Der Philosoph Peter Sloterdijk
Der Philosoph Peter Sloterdijk spricht von „Irritabilität“ / picture alliance

Peter Sloterdijk - „Sämtliche Differenzen der modernen Gesellschaft befinden sich in Aufruhr“

Haben Sie sich auch schon mal gefragt, in was für nervösen Zeiten wir aktuell leben? Dann sollten Sie unbedingt die neuesten Äußerungen des Gegenwartsphilosophen Peter Sloterdijk lesen. Ein Fundstück

Autoreninfo

Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

So erreichen Sie Christoph Schwennicke:

Peter Sloterdijk ist ein Phänomen. Wenn er denkt und dabei redet, dann entstehen einerseits Aphorismen, die man leicht wie Brocken aus dem angebotenen Gedankengebirge lösen kann. Wie etwa dieser: „Politik ist der Schmerz, der entsteht, wenn andere Leute anderes wollen.“ Anderseits lassen sich größere Komplexe nur im Zusammenhang begreifen, und ein Herauslösen einzelner Brocken würde dem Philosophen, seinem Esprit, seiner Weisheit und seiner Formulierkunst nicht gerecht werden. Deshalb nur noch ein Auszug aus dem aktuellen und äußerst lesenswerten Gespräch der Neuen Zürcher Zeitung mit einem der besten deutschsprachigen Diagnostiker der Gegenwart:

„Gesellschaften werden durch geteilten Stress gebildet. Ich bin sicher nicht der Einzige, der den Eindruck hat, wir hätten seit einigen Jahren einen veränderten Aggregatzustand der medieninduzierten Aufgeregtheit erreicht. Die Heftigkeit und Giftigkeit der Invektiven in Europa, ja im ganzen Westen und, wie man so sagt, im Rest der Welt hat zugenommen, und zwar in allen Richtungen: links gegen rechts, der rechte Rand gegen den linksliberalen Mainstream, oben gegen unten, Geschlecht gegen Geschlecht, Inländer gegen Ausländer, Alt gegen Jung. Identitätsprobleme sind virulent wie nie zuvor. Sämtliche Differenzen, aus denen eine moderne Gesellschaft zusammengewoben ist, befinden sich in Aufruhr. Alle stehenden Dichotomien sind in Bewegung geraten, alles ist im Fluss, aber anders, als Heraklit meinte. Ich hege den Verdacht, dass es einen Mechanismus gibt, der das ganze diskutierende System in eine erhöhte Nervosität hineintreibt – nennen wir ihn das Gesetz der wachsenden Irritabilität. Das Ich des modernen Menschen ist stark beansprucht – und kämpft um die Aufrechterhaltung eines minimalen Standards von Identität.“   

Jetzt aber Schluss mit der Häppchenkultur. Und das ganze Gespräch nachlesen. Es lohnt sich. Versprochen.

Mit unseren „Fundstücken“ wollen wir in loser Folge auf außergewöhnliche Standpunkte aus dem Netz und anderswo hinweisen.  

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

claudie cotet | Sa., 31. März 2018 - 14:54

das wertvollste gehirn deutschlands.
danke, herr schwennicke

Bernhard Keim | Sa., 31. März 2018 - 15:04

es lohnt sich wirklich, auch wenn es nicht unbedingt zur schnellen Lektüre geeignet ist. Die Ausführungen zu Identität und Veränderung sind erhellend.
Was mir beim Lesen durch den Kopf ging: der Mensch ist ein Herdentier. Nur in der Herde fühlt er sich wohl. Er fühlt mit ihr und denkt mit ihr. Solterdijk steht erkennbar außerhalb der Herden rechter (oder linker) Gesinnung und kann das. Er beobachtet die Herde und das was sie treibt. Aufklärung als Willkommenskultur neuer Ideen.

Dorothee Sehrt-Irrek | Sa., 31. März 2018 - 15:23

Wie immer beantwortet Prof. Sloterdijk die Grundfrage, indem er die Problemlagen identifiziert.
Warum sollte er Bilder einer fernen Zukunft entwerfen, wenn es doch nur gilt, dem Leben wieder dazu zuverhelfen, zu vegetieren, wie es evtl. Friedrich Schlegel so schön in der Lucinde andenkt und in seinen philosophischen Reflexionen über das Transzendentale. Zu lang ist es her.
Und dann hätten wir beides, den Pazifismus und die Antwort, es möge alles im Fluss bleiben.
Wie kann man Peter Sloterdijk für den Friedensnobelpreis vorschlagen?
Von mir fällt alle Aggression ab, wenn ich mich hinsetzen darf, ihm zu lauschen...:)
"Ich stehe dahinten" Entzückend

Daniela Lütke | Sa., 31. März 2018 - 15:45

..habe ich auch schon gelesen heute. Aber muss er Tellkamp so ganz nebenbei angreifen. Das war unnötig und das finde ich 'unwürdig Für Sloterdijk, der doch vor nicht allzu langer Zeit viel deutlicher Position bezog, 'was er als unwürdig empfand..

Daniela Lütke | Sa., 31. März 2018 - 15:58

...erklärt er mit seinem Gleichnis vom altägyptischen phraonenreich...dass die westphälische Ordnung vorbei ist und nun globale Governance...also One World...angesagt ist. Ok, Herr Sloterdijk. Danke Für die Ansage. Echt Zeit, sich wie ein Insekt anzupassen offenbar. Ich bin jetzt ganz brav. VERSPROCHEN.

Beat Leutwyler | Sa., 31. März 2018 - 16:49

... in ein Links-Rechts-Schema.
Wo würde er Parteien verorten, wären die Ratssäle nicht ein Halbrund sondern ein Kreis, wie ein Amphitheater?

Genau hier liegt seine Fehlüberlegung, die all seine Ableitungen in Frage stellt.

Denn es ist der Kreis der das wahre Leben zeichnet. Der Beweis liegt darin, dass ganz Links und ganz Rechts oft GEMEINSAM die GEGENTEILIGE Meinung der Mitte vertreten. Aus dieser Perspektive haben die Mitteparteien aus Sicht der Anderen eine ebenso linke oder rechte Haltung und politische Meinung.

Man muss zum Schluss kommen, dass z.B. Volksparteien, die sich dermassen gerne als ausgleichende Mitte verkaufen, auch nichts anderes tun, als ihre eigenen Interessen vertreten. Das ist nicht Links, nicht Rechts, nicht Mitte, sondern Partei.

Wer das erkennt, wird merken, dass "Volkspartei" eine Form von Manipulation ist, um Menschen den Schein von gesellschaftlicher Mitte zu vermitteln - das Wohlgefühl, sich in Sicherheit einer Herde zu befinden. Darum geht's.

Oliver Mark | Sa., 31. März 2018 - 18:10

...Herrn Tellkamp als lächerlichen Tropf ('der arme Herr Tellkamp...'Mister 95 %...') hinzustellen. Da lässt sich Sloterdijk aber einspannen. Wen man fürchtet, weil er nicht inhaltlich zu widerlegen ist, den macht man lächerlich. Vielleicht ist aber nur das Ego von Herrn Sloterdijk verletzt, dass sich die Massen hinter der 'Erklärung 29018' scharen und er damit nix zu tun hat...Armselig finde ich Herrn Sloterdijk. SCHADE.

Peter Silie | Sa., 31. März 2018 - 18:55

. . ist ja mal wieder der Knaller : wie kann eine Differenz (mithin ein mathematischer Terminus) in "Aufruhr" sein?
Bitte um Aufklärung

Wilhelm Maier | Sa., 31. März 2018 - 19:05

„Mit anderen Worten: Es wird fortgehend mehr frei flottierende Unzufriedenheit in die Welt gesetzt, als mit den bestehenden Mitteln der Befriedigung gebunden werden kann.“- OK, und
„je gleicher die Gesellschaft ist, desto streitbarer ist sie auch. Das ist der Preis für mehr Emanzipation und Gleichheit von Macht und Ressourcen.“ das muss ich probieren zu verdauen in den nächsten Tagen... oder noch länger. Was ist Philosophie? Dialektische Synthese?...
Sorry. Ich probiers mal...

einfach Unkenntnis der Fakten über die in der Wirklichkeit bestehenden Ungleichheiten. Wer im Elfenbeinturm der Wissenschaft sitzt bekommt deren harte Tatsachen nicht in vollem Umfang zu spüren.

Tobias Werner | Sa., 31. März 2018 - 20:23

Als geistig eher durschnittlich begabter Mitmensch hat man durchaus Probleme das alles richtig zu verstehen, vor allem worauf das Ganze hinausläuft.
Im Prinzip sollte die Philosophie jeden einzelnen Menschen eine Orientierung vor allem für die Fragen geben, ob und wie wir Leben können und sollten und ob wir uns vermehren sollen/können, oder nicht.
Wie schön klar hier letztlich die Aussagen von Jesus und Buddha, die beide letzteres letztlich verneinten, Jesus lebte das ja vor.
Klar ist auch, je mehr Menschen es gibt, desto knapper werden in einer begrenzten Welt die Ressourcen, das merkt man ja auch fortschreitenden Vergrundstückung der Welt und den im Durchschnitt stets steigenden Grundstückspreisen. Sterben wir alle überwiegend friedlich aus, bricht unsere Population zusammen wie Mäusepopulationen nach der Massenvermehrung? Brauchen wir eine Weltregierung? Kann u. wird es Abrüstung geben?
Einfachere Menschen erhoffen sich hierauf m.E. klarere bzw. bezogenere Antworten.

Leon Reimann | Sa., 31. März 2018 - 21:31

Vielen Dank für die Fundstelle. Sloterdijk ist ein äußerst kluges Sprachgenie.

wolfgang spremberg | Di., 3. April 2018 - 09:17

Antwort auf von Leon Reimann

Ich habe, nach 3 Tagen, ein Problem widerzugeben was das Sprachgenie verkündet hat. Nochmal lesen ? Dann gebe es einiges zu bekritteln. Insgesamt : Sprachgenie mit Girlanden und Arabesken. Viel Barock wenig Bauhaus.

Thomas Bode | Sa., 31. März 2018 - 21:58

Die Ursache des Zerfalls ist die Tatsache dass der ideelle Klebstoff zu schwach ist. Das war lange verborgen, weil es schien dass es humanitär und ökonomisch immer vorwärts geht. Da war die starke Bindung nicht nötig.

Das Ende des realen Sozialismus hat dann die Linken ziellos gemacht, und Schröder hat diese Schwäche genutzt, und allen den Boden des Grundvertrauens entzogen. Bankenkrisen, EU-Krise und die wahnwitzige Öffnung unserer Grenzen gibt allem den Rest.

Unser zentraler westlicher Wert ist die Freiheit. Die gibt aber nicht mehr den ideellen Klebstoff her um Seelenruhe und Gemeinschaftsgefühl zu stiften.
Viele bewundern heimlich, und fördern öffentlich den Islam weil der von barbarischer Selbstgewissheit ist.
Scholl-Latour sagte mal wir bräuchten eine westliche Ideologie so vital wie den Islam. Ich fand das bescheuert, verstehe aber jetzt den Sinn. Ich fürchte wir sind zu schwach die Freiheit genug zu lieben, weil sie uns nicht verbindet und nichts erklärt.
The end

Holger Stockinger | So., 1. April 2018 - 00:50

Ohne Brockhaus aufzuwachsen kann ein Nachteil sein. Diaristen sind Tagebuchschreiber oder Schladderer, falls man Lichtenberg ernst nimmt.

Für jemanden mit ernstem Humorsinn ist Sloterdijk eine Art "Fliegender Holländer" aus Karlsruhe, der vor Nietzsche oder Heidegger keinen Knicks macht.

Niemand braucht Höflinge, könnte vielleicht (aber nicht im REALEN) stimmen.

Dass jemandem wie Peter Sloterdijk mal "Medien-Hass" um die Ohren fliegen würde, dafür bedurfte es keiner Gausschen Verteilungskurve.

Als halb-bewusster Leser von Habermas'scher Kommunikationstheorie war ein "Fall Sloterdijk" halbwegs voraussehbar.

Als eventuell "undogmatischer" Leser vergnüge (nicht ohne gedanklichen Widerspruch) ich mich im Grunde pudelwohl mit dem Geschriebenen des Peter Sloterdijk.

"Eulen nach Athen tragen" wäre für mich wie "Entfernt Sloterdijk aus Karlsruhe!"

Als etwa 10 Jahre "Wahlkarlsruher" wäre das 1 Schillingsbecher für den Humor gegen Sokrates ..!

Per L. Johansson | So., 1. April 2018 - 01:21

Teil 1 von 3

Zitat: „Die europäische Linke hat zusammen mit den Liberalen ....unglaubliche Gewinne an Lebenschancen und Freiheitsräumen für sehr, sehr viele Menschen erzielt...“

Unbestreitbar, diese Gewinne bestehen. Aber Dinge haben immer zwei Seiten. Was war der Preis?
All der erreichte Wohlstand und all die Freiheit sind wertlos, wenn nicht genug Nachkommen da sind, um sie in die Zukunft zu tragen.
Eine Gesellschaft, die wie unsere seit Jahrzehnten nicht mehr genug Kinder großzieht, ist, man verzeihe mir den Ausdruck, krank.
Was wir hier leben, hat mehr etwas von einer „dekadenten Seifenblase“.
Das heißt nicht, daß wir zurück zu den sozialen Zuständen anno XY müßten (oder auch nur könnten). Aber es heißt, daß es so nicht weitergehen kann.
Und daß sich die überhebliche Kritik an unseren Vorfahren, und der oben zitierte Stolz auf unsere Errungenschaften, sehr in Grenzen halten sollten, bis wir es geschafft haben, wieder eine nachhaltige Gesellschaft zu errichten.

Per L. Johansson | So., 1. April 2018 - 02:01

Teil 2 von 3

Peter Sloterdijk: „das Gleiten auf der Ebene der Humankollektive ist eben doch noch beunruhigender.“

Die Aussage für sich ist treffend.
Aber er vergleicht dies mit geologischen und evolutionsbiologischen Prozessen, so als wären gesellschaftliche Veränderungen dem menschlichen Wirken ebenso entzogen. Sprich, er vergleicht für mich Äpfel mit Birnen.
Sicher nicht zufälligerweise spricht er auch immerzu vom „Gleiten“ und “Driften“.
Suggeriert diese Wortwahl nicht, eine aktive Kursgestaltung sei unmöglich?
Ich finde, das ist nicht nur eine traurige, sondern auch eine gefährliche Philosophie.

Die Keimzelle einer jeden Gesellschaft ist die Familie, eingebettet in die „erweiterte Familie" des Volkes.
Also Menschen, mit denen wir nicht nur die Nachbarschaft, sondern sehr viele Dinge teilen. Die uns daher vertraut sind, und genau hierdurch berechenbar, also vertrauenswürdig, werden.
Und genau das ist doch der Kitt, der unsere Staatswesen ermöglicht hat, bisher.

Per L. Johansson | So., 1. April 2018 - 02:08

Teil 3 von 3

ZITAT: “der «rechten Ecke», in die man heute so gern Leute stellt, die durch einen Mangel an stillem Einverständnis in den beschleunigten Wandel auffallen. Diese Ecke bleibt harmlos, solange ihr Bewohner gesteht, er sei zu langsam für diese Welt. Sie wird giftig, wenn die Langsamkeit sich aggressiv aufstellt. Inzwischen ist ein Teil der Ecke von Rückwärtsstürmern bevölkert. Denen muss man die Grenze zeigen.“

Kommt hier wieder die Anmaßung zum Vorschein, linksliberal sei „progressiv,“, wer anders denkt „reaktionär“?
Es geht nicht um vorwärts und rückwärts, sondern um den Kurs.
Es ist eine Frage von egozentrischer Selbstverwirklichung auf der einen, und die Gemeinschaft überhöhenden Kollektiven auf der anderen Seite.
Zwischen diesen Extremen müssen wir einen ausgewogenen Kurs finden. Soviel Freizügigkeit wie möglich, so viel Gemeinsinn wie nötig.
Nach den Ausreißern durch Nationalsozialismus und Kommunismus, haben wir nun leider auf der anderen Seite überzogen.

Per L. Johansson | So., 1. April 2018 - 02:41

Nachtrag

Viele werden einwenden, das 20. Jhdt. habe klar bewiesen, daß man lieber auf Seiten der Freizügigkeit überziehen sollte, als auf Seiten des Gemeinsinns.
Aber so langsam wird deutlich, daß auch unsere friedvolle, liberale Wohlstandsgesellschaft existenziell bedroht ist.
Diesmal nicht durch Mord und Totschlag, sondern nachhaltigen Geburtenrückgang und Masseneinwanderung.
Ob auf der Basis ein zweiter Wiederaufbau, ein erneutes Wirtschaftswunder gelingen?
Und selbst wenn, dürfte unsere Gesellschaft, unser ganzer Kulturraum, tiefgreifend verändert worden sein.

Herr Sloterdijk vergleicht unsere Situation mit der zwischen zwei altägyptischen Dynastien.
Das klingt nach Wandel und Erneuerung.
Wir sollten aber nicht vergessen, daß die ägyptische Hochkultur letztlich untergegangen ist. „Driften“ ist eben so eine Sache.
Statt irgendwann dem Verlorenen nachzutrauern, sollte man vielleicht lieber beizeiten anfangen, den Kurs zu ändern.
Beobachten reicht nicht.

Holger Stockinger | So., 1. April 2018 - 03:14

ergo GEZ für alle! - Mit "Der Untertan" hat Heinrich Mann den Charakter des "Deutschen" im Mittelmaß scharf getroffen.

Der Bruder von Thomas Mann war kein "Zauberer". Sein Professor Unrat ist auf deutschen Schulhöfen möglicherweise aber aktueller denn je ...

Stefan Voss | So., 1. April 2018 - 08:21

Sloterdijk ist einer der größten Schwätzer des beginnenden Jahrhunderts. In einem Punkt hat er jedoch Recht: Die Medien produzieren die Informationen über die Welt von heute. Nur sind diese Medien rein manipulativ und dienen den Herschenden. Sie informieren nicht, sondern desinformieren, lenken ab und unterhalten. Sloterdijk ist ein Teil dieses Systems und deshalb wird er von den Medien hofiert.

Romuald Veselic | So., 1. April 2018 - 08:45

Ich fühle mich in meiner Person als der, der ich bin. Ein politisch unkorrektes Individuum, dass mit dem sozialistischen Realismus von heute, genannt auch als politische Korrektheit, nichts am Hut hat.
Politische Korrektheit ist eben korrektiv und wie von Peter Sloterdijk erwähnt, monothematisch, die Diskutanten dazu zwingt, immer das gleiche zu sagen.
Ein bester Beispiel für Syllogismus ist der Begriff Antifaschistisch, erfunden von Stalin selbst. Man verwendet den Begriff "Antifa", die die Funktion der "Deutungsinquisition", sowie deren Vollzug am liebsten selbst umsetzen will. Gehören zu den klassischen Ecken-Steller auf dem offenen Meer. Sind zu den Agenten der diffusen Furcht geworden und sie handeln heute wie damals: Besser schnell bei Anklagen mitmachen als riskieren, selber ins Visier zu geraten.

Frohe Ostern.
:-)))

Heinrich Niklaus | So., 1. April 2018 - 12:59

„In einem Land, in dem wir gut und gerne leben“ (Leitmotiv BTW 2017) sollen sich nun plötzlich „sämtliche Differenzen der modernen Gesellschaft in Aufruhr befinden“?

Warum hat man uns das nicht früher gesagt? Manch einer hätte vielleicht anders gewählt. Na gut, das Schlimmste(Jamaika) konnte noch verhindert werden, dafür haben wir jetzt das Zweitschlimmste, was sich aber im Grunde genommen als ebenso schlimm herausstellt.

So ist das heute eben: Egal, was man wählt, es kommt immer das Schlimmste dabei heraus.

Aber österliche „Weicheier“ haben auch nichts anderes verdient.

hat schon in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts behauptet “wenn Wahlen etwas ändern könnten hätte man sie längst verboten“. Wie Recht er hatte wurde nach der letzten Bundestagswahl bewiesen.

Jacqueline Gafner | So., 1. April 2018 - 14:10

doch wo bleibt das Fazit aus den vielen locker hingeworfenen Häppchen? Erschöpft es sich in dem, was (als Zitat aus dem Interview) folgt? "Unsere Situation ähnelt jener Alt-Ägyptens in einem Intervall zwischen zwei Dynastien: Ein älteres pharaonisches Regime ist zerfallen, ein neues hat sich noch nicht etabliert, der Nil macht unterdessen, was er will, er überschwemmt die Landstriche, die Dörfer, die Tempel. Die Sitten verwildern, die Gerechtigkeit ist obdachlos. Der neue Pharao, der die Kunst besässe, Ströme zu lenken, muss erst geboren werden. Kurzum, uns fehlt eine neoägyptische Kanalisationskunde – in heutiger Sprache eine Global Governance, und solange wir die nicht haben, werden wir von verwilderten psychopolitischen Energien geflutet, mit ungewissem Ausgang." Abgesehen davon, dass Global Governance ein höchst schillernder Begriff ist, wer sollte die "neoägyptische Kanalisationskunde" denn entwickeln? Der "Nil" wohl kaum, zumal der problemstiftende "Drift" keine Naturgewalt ist.

Werner Peters | So., 1. April 2018 - 14:19

Wahrscheinlich bin ich Kultur-Banause. Habe versucht, das "Gespräch" in der NZZ zu lesen. Nach mehreren Versuchen habe ich entnervt abgebrochen. Aber wie eingangs schon gesagt, es liegt wohl an mir.

Dorothee Sehrt-irrek | Mo., 2. April 2018 - 14:28

Antwort auf von Werner Peters

Vielleicht lesen Sie auch nur von Beginn an zu wörtlich?
Ich lese so einen Text erst einmal fliessend und überlege mir, was ich glaube, darin gelesen zu haben.
Das lasse ich ersteinmal sacken.
Dann lese ich gerne andere Meinungen dazu, um mich vielleicht irgendwo mit meinem Ergebnis wiederzufinden und entwickle darüber auch Fragestellungen an einen Text. Dann lese ich noch einmal oder mehrmals.
Es ist übrigens keine Schande, Sloterdijk nicht zu verstehen.
So leicht finde ich ihn nicht, weil er unglaublich viel weiss und dies, sich berührend in Bewegung setzt.
Er kann wirklich reden UND Denken gleichzeitig.
Ich bin froh, dass ich über ihn keine wissenschaftliche Arbeit schreiben muss, denn das Viele, auf das er sich bezieht steht ja schon in festen wissenschaftlichen Bezügen, die er aber m.E. durch sein System auflöst.
Wenn man nun die schon nicht kennt...
Wenn man dann noch selbst überlegt...
Mir brummt der Kopf:)

Bernhard Marquardt | So., 1. April 2018 - 15:36

Typischerweise erscheint dieses aufschlussreiche Interview in der NZZ, in Deutschland lediglich als Fundstück in „Cicero“. Ein weiteres Indiz für die bestens organisierte Dominanz der deutschen Mainstream-Journalistik in Printmedien und Fernsehanstalten. Summiert man die von Bertelsmann, Springer und die von den großen (Regierungs-)Parteien beherrschten „öffentlich rechtlichen“ Medien, bleibt unter dem Strich nur ein kläglicher Rest an weitgehend unabhängigen Quellen (u.a. Cicero), aus denen sich der Bürger ein eigenständiges Bild des politischen Geschehens machen könnte, wenn er denn wollte. Medienübergreifende Redaktions-Stäbe erleichtern die Manipulation der Adressaten. Interessant ist etwa die Frage, wem die als Schlüsselfunktion fungierende DPA gehört und unter wessen Kontrolle dort die Meldungen selektiert und formuliert werden. Der Verlust der informellen Vielfalt führt bei den „Konsumenten“ nahezu zwingend zur Einfalt. Das ist wohl erwünscht und erleichtert das Regieren.

Dr. Michael Bauer | So., 1. April 2018 - 21:46

Kann ich nur zustimmen! Ein hoffnungsfroh stimmendes intellektuelles Leuchtfeuer...

Helmut Bachmann | So., 1. April 2018 - 22:21

doch schien es mir, als leide Slotterdijk unter der Diffamierung als Rechter sehr und müsse sich wieder etwas an den Mainstream annähern.

Frank Unfrei | Mo., 2. April 2018 - 04:58

Das Interview enthält zwar ein paar interessante Anregungen, aber insgesamt ist es für einen assozialen Vorstadtbewohner altbekannte Linkspropaganda, in philosophische Fachbegriffe gut eingepackt.
Villeicht scheint es mir auch bloß so bekannt, weil sich die entsprechenden Artikel, Kommentare, Meinungen an diesem Philosophen orientierten, und er sagt ja selbst, daß er links ist.
Gibt es heutzutage niemanden, der die momentane Lage wirklich neutral analysieren kann?

Reiner Gehret | Mo., 2. April 2018 - 11:51

Antwort auf von Frank Unfrei

S. passt insofern gut in unsere Gegenwart, als seine zeitraubenden Sprachwüsten einer gewissen wahrzunehmenden Unübersichtlichkeit ähneln. Hinsichtlich der "neutralen Analyse der momentanen Lage" empfehle ich hingegen den Gebrauch des eigenen Verstandes. Die Fragen von Rene Scheu fand ich ganz gut.

Stefan Leikert | Mo., 2. April 2018 - 10:50

Nein, Herr Peters, liegt nicht an Ihnen!

Angela Seegers | Mo., 2. April 2018 - 11:08

Ich halte es gern mit Watzlawick. Aber auch mit Sloterdijk. Jeder hat seine Berechtigung. Es gibt im Fluiden nichts Statisches oder wie PS sagt, das Meer hat keine Ecken. So sehr sich Menschen, diese zweitbeste Schöpfungsidee, das wünschen. Alles ist möglich. Es fängt beim einzelnen an und endet auch dort. Im Individuum. "Denn solange du ohne Mitte bist, wirst du weiteres Leid erzeugen".

Frank Domnick | Mo., 2. April 2018 - 11:32

Was ich meine zu verstehen: Wir erleben gegenwärtig eine neue Phase der gesells. Evolution, befreit von der Mystifikation der Langsamkeit. Da es ein Driften ist, ist es alternativlos, da es evolutionär ist, ist es gut.
Es gibt identitäre MeeTo-Parteien, deren Mitglieder von der Entwicklung überfordert sind, und vermutl. implizit eine komplementäre, inhaltl. starke parlament. Avantgarde. Den Rahmen bildet die illiberale Regression, von Links und Rechts.
Es ist schlimm, wenn man falsche Statistiken zitiert, aber es gibt auch richtige, selbst wenn diese tendenziös sein könnten.
Für die Veränderungen gibt es bereits Lösungen, aber noch keinen ausgereiften Theorieapparat. Das neue pharaonische Regime (dh., eine neue integrierende Glaubensordnung) wird kommen, aber das wird dauern. Gegen die aktuelle Reg/pression will er die errungenen Freiheitsgrade irgendwie als linker Konservativer erhalten.

M.E. ein analytischer Flickenteppich mit dem Anspruch des BigPicture.
Sad, very sad!

Bernhard Jasper | Mo., 2. April 2018 - 11:41

Herr Schwennicke, ich persönlich bin immer dankbar für derartig große Panoramen. Kaum ein Zeitgenosse traut sich da noch heran.

Auch ich denke wieder an Niklas Luhmann, lese gerade mal wieder Max Weber und empfehle auch den vergessenen Autor und Anthropologen Helmuth Plessner.

Es sind intellektuelle Bereicherungen für ein anspruchsvolles Publikum.

Vielen Dank für Ihren Hinweis

Karoline Vomich | Mo., 2. April 2018 - 11:49

Das Regierungshandeln seit 2015 wird in Lehrbücher der Psychopathologie eingehen, denn da gehört es hin!

Alles andere dient nur dazu, vom Thema abzulenken!

Karo V.

Cecilia Mohn | Mo., 2. April 2018 - 21:48

Ich mochte Sloterdijk eigentlich immer. Jetzt laviert er so umher und zeigt kein Rückgrat.

K. Theo Frank | Mo., 2. April 2018 - 23:01

Identitätsverlust des Individuums in der spätkapitalistischen Postmoderne? Hab ich das nicht bei Gretchen Dutschke schonmal gelsen?

Alexander Mazurek | Di., 3. April 2018 - 00:02

… in Athen angeklagt wurde, die Jugend zu verderben, berief er sich auf das Absolute und "erfand" das Gewissen, "...ich bin Euch, Athener, zwar zugetan und Freund, dem (einen!) Gotte gehorchen werde ich aber immer mehr als Euch..." - er ist für seine Gewissensentscheidung (freiwillig!) in den Tod gegangen, unsere gegenwärtigen sogenannten Philosophen schwimmen dagegen eher mit dem Strom, wie Aas und Müll (schlag nach bei G. K. Chesterton), Herr Sloterdijk scheint da keine Ausnahme von der Regel zu sein, so sehr oder weil er sich auch so vorsichtig play-for-pay äußert …

Ralph Lewenhardt | Di., 3. April 2018 - 11:49

"„Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt drauf an sie zu verändern“
Intellektuelle Verwirrspiele mit pseudorealistischen Definitionen und semantisch verknoteten Wortgebilden sind bestenfalls geeignet, jenen zum Applaus zu dienen, die sich damit kränzen und auf den Olymp mystischen Fabulierens hieven möchten. Dies, weil sie ebenfalls keinen pragmatischen Ansatz der Stand hielte, zur Lösung anzubieten haben.