
- „Auf der Flucht lernen sie, dass Gewalt auch positiv sein kann“
Ist der 24-jährige Somalier, der in Würzburg drei Frauen mit einem Messer tötete, ein Terrorist – oder schuldunfähig aufgrund einer psychischen Störung? Der Neuropsychologe Thomas Elbert hat Männer wie ihn untersucht. Er appelliert an die Bundesregierung, das Asylrecht zu reformieren.
Der Neuropsychologe Thomas Elbert ist Spezialist für Traumaforschung und seit 2009 Mitglied der Leopoldina. Er betrieb Feldstudien in Konfliktgebieten wie Afghanistan, dem Kongo, Ruanda und Somalia. Schon 2018 hatte er mit anderen ein Gutachten geschrieben, in dem er die Bundesregierung vor dem Gefahrenpotenzial von traumatisierten Flüchtlingen warnte.
Herr Elbert, ein 24-jähriger Mann hat in einem Kaufhaus in Würzburg drei Frauen erstochen und mehrere Menschen schwer verletzt. Der Mann war 2015 als Flüchtling aus Somalia nach Deutschland gekommen. Er war in psychiatrischer Behandlung. Bei dem Anschlag sollen die Worte „Allahu Akbar“ und „Dschihad“ gefallen sein. Spielen seine Nationalität und seine Religion noch eine Rolle, wenn er offenbar psychisch gestört war?
Ja, was heißt denn psychisch gestört? Leute, die selbst Gewalt erlebt haben, haben natürlich massive Probleme wie Albträume, Konzentrationsstörungen oder Schamgefühle. Auch können sie die aktuelle Situation oftmals nicht richtig einschätzen, da Erinnerungen aus früheren Bedrohungsszenarien immer wieder in die Wahrnehmung der Gegenwart eindringen. Das rechtfertigt aber keinesfalls, andere zu verletzen oder gar zu töten.
Aber wer sagt denn, dass es diesem Täter nicht einfach nur um Aufmerksamkeit ging – so wie Amokläufern?
Das ist immer eine Mischung. Beschämte möchten anderen ihre Gefährlichkeit zeigen. Und wenn jemand dann noch glaubt, dass er für seine Tat im Jenseits belohnt werden würde, oder wenn Drogenkonsum hinzukommt, ist die Hemmschwelle heruntergesetzt.
Aber nur, weil der Mann „Allahu Akbar“ gerufen haben soll, muss er ja noch lange kein Islamist sein.
Der Punkt ist doch, dass er genau dann gerufen hat, dass Gott der Größte sei, als er unschuldige Menschen absticht. Also das macht doch nur jemand, der sich als „Krieger Gottes“ darstellen will, weil er anderweitig keine Erfolge vorweisen kann. Aber die meisten jungen Männer, die zu uns aus Kriegsregionen kommen, denken, sie könnten hier ein unbeschwertes, ein gutes Leben führen. Um sich im Krieg und auf der Flucht durchzusetzen, sind sie dann oftmals selbst gewalttätig geworden.
Warum?
Irgendwann werden sie überfallen oder ausgeraubt. Dann müssen sie sich einen Platz auf dem Boot sichern. Da stoßen sie vielleicht einen anderen herunter. Auf den Fluchtrouten geht es grausam zu. Diese Erfahrungen führen dazu, dass Gewalt auch als etwas Positives erlebt wird.
Ist es ein Zufall, dass es sich bei den drei Todesopfern in Würzburg um Frauen handelt?