
- Abkehr von der Marktwirtschaft
Der Niedergang der SPD schreitet voran. Gerade die bayerischen Sozialdemokraten eilen von einem Tiefstwert zum nächsten. Ihre wiedergewählte Landesvorsitzende Natascha Kohnen plädiert derweil für Staat, Staat und noch mehr Staat
Tatsächlich macht es keinen Spaß, einer Partei beim Niedergang zuzuschauen, erst recht nicht der SPD. Denn es waren zahlreiche selbstbewusste und kluge Sozialdemokraten – Kanzler, Minister, Ministerpräsidenten, Abgeordnete –, die über viele Jahrzehnte wichtige und gute Impulse für die gesellschaftliche Entwicklung Deutschlands gesetzt haben. Vernünftige Politik klang nicht selten sozialdemokratisch, tut es ja in einigen Bereichen bis heute. Und dennoch kennt die SPD fast nur noch eine Richtung: nach unten. „Die Partei hat keine Kunden mehr“, konstatierte Thilo Sarrazin nach den verheerenden Landtagswahlen in Bayern, denn sie habe verlernt, eine in der Politik nicht ganz unwichtige Frage zu stellen: „Wen möchte ich zufriedenstellen?“ Stattdessen folgten viele Funktionäre nur noch ihrer privaten Ideologie. Sarrazins Worte werden freilich keinerlei Folgen haben, denn der Mann gilt ja bekanntlich als des Teufels und soll deshalb aus der SPD ausgeschlossen werden.
Die bayerische SPD hat mit ihrer Spitzenkandidatin Natascha Kohnen bei der Wahl im vergangenen Herbst jedenfalls nur noch 9,7 Prozent geholt. In riesigen Lettern waren die Worte „Anstand“ und „Haltung“ auf den Wahlplakaten zu lesen gewesen, und beim Landesparteitag am vergangenen Wochenende, der auch einer Aufarbeitung der historischen Niederlage dienen sollte, wurde die Frage aufgeworfen, ob da womöglich die falschen Akzente gesetzt worden seien. Allerdings ging es dabei, und das ist kein Witz, nicht um den Inhalt, sondern um die dunkle Farbgebung der Plakate. Nun sind Anstand und Haltung zweifelsfrei erstrebenswert. Doch Sarrazin würde vermutlich fragen, wen genau man mit diesen apodiktischen Schlagworten eigentlich habe ansprechen wollen. Was stellt eine Partei ihren potentiellen Wählern in Aussicht, indem sie großflächig „Haltung“ verspricht? Oder „Anstand“?