Cicero im Dezember / Illustration: Sören Kunz

Cicero im Dezember - Achsenzeit

Es brennt auf der Welt – ob in der Ukraine oder in Gaza und in Israel. Doch warum alles auf einmal? Lesen Sie in der Dezember-Ausgabe von Cicero, wie derzeit eine neue Weltordnung entsteht und weshalb die eigentliche Dimension der „Zeitenwende“ größer ist, als wir dachten.

Alexander Marguier

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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Als Olaf Scholz nur wenige Tage nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine seine „Zeitenwende-Rede“ hielt, wirkte dieser Auftritt im Bundestag wie eine entschlossene Antwort auf eine überraschende Entwicklung. Und gleich im zweiten Satz benannte der Bundeskanzler die Ursache für die Aggression: „Mit dem Überfall auf die Ukraine hat der russische Präsident Putin kaltblütig einen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen – aus einem einzigen Grund: Die Freiheit der Ukrainerinnen und Ukrainer stellt sein eigenes Unterdrückungsregime infrage.“

Das war, wie wir heute wissen, wesentlich zu kurz gegriffen. Denn Putin hatte weit mehr im Blick als die Freiheit seiner Nachbarn. Er wollte vielmehr den sogenannten Westen testen: Wie wehrhaft wird dieser sich zeigen, wenn es darum geht, die viel beschworenen Werte wie Demokratie, Humanität oder Regelbasiertheit nicht nur mit Worten zu verteidigen?

Neue Weltordnung ruckelt sich zusammen

Deutschland wurde am 24. Februar 2022 kalt erwischt. Was nicht hätte sein müssen, denn die „Zeitenwende“ war schon länger nicht nur absehbar, sondern in vollem Gang. Wir hatten es uns in der Bundesrepublik nur dermaßen gemütlich eingerichtet, dass fast sämtliche Signale ignoriert wurden. Jetzt erleben wir, wie sich eine neue, eine multipolare Weltordnung zusammenruckelt – mit ungewissem Ausgang.

Auch das Ergebnis von Putins Stresstest für unsere Demokratie steht übrigens noch längst nicht fest, allen Durchhalteparolen zum Trotz. „Klar ist: Wir müssen deutlich mehr in die Sicherheit unseres Landes investieren, um auf diese Weise unsere Freiheit und unsere Demokratie zu schützen. Das ist eine große nationale Kraftanstrengung“: Auch dieser Satz stammt aus der „Zeitenwende-Rede“ des deutschen Kanzlers. Und nicht einmal dieses Versprechen wurde bisher eingelöst.

Dabei brennt es auf der Welt an allen Ecken und Enden – jetzt auch wieder in Gaza und in Israel. Warum alles auf einmal? Was kommt noch auf uns zu in dieser „Achsenzeit der Weltpolitik, die Historiker einmal in ein Davor und ein Danach unterteilen werden“, wie Stephan Bierling, der Autor unserer Titelgeschichte, es formuliert? Bierling ist ein großer Wurf gelungen, indem er die vielen aktuellen Konflikte in einen Gesamtzusammenhang stellt. Denn nur so wird die eigentliche Dimension der „Zeitenwende“ erkennbar – derer man sich hierzulande noch immer nicht auch nur annähernd bewusst zu sein scheint.

 

 

 

 

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Stefan Jarzombek | Fr., 24. November 2023 - 08:50

Das sind zwei verschiedene paar Schuhe. Der Krieg in Gaza und der Ukraine ist nur der Vorgeschmack auf das was da noch kommen wird an Kriegsheimkehreren die dann letztendlich wieder in eine "normale" Gesellschaft eingebunden werden sollen. Deshalb war und bin ich für Frieden um jeden Preis und gegen jegliche Verlängerung.
Alles gerät aus den Fugen, weil meines Erachtens den Urteilen und Wahlen zum Trotz jegliche Demokratie untergraben wird, indem daraufhin gleich Mittel und Wege ersonnen werden, wie es dann doch immer weiter so geht. Als ob nichts wäre.
Keine Konsequenzen, kein Abtreten der Verantwortlichen, keine Einsicht.
Stattdessen Vertuschung und Verpfuschung.
Das Resultat, nicht nur in Deutschland,Geert Wilders in den NL. Deutschland wählt erst noch und da zeichnet sich ein ähnliches Bild ab.
Zeitenwende? 🤔
Ja, eine Zeitenwende,gut gemeint aber völlig daneben. Alles vermurkst von Leuten,die nicht merken, das der Holzweg auf dem sie sich befinden längst angefangen hat zu brennen.

Albert Schultheis | Fr., 24. November 2023 - 10:12

dann sind die Schlussfolgerungen nichts als Bullschitt.
"Mit dem Überfall auf die Ukraine hat der russische Präsident Putin kaltblütig einen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen – aus einem einzigen Grund: Die Freiheit der ... Ukrainer stellt sein eigenes Unterdrückungsregime infrage.“ - Genau! Der Krieg begann am 24. Februar und Putin ist ein Kriegsverbrecher!
Sorri, Herr Marguier, da war noch ein bißchen was vorher, das in einem Putsch gipfelte und in einem 8 Jahre dauernden Bürgerkrieg.
"Dabei brennt es auf der Welt an allen Ecken und Enden – jetzt auch wieder in Gaza und in Israel. Warum alles auf einmal?" - Dass das Hazardeurspiel Obamas/Bidens in einem weltweites Verrutschen der geopolitischen Plattentektonik enden würde, war voraussehbar!en! Das Aufbegehren der BRICS, das Aufflamnen des Nationalfaschismus Erdogans, die ethnische Säuberung Bergkarabachs, der 7. Oktober. Wenn die Rudelführer der Kampfhunde anfangen, sich gegenseitig zu zerfleischen, dann gibt's kein Halten mehr.

Urban Will | Fr., 24. November 2023 - 11:50

wichtigen Thema nichts zu suchen, es ist eine einseitige Sichtweise des Westens auf den Krieg. Über diesen werden noch zig Bücher geschrieben werden von hoffentl. unabhängigen Historikern und es wird
–siehe als Bsp. das grandiose Buch „Die Schlafwandler“ von C. Clark über die Ursachen von WK 1- am Ende wohl etwas herauskommen, was dieses Zitat recht lachhaft erscheinen lässt.
Dass derzeit eine neue Weltordnung entsteht, kann man durchaus teilen.
Und dass andere diese Weltordnung mindestens gleichwertig oder gar noch mehr bestimmen werden, als die USA, kann man dann am besten nachvollziehen, wenn man sich mal die amerikanischen Städte, all das Elend dort, etc. anschaut. Amerika, der Westen an sich, steigen ab. Europas wichtigste Länder, allen voran das von den größten Idioten regierte D, schwächen sich selbst.
Und dass die USA ihre Weltherrschaft nicht so einfach hergeben, ist ebenfalls zu erwarten. Soviel vielleicht mal als Seitenhieb auf Scholzens Geplapper, über d Ukrainekrieg.

Norbert Heyer | Fr., 24. November 2023 - 11:54

Die oft zitierte Zditenwende begann am 11. September 2001, dem Terrorangriff auf das World Trade Center und die darauf folgenden Vergeltungsmaßnahmen der USA bei den vermeintlich Schuldigen an dieser Katastrophe. Die USA haben überall verbrannte Erde hinterlassen und die Schlachtfelder schlagartig verlassen, wenn sie ihre Strafaktion als erledigt ansahen. Noch nicht einmal ihre Verbündeten informierten sie von dem überstürzten Abgang. Amerika - Weltmacht NR. 1 mit entsprechendem Habitus und der Arroganz der Macht - da schritt Putin ein, weil die NATO seinem Vorgarten zu nahe kam. Er erwischte den Westen kalt, Wirtschafts- und Finanzkrisen sind die Folge, BRICS entstand als Gegenpol, fordert die USA heraus. Das die USA und China miteinander reden zeigt deutlich: Die USA scheuen einen Konflikt, Rom, Europa und GB, alles Vorgänger mit Weltmacht- Stellung, heute unbedeutend. Könnten aber auch die Zukunft der USA werden, denn die neue Welt wird garantiert nicht christlich geprägt sein
sein.

Urban Will | Fr., 24. November 2023 - 14:47

Man fängt wohl schon an, die „neue Weltordnung“ den Kleinen in der Schule einzuimpfen.

Gerade kam meine Jüngste von der Schule zurück.
Hausaufgabe: ein Arbeitsblatt mit der Landkarte Europas und entsprechenden offenen recheckigen Feldern mit Verbindungsstrich zum jeweiligen Land, in die man die Ländernamen eintragen sollte.

Überschrift: Die Länder Europas.

Für Russland war kein Feld vorgesehen, wohl aber für die Türkei, beides Länder, die sowohl einen europäischen als auch asiatischen Teil haben.

Ich werde mal mit der Lehrerin reden, was das soll.

Ach ja. Meine Tochter nahm auf meinen Hinweis hin ohne zu zögern ihren Stift und schrieb in das große Feld, also die weiße Fläche rechts auf der europäischen Landkarte gut leserlich „Russland“.