
- Nicht noch mehr Geld!
In der Entwicklungspolitik gilt das Motto: Viel hilft viel! Dabei ist eher das Gegenteil der Fall. Warum wir bei der Hilfe für arme Länder endlich völlig neue Wege gehen müssen
Warum man gerade jene viel beschworenen 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens zum Ziel gesetzt hat, die jedes reiche Land für Entwicklungshilfe zur Verfügung stellen soll, weiß niemand mehr. Tatsächlich geben Fachleute hinter vorgehaltener Hand zu, dass bereits heute nicht genügend Projekte für das vorhandene Geld existieren. Außerdem: Was nutzt ein schnell hochgezogenes Krankenhaus, wenn anschließend der Medikamentenvorrat auf dem Schwarzmarkt verhökert wird und die Ärzte wegen ihres mageren Salärs Extrageld von den Patienten verlangen? Wenn Menschen beim Bau einer Straße oder einer Fabrik von ihren Grundstücken und Feldern einfach vertrieben werden, dann ist das sicherlich auch nicht im Sinne eines noch so gut gemeinten Entwicklungsprojekts. Um solche Szenarien zu vermeiden, braucht man Zeit für eine sensible Planung und Umsetzung – vor allem in Ländern mit korrupter Verwaltung.
Natürlich werden Experten auf Statistiken verweisen, nach denen sich in den 55 Jahren Entwicklungszusammenarbeit die Zahl der Analphabeten und die Kindersterblichkeit reduziert und die Lebenserwartung erhöht hat und sich Wasser- und Stromversorgung verbessert haben. Das ist tatsächlich so, und es wäre unfair, das nicht auch den Entwicklungsbemühungen der reichen Staaten zuzurechnen. Aber vielleicht wären diese Fortschritte ja auch erzielt worden, wenn es Entwicklungszusammenarbeit nicht gegeben hätte, weil die Regierungen dieser Länder dann gezwungen gewesen wären, selbst mehr Geld in die Entwicklung zu stecken und weniger Waffen zu kaufen. Der Rückzug des Westens aus Somalia hat allerdings gezeigt, dass auch das Gegenteil passieren kann – deshalb sollten wir vorsichtig mit vorschnellen Folgerungen sein. Wir sollten auch zugestehen, dass Entwicklungszusammenarbeit zur Stabilisierung vieler Regionen beigetragen hat.