein paar dutzende Millionen gespart.

Zu den anderen 50% hätte sich der Diktator mittels eins Blutbads durchgesetzt. Der emporgekommene Kameltreiber könnte also nach einer unruhigen Zeit weiter seine Leute unterdrücken, einsperren und foltern, bulgarische Krankenschwestern als Geiseln nehmen, und sich durch Terrorfinanzierung vom IS freikaufen. Und ja, wir hätten jetzt auch einen Libyen-Deal (bzw. die x-te Version´davon): Flüchtlinge und Migranten bleiben in Libyen hängen oder versuchen es in der Folge erst gar nicht.

Westerwelle hätte seine Entscheidung somit auch durch Münzwurf bestimmen können. Welche Alternative ich besser finde, weiß ich nicht. Muss ich dafür etwa dankbar sein?

Yvonne Walden | Di., 11. Oktober 2016 - 15:22

Guido Westerwelles Tragik war, daß er sich von dem durch Freitod aus dem Leben geschiedenen Parteiganoven Jürgen W. Möllemann zu sehr lenken und leiten ließ.
Der ehemalige Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Möllemann war bekanntlich ein Machtmensch, der alles daransetzte, sich auf legale oder weniger legale Weise zu bereichern.
Nicht zuletzt sein Vorsitz in der sogenannten Deutsch-arabischen Gesellschaft weist in diese Richtung (illegale Waffengeschäfte).
Westerwelle dagegen war zwar rhetorisch durchaus in der Lage, den politischen Gegner zu stellen, aber sein innerer Kompaß zeigte ihm die Richtung an, die er als Politiker einzuschlagen hatte. Vielleicht hätte er erkennen sollen und müssen, daß gerade seine Partei, die FDP, wenig von einer Wirtschaftsdemokratie hielt und sich eher dem Großen Geld zugehörig fühlte.
Aber dennoch: Dank und Anerkennung auch posthum, Herr Westerwelle.

Bernhard K. Kopp | Di., 11. Oktober 2016 - 15:24

Der Anerkennung und dem Dank an Westerwelle schliesse ich mich gerne an. Er war aber nicht allein in der Bundesregierung. Diese ist ihm zwar nicht in den Arm gefallen, man hat aber keine Shuttle-Flüge der Kanzlerin zwischen Berlin-Paris, und Berlin-London in Erinnerung um den Wahnsinn zu verhindern. Es hat auch keinen Marsch auf das NATO-HQ in Brüssel erlebt, das zumindest den TTIP-Demonstrationen vergleichbar wäre. Steinmeier hat immerhin öffentlich gesagt, dass er keine glaubwürdige Alternative zum Gaddafi-Regime wüsste. So war es dann auch. Es gab leider keine Chlorhühner zu verhindern.

Svenja Gerwing | Di., 11. Oktober 2016 - 16:17

Waren nicht die fehlenden Ressourcen und mangelnde Akzeptanz in der deutschen Bevölkerung die wahren Gründe?! Man sollte nicht alles verklären.

Was tatsächlich bleiben wird: "Spätrömische Dekadenz".

Dietrich Koch-Heintzeler | Mi., 22. Februar 2017 - 10:18

Antwort auf von Svenja Gerwing

Es ging darum, dem Morden von Gaddafis Luftwaffe gegen die Kämpfer für einen arabischen Frühling zu begegnen. Entschlossenes rasches Handeln war gefragt und Deutschland hat England, Frankreich und Italien mit seinem Veto bei der UNO militärisch hängen lassen. Das hat uns und Europa damit nachhaltig geschadet. Statt dessen hatte er unvorbereitet Philipp Rösler entsand. Westerwelle konnte englisch nur radebrechend.
Merkel hat ihn aus Koatitionsgründen wurschteln lassen. Was sollte da "mutig" gewesen sein?

Am besten passt für die politische Ausrichtung dieser Medien wohl die Bezeichnung "Neocons" wie sie in den USA üblich ist. Interventionismus und Missachtung von anderen Ländern, der UNO und des internationalen Rechtes ist eines der Hauptmerkmale. Soziale Anliegen haben es in diesen Medien auch sehr schwer. Bei einigen für die Wirtscheft weniger relevanten gesellschaftspolitischen Anliegen kann man es sich dann erlauben, linksliberal sein - auch dagegen haben die meisten amerikanischen Neokonservativen nichts.

Hallo, wenn leider auch etwas spät, auf Ihren Kommentar zu antworten, ist Ihr Vergleich mit der "links-liberalen" Presse falsch. Gerade "Die Zeit" ist ein rechtes Blatt und hat weder mit links noch mit liberal "was am Hut."
Und Kriegstreiber, ob Sie es nun glauben wollen oder nicht, waren zur Zeit Westerwelles immer noch die "Rechten."

Walter Wust | Di., 11. Oktober 2016 - 17:12

Sicher hat er mit seinem Verständnis für Weltpolitik einiges an Ungemach von Deutschland ferngehalten, aber gegen Merkels Sturheit fehlte ihm einfach die Lobby. Der Expansionsdrang der deutschen Wirtschaft macht eine liberale Außenpolitik zum Spießrutenlauf, zumal deren Klientel von Fischer noch bestens präpariert war. Gegen solche Pfründe und mit Merkel im Nacken und mit einer Partei, die in sich unstabil war, hatte selbst ein solch berufener Mahner keine Chance.

sonia doffagne | Di., 11. Oktober 2016 - 17:27

Ja, Herr Schwennicke, Guido Westerwelle war ein ganz besonderer Mensch der besten (politischen) Klasse! Volle Zustimmung. MfG. SD

Wilhelm Maier | Di., 11. Oktober 2016 - 17:40

So Gerhard Schröder:
"Wir sind zu Solidarität bereit. Aber dieses Land wird unter meiner Führung für Abenteuer nicht zur Verfügung stehen."
Und so die deutsche Oppositionsführerin Angela Merkel erklärte einer US-Zeitung: "Gerhard Schröder spricht nicht für alle Deutschen." Von mir KEIN Dank, da es immer noch unterstützen für die Kriegstreiber gibt
Der FDP-Vorsitzende Dr. Guido Westerwelle griff in seiner Rede Bundeskanzler Schröder scharf an: Dass er die Opposition als "Allianz der Willigen zum Krieg" bezeichne und als "Kriegstreiber" darstelle, die Koalition dagegen als "Friedensfreunde", sei ein "Tiefpunkt der Kultur in diesem Hause". :https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2013/42835651_kw06_kalend…
warum „08. Februar 2013“, weist nur ???
Ich DANKE Dr. Gerhard Schröder , das für uns der Irak Krieg erspart worden ist,
ich DANKE Dr. Guido Westerwelle, das für uns der Krieg in Libyen erspart worden ist,
jeder Krieg ist das abscheulichste, was es Gib

Nicolas Wolf | Di., 11. Oktober 2016 - 17:51

Danke Herr Schwennicke für diesen richtigen und zumindest für mich wichtigen Beitrag. Führt einem den Fluch der guten Tat vor Augen. Ich sah es 2011 anders und empfand die Bombadierung Libyiens richtig (einen Einmarsch gab es so allerdings nicht). War wohl ziemlich naiv und Herr Westerwelle hat sich für das richtige eingesetzt, allerdings indirekt auch für Gaddafi. Die damals guten haben einen Scherbenhaufen hinterlassen. Mich würde mal interessieren, wie es die libysche Bevölkerung heute so sieht. Das ganze sollte man zusammen mit ähnliche Aktionen sehen und bewerten. Das Eingreifen im Kosovo oder der Krieg am Hindukusch sind für mich gute Beispiele für Lügen die zum Krieg führen (Kosovo) und Planlosigkeit im Krieg (Afghanistan). Allerdings muss man der Gerechtigkeit halber auch erwähnen, dass das Zögern der Weltgemeinschaft in Fällen wie Ruanda oder Somalia auch nicht folgenlos war. Hier hätte ein beherzter Aufmarsch Staatengemeinschaft schon einen Unterschied gemacht.

Bernd Fischer | Di., 11. Oktober 2016 - 18:15

ich kann mich nicht dieser "Lobhudelei" anschließen.
Man erinnere sich: Stichwort Atomwaffen

Die Ankündigung von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) ( Koalitionsvertrag ) , diese Waffen sollten aus Deutschland verschwinden, hat sich ja nun ( damals so wie heute ) als politische Luftnummer erwiesen.

Jürgen Lehmann | Mi., 12. Oktober 2016 - 13:10

Antwort auf von Bernd Fischer

Vielen Dank, herr Fischer, dass wenigstens einmal das Thema Atomwaffen hier erwähnt wird.
Leider wurde Herr Westerwelle sofort dafür gerügt, über die Forderung des Abzuges von Atomwaffen aus der BRD - vor allem von unserem jetzigen Innenminister,
mit dem Hinweis, dass diese Waffen unbedingt hier stationiert bleiben müssen.

Westerwelle war damit mit diesem Thema gescheitert, da jede Unterstützung der Regierung fehlte.

Brigitte Simon | Di., 11. Oktober 2016 - 22:07

Ja ,danke Guido Westerwelle,

Nur wenige Worte zu ihm aber aufrichtig:
Er war der Einzige, der die Lage in Lybien ein-
schätzte. Dafür wurde er beschimpft, vor
allen von Kanzlerin Merkel. Sie verbie-
tet, ihre unrühmliche Rolle bzgl. Irakkrieg
nach außen dringen zu lassen.
Herr Kauder achtet sehr darauf, daß diese
Achillesferse Merkels im Untergrund unent-
deckt im Dunklen bleibt. Ein Segen, daß
Schröder G.W.Bush deutsche Militärhilfe
versagte. Wäre Merkel zu diesem Zeitpunkt
Kanzlerin gewesen hätte Deutschland im
Irak mit ihrer zugesagten "jeglicher militäri- scher Unterstützung Deutschlands" den Sturz Iraks und dem Entstehen des IS mitschuldig
gemacht. Hat Bundeskanzlerin Merkel nichts aus dem 2. Weltkrieg gelernt? Dieses Szena-
rio läßtnoch heute mein Blut gefrieren. Hinzu kommt noch hr Faible für Waffenlieferungen.

Nochmals danke Guido Westerwelle!

Hallo, wie oder was sollte Merkel aus dem 2. WK gelernt haben ? In der DDR war "Aufarbeitung der Nazivergangenheit" nicht angesagt, die Faschisten und Kriegestreiber war W-DE.
Die DDR war kolletkiv die Guten und hatte mit einer Aufarbeitung, wie und warum es zur Nazi-Diktatur samt der Gräueltaten kommen konnte, nichts "am Hut." Sie zogen eine neue, bessere Dikatur vor.
Da jetzt alle im Westen vereinigt sind, fehlt ihnen diese Phase - und ich denke, man merkt das jetzt auch.

G. Simon Barnaky | Mi., 12. Oktober 2016 - 10:47

was für zeiten... ich war mir nicht klar dass man sich mittlerweile bedanken muß wenn sich ein politiker gegen einen waffengang ausspricht... was haben wir nur für herrausragende politikerpersönlichkeiten... fast möchte man weinen

Wilhelm Maier | Mi., 12. Oktober 2016 - 15:32

Antwort auf von G. Simon Barnaky

"fast möchte man weinen", und ja, möchte man Meinen!, das noch solche gibt.
Aber immer weniger. Ich glaube der Tomahawk "kriegsbeil" ist wieder im umgang, wo der ausgegraben worden ist, in Viginia, Texas oder Kalifornien, oder irgenwo anders intersiert mich nicht. Aber das mach mir Angst wegen meinen Enkels- zukunft.

Thomas Robert Rausch | Mi., 12. Oktober 2016 - 13:47

...ex quo concludendum est mortem malum non esse

Nicolas Linkert | Mi., 12. Oktober 2016 - 21:19

Ich habe ihn damals nicht verstanden, aber mittlerweile hat mir die sog. Flüchtlingskrise die Augen für sehr vieles geöffnet. Mein postumer Dank geht so auch an Herrn Westerwelle, der damals eine wirklich mutige Entscheidung traf. Vermutlich wusste er, dass er sich damit ungeschützt auf eine Lichtung stellte ...

Christoph Bausinger | Mi., 12. Oktober 2016 - 23:30

Seine Aufrichtigkeit und starke Persönlichkeit, gebührt allerhöchsten Respekt. Sein viel zu früher Tod, sowie zahlreiche Vorkommnisse in den Jahren zuvor, lassen rückschliessen, dass das alles vielleicht gar kein Zufall war. Zwei schriftliche Warnungen meinerseits, wurden nie beantwortet. Es kam alles wie befürchtet und nahm ein schreckliches Ende. RIP Guido

Waldemar Jensen | Do., 13. Oktober 2016 - 00:45

De mortuis nil nisi bene! Dennoch: Westerwelles Vermächtnis wäre stringenter gewesen, wenn er sich nicht vernehmlich in den damals eskalierenden Konflikt in Syrien mit der Verkündung "Assad muss weg!" eingemischt und ihn damit vermutlich, wenn auch ungewollt, mit befördert hätte. Si tacuisses, philosophus manisses.

Verstehen Sie Ihre in lateinisch vorgetragenen Aussprüche? Beziehen wir uns auf Ihren ersten Satz und fragen: Wo und wann hat denn Herr Außenminister Guido Westerwelle verkündundet '"Assad muss weg!"'!? Weder kann ich mich daran erinnern, noch habe ich je davon gehört oder gelesen. Wovon ich gehört und gelesen habe: 'Westerwelle: Assad soll Weg für politischen Neuanfang frei machen – Quelle: (Berliner Zeitung, 2013) http://www.berliner-zeitung.de/7031492' und Andere. - -

Gerne dürfen Sie aufklären. --

Herr Westerwelle hatte und hat da bis heute Recht. Damals als Außenminister, heute als Verstorbener. Zu Ihrem zweiten lateinischen Satz ist die Bestätigung vollends unklar. Außenminister äußern sich zu Äußerem, das ist deren Aufgabe. Geschwiegen wird bei VW oder beim Verfassungsschutz. Soviele Philosophen?, na, das würde ich doch arg bezweifeln. - -

Alles hat seinen Grund. - -

Olaf Walter (55), Tuttlingen

Hans-Dieter Lindberg | Fr., 14. Oktober 2016 - 12:45

de mortuis nihil sine bene: Hier aber liegt Herr Schwennicke unverantwortlich danaben. Herr Westerwelle war Außenminister. Da tanzt man nicht auf dem Tahir Platz im arabischen Frühling. Die Toten und das Chaos in Arabien und auch hier gehören auch zur Verantwortung. Außenminister sind Executive, zuständig für kluges Handeln, nicht für Gesinnungsverkündung: Das führt zu Krieg und Konflikten. Wenn eitle Egomanen Außenminister werden wollen und die Aufgabe der FDP aus dem Wahlkampf ( Strukturwandel und Steuersenkung) deswegen vergessen und die Wähler als Souverrän verraten,ist die Botschaft: Absturz von 14,9% auf 4,8% und Verhinderung der dringend notwendigen pragmatischen Kraft der Liberalen in Deutschland. Das war eher eine Anschubleistung für schwarz-grün. Ägypten, Syrien, Irak, Libyen waren Fehler. Wenn man das erkennt, muss man Einhalt gebieten und sich nicht so ein bisschen enthalten. Nein: Nachtreten sollte man nicht, aber keine Blumen !

Ich gehe davon aus, Sie meinen den von Laertius übermittelten Ausspruch des Chilon (eines der Sieben Weisen): 'Über Tote soll man nur Gutes sprechen.' Leider wird dieser Ausspruch nicht nur missverstanden, er wird auch unter Anwendung missbraucht. Das Missverständnis ist eigentlich selbsterklärend; kein Weiser käme je auf den Gedanken, nichts Schlechtes über einen Toten zu sprechen, welches ihm zweifelsfrei zugeordnet werden kann. Es geht mehr um die Aussagen, welche ihm nicht zweifelsfrei zugeordnet werden können, denn er kann sie weder widerlegen noch ihnen widersprechen. - -
Der Mißbrauch findet durch Voranstellung einer Aussage statt. Herr W. war
mehrfach in Ägypten; aber wann soll er auf dem Tahrir-Platz gewesen sein!? - -
Vielleicht meinten Sie den Maidan in Kiew am 4. Dez. 2013? Da würde ich Ihnen jetzt sogar Recht geben. Die Zeichen, welche da als deutsch/europäische Hoffnungsschimmer gezeigt wurden, konnte nur die Nachhaltigkeit fehlen. - -
Olaf Walter (55), Tuttlingen

Nein, Herr Walter, ich meine den Tahir- Platz in Kairo nicht den Maidan in Kiew. Auf dem Maidan hat dann Steinmeier diese Rolle übernommen. Eine gleichartige Fehlleistung. Die Entwicklung, dass Außenpolitik von der Bundeskanzlerin als innenpolitisch geprägte Gesinnungsverkündung missbraucht wird und die Außenminister dann sogar noch mitmachen, ist eine gefährliche Entwicklung. Daran haben schwarz, rot, grün, gelb ihren gehorsamen Anteil. Seit Jahren wird aus kleinen eigennützigen Motiven die Friedensdividende verschleudert und die meisten gucken zu ! Die deutschen Wähler haben nun mal mehrheitlich eine starke obrigkeitsorientierte Gesinnung. Ihre eigene Verantwortung kommt dann etwas später. 1848/49; 1914; 1926 - 31 sind dabei geschichtliche Bahnmarkierungen. Hoffentlich wird die Lernkurve etwas steiler !

Adrian Engler | Fr., 14. Oktober 2016 - 14:50

Eigentlich hätte die Entscheidung nicht so schwer sein sollen. Dass es eine Illusion ist, dass eine stabile Demokratie entsteht, wenn in einem Land ohne jede demokratische Tradition ein Diktator gestürzt wird, war schon damals naheliegend, und dass bei den Rebellen in Libyen radikale Islamisten dominierten, war auch kein Geheimnis. Von da her ist es naheliegend, dass der Sturz von Gaddhafi die Situation verschlechterte.

Auch wenn seine Haltung naheliegend erscheint, gebührt Westerwelle Anerkennung, da inh solchen Situationen von Interventionsbefürwortern oft auf sehr effektive Weise Manipulation betrieben wird. Gegnern der Intervention wird vorgeworfen, sie seien für einen Diktator, über den man natürlich viel Schlechtes sagen kann - und Überlegungen, dass nach seinem Sturz die Situation mit großer Wahrscheinlichkeit schlechter ist, werden unterschlagen. Nur standhafte Menschen können sich einer solchen emotionalen und irrationalen Stimmungsmache widersetzen.

Sembo | Di., 25. Oktober 2016 - 11:43

Ja, Westerwelle hat damals das Richtige getan und sich nicht an der Bombardierung beteiligt.
Im Gegensatz der damalige Außenministerin der USA.

Chris Benthe | Sa., 7. Oktober 2017 - 16:15

Etwas, wofür der Herr W. auch stand.. Als in Ägyptendie Muslim-Brüder abgesetzt wurden (Islamofaschisten also), da sagte der Herr W: "Ein schwarzer Tag für die Demokratie in Ägypten". Er verstand absolut nichts. Er war ahnungslos und inkompetent in außenpolitischen Angelegenheiten, wie alle deutschen Außenminister-Darsteller seit Genscher, oder besser noch: seit Schröder 1961-66. Die Libyen-Enthaltung war nichts weiter als ein fader Zufallstreffer. Das kommt davon, wenn "Staatspolitik" aus dem Bauch heraus geschieht. Herr W. stand für die Ersetzung staatspolitischer Interessen durch die Emotion.