
- Nichts wie weg - Teil 1
Corona-Maßnahmen, Wirtschaftskrise, Meinungsklima: Immer mehr Deutsche verlassen das Land, um andernorts ihr Glück zu suchen. Der Schriftsteller Matthias Politycki hielt das deutsche Geistesklima nicht mehr aus und zog nach Wien. Tobias Steinert aus Rheinland-Pfalz arbeitet jetzt für Philips in Polen. Die Titelgeschichte aus der aktuellen Cicero-Ausgabe.
Sehnsucht, Fernweh, Abenteuerlust und das Gefühl, im eigenen Land nicht mehr voranzukommen: Menschen, die ihre Heimat verlassen, um in der Fremde ihr Glück zu suchen, hat es zu allen Zeiten gegeben. Deutschland, das dank seiner Wirtschaftskraft und einem üppigen Sozialstaat Lebensbedingungen bietet, die im weltweiten Vergleich paradiesisch anmuten, ist ein begehrtes Ziel von Einwanderern. Jahr für Jahr ziehen deutlich mehr Menschen hierher, als im selben Zeitraum das Land verlassen. Doch das ist nur eine Seite der Medaille. Die andere: Bei den eigenen Staatsbürgern ist die Bundesrepublik längst zum Auswanderungsland geworden. Seit 2005 verlassen jährlich mehr Deutsche ihre Heimat, als aus dem Ausland zurückkehren. Ein Trend, der sich wohl noch verstärken wird. Denn mit der beginnenden Wirtschaftskrise wächst die Bereitschaft, das Risiko eines Neuanfangs einzugehen.
„Mit der Corona-Pandemie hat es angefangen“, sagt Marlis Tiessen. „Plötzlich haben sich Leute bei uns gemeldet, die einfach nur wegwollten.“ Tiessen berät normalerweise Unternehmen, die Mitarbeiter für ein paar Jahre ins Ausland schicken wollen. Zu tun hat sie genug, denn viele deutsche Firmen haben Standorte auf anderen Kontinenten und setzen dort Führungskräfte und Fachpersonal aus der Heimat ein. „Diese Form der Auswanderung boomt seit Jahren“, sagt die Hamburgerin. „Inzwischen häufen sich aber Anfragen von Privatpersonen, die noch gar nicht genau wissen, wohin sie wollen. Sie sind von Deutschland frustriert und sehen hier keine Zukunft mehr. Ich denke, das wird weiter zunehmen.“