Bundeskanzler Helmut Kohl (vorn) und der Generalsekretär des ZK der KPdSU, Michail Gorbatschow (l), am 10.02.1990 in Moskau
Bundeskanzler Helmut Kohl (vorn) und der Generalsekretär des ZK der KPdSU, Michail Gorbatschow (l) 1990 in Moskau / picture alliance

Deutsche Wiedervereinigung - Revanche der Geschichte

Soeben veröffentlichte Regierungsdokumente gewären einen neuen Blick auf das Zustandekommen der deutschen Wiedervereinigung – und geben Antwort auf die Frage, ob Moskau vom Westen hintergangen wurde

Ulrich Schlie

Autoreninfo

Ulrich Schlie ist Historiker und Henry-Kissinger-Professor für Sicherheits- und Strategieforschung an der Universität Bonn.

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Im Angesicht des Triumphs auf die Geste der Demütigung zu verzichten, zeichnet echte historische Größe aus. George H. W. Bush, der 41. Präsident der Vereinigten Staaten, und sein Außenminister James Baker III. gelten als Beispiele für diese Staatskunst. Im Herbst 1989 folgten sie nicht den Einflüsterungen derjenigen unter ihren Ratgebern, die damals einer großen Siegesfeier in Berlin nach dem Fall der Mauer das Wort geredet hatten. Der internationale Prozess, der die Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit im Jahr 1990 möglich machte, gilt weithin als „Sternstunde der Diplomatie“, so der deutsche Titel eines amerikanischen Standardwerks von Philip Zelikow und Condoleezza Rice, der späteren Außenministerin.

Verhandlungskunst, die Fähigkeit, sich in die Lage des Gegenübers zu versetzen und dessen nächste Bewegungen zu antizipieren, wo nötig, schnelle taktische Wechsel zu vollziehen, das Ergreifen des rechten Augenblicks: All dies zählt zu kluger Diplomatie. Das Jahr 1990 war ein annus mirabilis. Die Geschichte war in Bewegung geraten, und die Vereinigten Staaten konnten den Kalten Krieg unter Umständen beenden, die für sie nicht hätten günstiger sein können. Der Begriff des „unipolaren Moments“ (Charles Krauthammer) erschien für den historischen Augenblick am angemessensten. Neu publizierte Dokumente indes werfen einen Schatten auf den diplomatischen Triumph. Mit lautem publizistischen Begleitgetöse befeuern etliche amerikanische Wissenschaftler schon seit ein paar Jahren eine Debatte darüber, ob mit Blick auf die damals zu verhandelnde Mitgliedschaft Gesamtdeutschlands in der Nordatlantischen Allianz Zugeständnisse an die Sowjetunion gemacht worden seien, an die sich der Westen nicht gehalten habe. Der Vorwurf wiegt schwer, als Kavaliersdelikt kann er wohl nicht abgetan werden.

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Joachim Wittenbecher | Mo., 12. März 2018 - 16:48

Im Zuge der 2+4-Verhandlungen hat die UdSSR die Nato-Mitgliedschaft des wiedervereinigten Deutschland akzeptiert - aber mit der wichtigen Einschränkung, auf seitherigem DDR-Gebiet keine ausländischen Nato-Truppen zu stationieren. Rein logisch würde dies heißen, dass die UdSSR erkennbar Kund getan hat, in Zukunft auch weiter östlich keine Nato-Truppen akzeptieren zu wollen. Doch dies ist Interpretation. Andererseits wäre es natürlich unzulässig, im Zuge der dt. Einheit den Osteuropäern verbieten zu wollen, sich um die Nato-Mitgliedschaft zu bemühen. Und was zeigt sich heute? Unfähige Politiker in Ost und West, auch in Russland, verspielen das Erbe von 1989. Osteuropäische Staaten (CZ/HU) nähern sich freiwillig an Russland und China an, verursacht auch durch Merkels Flüchtlingspolitik. Westeuropäische Politiker drohen unterschwellig mit dem Kollektivrauswurf der Osteuropäer. Geistiger Niedergang, wohin man schaut.

Dorothee Sehrt-Irrek | Di., 13. März 2018 - 18:42

Antwort auf von Joachim Wittenbecher

zusammenwachsen.
"Nach diesen Merkeljahren" schaue man einmal die Krimiserie Bordertown.
Da ist vieles - nomen est omen - zerrissen, wirkt auch grenzwertig, spielt aber auch an der Grenze Finnlands zu Russland.
Mein Gott wie wohltuend.
Da spielen gar nicht nur russische Monster mit, mit Hörnern und einem Schwefelschweif.
Trump schaut doch soviel fern?
Dann kann er da mal hineinschauen.
Weite Landschaften, Elche fehlen da aber leider.
Die Weite der skandinavischen Landschaften und auch der russischen. Hat mich ein bisschen erinnert an Killing, das in Seattle spielt, Letzteres mit allerdings einem sehr viel größeren Mordaufkommen. Ich erhoffe mir etwas von den Seattles Sea Hawks in der nächsten Saison.
Wer nicht begreift, dass ich hier auch von Politik spreche, kann evtl. mit einem Trump gar nichts anfangen, von der Sprache, vom Typ her...?
Mit Weite überhaupt muss Merkel wohl aufgewachsen sein?
Scherz am Rande.
Ich war damals recht ruhig, weil ich Genscher vertraut habe.

Sehr geehrte Frau Sehrt-Irrek,
Genscher habe ich damals auch vertraut, es kam mir nie der Gedanke, dass er für Deutschland Gefahren heraufbeschwören könnte. Dies traf auch auf einen Politiker wie Johannes Rau zu, den ich 1987 gewählt habe, als er Kanzlerkandidat der SPD war.

Willy Ehrlich | Di., 13. März 2018 - 15:06

Im gesamten Artikel fehlt der Name Boris Jelzin.
Er war es, dessen Unberechenbarkeit und Wankelmütigkeit zur Verunsicherung der (nord)westlichen Staaten des Warschauer Paktes geführt hatte.

Faktisch hat sich die NATO zwar nach Osten ausgedehnt, aber weitestgehend aus Angst der betroffenen Staaten vor einer Annexion durch "Jelzins" Moskau, insbesondere auch wegen ihrer in den baltischen Staaten hoch ausgeprägten russischen Bevölkerungsanteile. Diese Staaten haben viel mehr nach dem Schutz der NATO gerufen, als die NATO von sich aus aktiv werden musste.

Inzwischen sind die Entscheidungsstrukturen in Moskau durch Putin wieder stabil geworden; insoweit sind NATO-Überlegungen in Richtung Ukraine oder gar Georgien auch illusorisch.

Schaun `mer mal. So long!

Wolfgang Schuckmann | Mi., 14. März 2018 - 23:12

Ich wäre dem Cicero auch weiterhin sehr verbunden, wenn er mir erklären könnte, natürlich über Mail an meine Adresse, was dem Zensor an meinem Kommentar zu diesem Thema missfallen hat. Ich vermute mal doch sicher nicht die von mir gemachten Feststellungen zur Geschichte der Krim. Sollte ich mich da gravierend geirrt haben, würde ich mich freuen wenn ich da Nachhilfe von Ihnen bekommen könnte, was meinen intellektuellen Horizont sicher positiv erweitern würde. Nur zu, ich bin auch sicher nicht beleidigt, versprochen.Sollte ich nichts von Ihnen hören, würde ich meinen Standpunkt als von Ihnen bestätigt ansehen, nur dass wir uns recht verstehen, wenn Sie wissen was ich meine!