
- Trumps symbolischer Triumph
Die Midterms haben gezeigt: Die Präsidentschaft von Donald Trump ist endgültig zur amerikanischen Realität geworden. Daraus kann und wird er eine neue Legitimitation ziehen. Aussicht auf Heilung des tief gespaltenen Landes besteht so aber nicht
Für viele fühlte sich die Präsidentschaft von Donald Trump wie eine Art Fiebertraum an. Nicht zuletzt für ihn selbst. Wie konnte es sonst sein, dass dieses im Grunde tief optimistische Land, das sich in seinem Streben nach dem Guten als Modell für die Welt begreift, in Wahrheit so unglücklich war? So gespalten, dass es einen Mann wählte, der nach allen gängigen Standards nicht wählbar schien? Trump selbst schien das lange nicht glauben zu können. Von seinem Wahlsieg 2016 war er selbst überrascht, gar überwältigt. Das zeigt sich noch heute. Über nichts spricht Trump so häufig und mit solch leuchtenden Augen wie über „den wunderschönen Sieg über Hillary Clinton“, als ob er diese wohl beste Nacht seines Lebens immer wieder heraufbeschwören möchte.
Der „blaue Tsunami“ bleibt aus
Für viele andere, vor allem die linksliberale Elite an den Küsten Amerikas, war es indes ein Albtraum. Ein Schock im System. Etwas, das einfach nicht passiert, und wenn, dann immer anderen Leuten. Als ob man auf dem Weg zur Arbeit vom Bus überfahren wird. Die letzte Nacht, die Midterm-Wahlen, haben gezeigt, dass das alles harte Wirklichkeit ist. Donald Trump ist kein Unfall der Geschichte: Die USA sind tatsächlich von einem Bus überfahren worden, mit einem wilden, erratischen Fahrer am Steuer. Aber dieser Bus wird noch lange nicht zum Halt kommen, denn viele Amerikaner sitzen offenbar sehr gern darin.
Der „blaue Tsunami“, der doch die Demokraten in beide Häuser des Kongresses spülen sollte, um endlich den rasenden Präsidenten bändigen zu können, blieb aus. Sicher: Die Demokraten konnten die Mehrheit im Kongress erobern, sie werden einige wichtige Ausschüsse anführen können und so Trump mit allerlei Verfahren nerven. Anlässe gibt es genug. Trumps geschäftliche und politische Zusammenarbeit mit Russland, die Entlassung von FBI-Chef James Comey und einiger Staatsanwälte, sein Schweigegeld für das Pornosternchen Stormy Daniels, und und und.
Die Normalisierung macht Trump stark
Im Senat aber konnten die Republikaner ihren Vorsprung ausbauen. Und so hatte Trump nicht ganz unrecht, als er die Ergebnisse der Wahlen als „großen Erfolg“ bezeichnete. Denn erstens ist ein Repräsentantenhaus ohne gleichzeitige Mehrheit im Senat zwar ein vielköpfiger, aber dennoch ein zahnloser Tiger. Ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump wird so weiterhin keine Chance haben. Und zweitens war der Sieg der Demokraten im Repräsentantenhaus nicht überwältigend genug. Tatsächlich verlor ein Präsident in der US-amerikanischen Geschichte fast immer die Mehrheit im Repräsentantenhaus bei den ersten Midterms.
Die Ergebnisse sind also normal. Und genau darin liegt der symbolische Triumph Trumps. Seine Präsidentschaft ist spätestens seit letzter Nacht zur amerikanischen Realität geworden. Daraus kann und wird er eine neue Legitimation ziehen. Trump selbst hatte diese Midterms zu einem Referendum über seine Präsidentschaft gemacht. Das hat er zumindest nicht verloren. Normal ist übrigens in der US-Geschichte auch, dass ein Präsident nach vier Jahren wiedergewählt wird.
Und zu dieser Realität gehört auch die Spaltung des Landes. Die vertieft sich weiter, auch das haben die Midterms gezeigt. Der viel beschworene Widerstand gegen Trump beschränkt sich auf die Metropolen und die Küsten, im „Heartland“ und auf dem Land sind die Menschen offenbar glücklich mit ihrem Präsidenten.
Die Spaltung des Landes setzt sich fort
Aussicht auf eine Kittung des Risses gibt es kaum, im Gegenteil. Alles deutet darauf hin, dass er sich vergrößern wird. Die Demokraten werden ihre neue Macht im Kongress dazu nutzen, Trump so weit es geht vor sich her zu treiben. Zahlreiche Untersuchungen und Vorladungen werden folgen. An sich ist das gesund, die amerikanische Demokratie lebt von ihren „Checks and balances“. Doch genau das wird Millionen Amerikaner in ihrem Glauben bestätigen, ihr gewählter Präsident sei das Opfer einer „Hexenjagd“. Nicht ganz zu Unrecht. Der Hass auf Trump ist unter Linksliberalen so verbreitet, dass Demokraten, die sich auch aus Angst um ihre umkämpften Wahlkreise nicht jeder Kampagne gegen Trump anschließen möchten, stets mit einem shit storm aus dem eigenen Lager rechnen müssen. Der Präsident selbst wird sich in seinem Kurs der vergangenen Wochen bestätigt sehen, also ungebremst weiter Fremdenhass und Paranoia schüren. Seine Botschaft wird weiter sein: Schließt die Türen Amerikas, baut die Mauer zu Mexiko, stoppt die Karawane der Einwanderer und die als Demokraten verkleideten Sozialisten.
Keine Chance für Stimmen der Vernunft
Im Gebrüll dieser Gefechte haben Stimmen der Vernunft, des Kompromisses, dessen was Politik eigentlich ausmacht, kaum noch Chancen, gehört zu werden. Exemplarisch steht das Schicksal von Ryan Costello, einem moderaten Republikaner, der im Kongress Pennsylvania repräsentiert und, wie er sagt, in die Politik gegangen ist, „um Probleme zu lösen“. Doch sobald Costello Donald Trump kritisierte, wurde er von seinen Parteifreunden öffentlich gerüffelt und isoliert. In seinem Heimatort wiederum sprachen ihn Menschen auf dem Spielplatz seiner Kinder an, wie er denn einen bigotten Frauengrapscher wie Trump unterstützen könnte. Costello steht mit 42 Jahren eigentlich mittendrin in seiner politischen Karriere. Zu diesen Midterms aber trat er nicht mehr an.