
- Maske verrutscht
Der schändliche politische Aschermittwoch der AfD ist fast eine Woche her, doch eine wirkliche Distanzierung der Parteiführung ist ausgeblieben. Für Alice Weidel und Alexander Gauland gehören die rassistischen Auslassungen von André Poggenburg offenbar dazu. So wird die AfD zu einer NPD im Tweedjackett
Fast eine Woche ist das jetzt her. Passiert ist nichts. Oder fast nichts. Eine Rüge des Parteivorstandes. Das war‘s. Mehr ist der AfD nicht eingefallen zu André Poggenburgs Rede beim offiziellen politischen Aschermittwoch der Partei im sächsischen Pirna.
Diese Stille ist sprechend. Sie spricht aus: In dieser Partei gibt es keinen Aufstand der Anständigen, wenn sich jemand wie Poggenburg als Funktionsträger (er ist Fraktionsvorsitzender im Landtag von Sachsen-Anhalt und Landesvorsitzender) bei der zentralen Veranstaltung mit einer ausländerfeindlichen, von Nazi-Anspielungen gespickten, rassistischen Rede ins Szene setzt.
Mit dieser Rede hat Poggenburg und damit die AfD insgesamt den Boden dessen verlassen, was man früher einmal die freiheitlich-demokratische Grundordnung nannte. Mit der Anrede „Kameraden“ hob er an, vor einem Saal prall gefüllt mit Patriotismus, wie er fortfuhr. In der Passage zu Martin Schulz dann die noch viel perfidere Widerlichkeit als die „Kümmelhändler“ und „Kameltreiber“ (gemeint waren türkischstämmige Mitbürger in Deutschland), die sich zurück in ihre „Lehmhütten“ scheren sollten, derentwegen die Rüge ausgesprochen wurde. „Jedem das ... (Kunstpause) ... was ihm gebührt“, rief Poggenburg dem gescheiterten SPD-Vorsitzenden hinterher und weckte dabei Assoziationen zu dem Ausspruch „Jedem das Seine“. Die Nationalsozialisten hatten über dem Eingang des Vernichtungslagers Buchenwalde ein Schild mit der Aufschrift angebracht.
Gauland und Weidel wollen es so
Manche maskieren sich an Fasching, Karneval oder Fastnacht. Andere, wie die AfD, demaskieren sich zu diesem Anlass. Es sind nicht die einzelnen Teile, die die Fratze bilden. Sondern die Zusammenschau all dessen, was Poggenburg da zu einer Rede zusammengekleistert hat wie Pappmaché für einen Karnevalswagen. Wenn diese Rede, die sich jeder in Gänze anschauen kann, nicht mit einem allgemeinen Aufschrei der Empörung, nicht mit einem Parteiausschlussverfahren und einer Entschuldigung in die verschiedensten Richtungen quittiert wird, nimmt man nicht nur billigend in Kauf, dass sich das Braune zum Blauen gesellt. Wer einem Redner wie Poggenburg bei der offiziellen Veranstaltung die zentrale Rede zugesteht, der will das so. Anders gesagt: Parteichef Alexander Gauland und Fraktionschefin Alice Weidel wollen das offenbar so. Es gehört für sie mit ins Spektrum ihrer Partei.
Nicht zuletzt aus den Reihen der AfD kommen nach islamistischen Terroranschlägen mit Recht immer wieder rhetorische Fragen, wo denn nun der Aufstand der anständigen Muslime bleibe gegen diese Massenmorde im Namen ihrer Religion. Und genau diesen Aufschrei bleibt die AfD, ihre Führung und ihre Basis, nun nach Poggenburgs rhetorischem Attentat von Pirna schuldig.
Die dritte Mutation der AfD
Poggenburg ist kein Funktionär aus der Peripherie, sondern gehört zum Kern der Partei, die sein Tun weitgehend duldet. Es gibt dafür leider nur eine Erklärung: Die AfD ist in ihrer dritten Mutation nach der Lucke- und der Petry-Partei auf dem Weg, zu einer NPD im Tweedjackett zu werden. Für sie gibt es keinen rechten Rand, den sie nicht auch noch eingemeinden würde. Sie stimuliert diesen Rand, wie man bei Poggenburgs Auftritt sehen kann. Denn schlimmer noch als dessen Rede waren die Reaktionen im Saal.
Die Ausrichtung der CDU in Richtung einer bürgerlichen SPD hat der AfD einen politischen Platz eingeräumt, den man auch mit einer bürgerlich konservativen-Position einnehmen könnte. Im Moment verfährt die Parteiführung offenbar nach einem einfachen mathematischen Prinzip: Zehn Prozent frustrierte Konservative plus fünf Prozent mehr oder weniger latente Neonazis, das macht 15 Prozent. Diese AfD-Führung wird nur verstehen, dass diese Rechnung nicht aufgeht, wenn ihnen die Erstgenannten einen Strich durch dieselbe machen. Und jeder Bürgerlich-Konservative in der AfD sollte sich intensiv mit dieser Frage beschäftigen. Die Drift der AfD 3.0 ist unverkennbar.