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Der Pianist Martin Stadtfeld / picture alliance

Debattenkultur in Zeiten von Corona - „Nicht als Zyniker, sondern voller Traurigkeit“

Mit Ansichten, die gestern noch bürgerliches Maß und Mitte symbolisierten, sieht man sich in der Corona-Krise plötzlich an den Rand gedrängt. Das führt zur Entfremdung zwischen dem Staat und Teilen derer, die bislang als dessen repräsentatives Bürgertum galten.

Autoreninfo

Martin Stadtfeld (Foto dpa) ist einer der bekanntesten deutschen Pianisten. Er konzertierte mit Orchestern wie den Münchner Philharmonikern, der Academy of St Martin in the Fields, dem Leipziger Gewandhausorchester, der Staatskapelle Dresden und den Wiener Symphonikern. Stadtfeld, 1980 in Koblenz geboren, wurde viermal mit dem Echo Klassik Preis ausgezeichnet.

So erreichen Sie Martin Stadtfeld:

Vielleicht ist das Schlimmste an der aktuellen Situation, dass wir kaum mehr miteinander reden können. Dass überhaupt die medizinische Bewertung einer viralen Erkrankung Grund von Familienzerwürfnissen werden könnte, war bis vor kurzem noch nicht vorstellbar. Doch Corona wurde über Nacht zum Politikum: Sag mir, wie Du es damit hältst – und ich weiß, zu welchem Lager Du gehörst.

Das ist vielleicht das Hauptmissverständnis und wirkt so verstörend: Mit Ansichten, die gestern noch bürgerliches Maß und Mitte symbolisierten, heute plötzlich an den Rand gedrängt zu sein. Es führt zu Entfremdung zwischen Staat und Teilen derer, die bislang als dessen repräsentatives Bürgertum galten und sich so fühlten.

Verschwörungstheorien, wohin man hört

Auch der Unternehmer, der bislang alles richtig gemacht hat, hart gearbeitet, viel investiert, für sein Unternehmen gelebt, dafür zurecht als Rückgrat der Wirtschaft bezeichnet, versteht die Welt nicht mehr. Verschwörungstheorien, wohin man hört. Die Menschen suchen Erklärungen und überschätzen maßlos die Intelligenz derjenigen, die vermeintlich die Strippen ziehen.

Denn ich bin davon überzeugt: Die haben außer ihrem eigenen Fortkommen auch keinen Plan. Die Dinge befeuern sich gegenseitig. Hieß es zuerst, die Politik folge lediglich dem Alarmismus eines bestimmten Typs von Wissenschaftlern, so sind wir jetzt eine Stufe weiter: Ein neuer Typus Wissenschaftler weiß, wie man Karriere macht, wenn man nur noch drastischere Modelle zum Ausgangspunkt noch krasserer Vorschläge macht. Die Besonnenen, eine Gesellschaft in ihrer Vielgestaltigkeit und nicht ausschließlich auf einen Aspekt reduziert Begreifenden, schweigen ohnehin längst. Sie ahnen, dass sie dem neuen Typus Karrierist nicht gewachsen sind, denn der hält nichts mehr von bürgerlicher Norm und Umgangsform.

Die Krise macht sichtbar, was in den vergangenen Jahren angelegt wurde: Vereinzelung, aggressiver Karrierismus, Untergangsstimmung, Depression. Jeder gegen jeden. Das Dauergefühl, zu kurz zu kommen und persönlich angegriffen zu werden, manifestiert sich mit Corona: Du wagst es, die Gefährlichkeit der Krankheit relativ zu beurteilen? Dann gefährdest Du mein Leben. Oder andersherum: Du zerstörst mit irrationalen Ängsten meine Existenz. Unversöhnlichkeit, die keine gemeinsame Basis mehr kennt.

Als leidenschaftlicher Verteidiger eines Öffentlichen Rundfunks muss ich leider konstatieren: Ihr habt mit Öl ins Feuer gegossen, bitte mäßigt euch. In der Politik gab es immer Scharfmacher – aber auch diese Unverfrorenheit, die nur das eigene Fortkommen kennt? Wer nur maßvoll den Versuch unternimmt, die Gesellschaft als Ganzes in den Blick zu nehmen, mit ihren traurigen Kindern, ihren kaputtentschiedenen Existenzen, ihren perspektivlosen Jugendlichen, ihren isolierten Alten, der wird verhöhnt.

Medial geschürte Sensationslust

Aber es gehört zu dieser Gesellschaft eben auch: medial geschürte Sensationslust, Echtzeitberichterstattung, breaking news, Angst – ja auch Angstlust –, Katastrophenstimmung, Vereinsamung, das Gefühl vieler Menschen, bedeutungslos zu sein. Endlich ist sie da, die alles bedrohende Gefahr! Endlich interessiert man sich für den Schutz meines Lebens! Ich glaube, für viele Menschen ist die ihnen attestierte Vulnerabilität die größte Wertschätzung, die ihnen in den letzten Jahren widerfahren ist, und ich schreibe diese Worte nicht als Zyniker, sondern voller Traurigkeit.

Zur Wahrheit gehört eben auch: Die uns jetzt „wertschätzen“, hatten sonst nicht viel übrig für unser Wohlergehen. Es sind die gleichen, die sich in der Vergangenheit für Krankenhausschließungen, Renditedenken im Gesundheitswesen und Verschlechterung der Bedingungen eingesetzt haben.

Eine gleichaltrige Freundin starb kürzlich an einem Krankenhauskeim, wie viele andere Menschen auch im letzten Jahr und den Jahren zuvor, weitestgehend unnötig, weil vermeidbar. Die es vorgeblich gut meinen, hätten sich in der Vergangenheit für bessere Bedingungen im Gesundheitswesen einsetzen, sie hätten den Beruf des Pflegers zu einem der prestigeträchtigsten machen müssen. Und selbst wenn sie bloß einem Ungeist der Zeit gefolgt sind – wir sind alle nicht frei davon –, dann müssten sie jetzt öffentlich Abbitte leisten.

Stattdessen (und es ist statt dessen, denn es geschieht nichts Gutes in dieser Art): Regieren gegen die Bevölkerung, Erstickung jedes innovativen und unternehmerischen Geistes, Stilllegung von öffentlichem Leben und Kultur. Aus der hört man nicht viel, man möchte nicht anecken, nicht offensiv sein, hofft und bangt, möchte gerne den Politikern vertrauen, die doch ihr Bestes geben und es ja auch nicht leicht haben...

Notwendigkeit eines Neubeginns

Auch ich hoffe natürlich, dass dieser Beitrag nicht als offensiv empfunden wird, er hat die gegenteilige Intention. Denn es steckt ja auch so viel Chance in der Situation: Glasklar zeigt sich die Notwendigkeit eines Neubeginns, es zeigt sich die mögliche Schönheit einer Welt fröhlicher Kinder, integrierter Alter, denen man im Miteinander begegnet. Eine Welt des Austauschs, des gemeinsamen Lachens und Weinens. Das Sinnieren, Utopisieren nach einer gelungenen (oder missglückten!) Theateraufführung. Der Blick in die Augen des unbekannten Gegenüber, der bei der Sinfonie von Mahler ähnliches gefühlt hat.

Wertschätzung, die grundsätzlich jedem Menschen entgegengebracht wird. Politik, die sich für Verbesserung einsetzt und nicht alle paar Jahre salbungsvoll mit einer neuen Reform kommt (Reform: Verschlechterung der Lebensumstände). Ein Arzt, der Zeit hat, das gesamte Bild eines Menschen zu erfassen; wenn jemand hart arbeitet, muss er würdevoll leben können – alles Selbstverständlichkeiten, die sich anhören wie Utopie.

Und die vielleicht schönste Utopie, auch wenn Sie mich dafür als naiv belächeln: Lasst uns wieder miteinander reden.

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Urban Will | So., 18. April 2021 - 19:11

dieses Sonntags.
Danke hierfür.
Sie möchten, Lieber Herr Stadtfeld, „nicht offensiv“ empfunden werden und doch ist dieser Artikel die seit langem beste „Breitseite“ gegen den uns regierenden Stumpfsinn dieser Tage.
Politisch, aber auch kulturell. Und gerade weil er gar nicht als solche gedacht war.

Ich wünschte, er würde große Verbreitung finden, zumal Sie in Ihrer Position komplett frei davon sind, sich politische Motive unterstellen lassen zu müssen.

Sie reden mir und wohl auch vielen anderen aus der Seele.

Möge ihr Artikel, wenn schon nicht die Seelen, dann doch zumindest die Köpfe einiger Entscheidungsträger erreichen. Und wenn er auch – leider – wohl die Dinge nicht wird ändern können, er wird hoffentlich seine Spuren hinterlassen.

Er ist fürwahr weit mehr als ein „Tropfen“ auf den heißen Stein.
Bitte mehr davon!

Ja, auch ich bin berührt von dem einfühlsamen Artikel. Unsere entbehrungsreiche Zeit dringt in die hintersten Winkel der Seelen ein. Auch uns ist eine liebe Freundin am Krankenhauskeim verstorben. Während der heutigen Corona-Trauerfeier musste ich daran denken, wie öffentlich unbeachtet diese vermeidbaren Schicksale immer noch geschehen. Im Oktober letzten Jahres erhoben beim 'Opus Klassik' viele berühmte Künstler ihre Stimme und machten auf die verfahrene Lage im Kulturbetrieb aufmerksam. Darunter u.A. auch internationale Größen wie Anne-Sophie Mutter und Jonas Kaufmann. (Nachzuhören in der ZDF-Mediathek.) Danke den Sängern und Musikern, die uns so viel Freude und auch innere Einkehr schenken. Statt in den Fernsehprogrammen häufig Belangloses zu verbreiten, könnte man diesen Künstlern, die derzeit öffentlich nicht mehr auftreten können, tagtäglich Sendeplätze reservieren. Dies wäre nicht nur ein Kultur,- sondern auch ein Bildungsangebot.

sollte für jeden Menschen gelten. Eine schöne Idee

Und schon folgt die nächste "Breitseite" gegen die, die uns regieren, gegen die Entscheidungsträger.

Deren Entscheidungen Sie, Herr Will, vor Tagen, als "möglicherweise" genauso diskussionswürdig einstuften, wie die Taten der Hitler-Regierung.

Und schon ist es vorbei mit der Wertschätzung.

Die ausgerechnet jene einfordern, die Corona hauptsächlich als "politisches Mittel" mißbrauchen.

Richtig, man sollte miteinander reden.

Das schließt aber diejenigen aus, die auf Plakaten Drosten, Lauterbach & Co. in Sträflingskleidung "verpackt" zeigen.

Die Corona als herbeigetestet verharmlosen.

Die die deutschen Maßnahmen grundsätzlich an den großen Pranger stellen. Dafür die Schweden loben, trotz des Desasters dort.

Denen geht es nicht um Diskurs, um Meinung, schon gar nicht um Demokratie.

Denen geht es um den politischen Kampf.

Die - schönes Beispiel - Impfungen verteufeln. Und sich anschließend, siehe Gauland, selbst impfen lassen.

Maria Arenz | Mo., 19. April 2021 - 11:00

Antwort auf von Gerhard Lenz

eine Weile habe ich geglaubt, Sie seien ein BOT oder würden von der Redaktion dafür bezahlt, dem Cicereo mit ihrem einseitigen AFD-Bashing und Merkel- Hallelujah das Schicksal von "Tichys Einblick" -zu ersparen. Anhand auch dieses Ihres letzten, vor persönlicher Verunglimpfung und Giftspritzerei auf unterstem Niveau nur so strotzendem Beitrag muß ich der Redaktion Abbitte leisten.

gabriele bondzio | Mo., 19. April 2021 - 11:12

Antwort auf von Gerhard Lenz

schon gar nicht um Demokratie."...und Demokratie ist in ihren Augen, dass Menschen im Land sich nicht mehr "trauen" können Ihren Diskurs, ihre Meinung frei zu äußern?
Weil sie sofort in eine Schublade gehetzt werden. Nicht selten unter Einbuße ihrer geseschaftlichen Reputation.
Wenn sie Demokratie so verstehen, tun sie mir leid! Wo sie doch sonst immer Minderheiten verhemmt verteidigen.

https://reitschuster.de/post/lage-in-intensivstationen-die-klagen-der-s…

W.D. Hohe | Mo., 19. April 2021 - 12:26

Antwort auf von Gerhard Lenz

sich einmal mit jemanden unterhalten, der es gut mit Ihnen meint.
Und das ist, auch wenn Sie sich mit dieser Zeile schwer tun (sollten)
nicht polemisch gemeint.

Urban Will | Mo., 19. April 2021 - 13:43

Antwort auf von Gerhard Lenz

hier in widerwärtigster Form etwas unter zu schieben.
Dass ich die Hitler – Verbrechen für „diskussionswürdig“ dahingehend halten soll, dass ich sie – ähnlich wie bei Corona – hinterfragen möchte, ist eine abscheuliche Beleidigung. Sie zeugt von ebenso großer Bosheit wie Unkenntnis unserer Geschichte.

Ich halte Ihnen „zugute“, dass Sie nicht mal ansatzweise in ihrer Scheuklappen -, vom Hass gegen alles „nicht Linke“ zerfressenen Welt zu verstehen im Stande sind, was Kritik ist und was Beleidigungen, was eine Meinung ist und was eine Unterstellung. Dass Sie schlicht nicht fähig sind, zum Diskurs.

Ich war nie einer derjenigen, die nach „Zensur“ o.ä. riefen, wenn Sie mal wieder über die Stränge schlugen und tue das auch jetzt nicht.
Was Sie so schreiben, fällt letztendlich ja nur auf Sie selbst zurück.

Im gefühlten Durchschnitt ist ein Großteil der Bevölkerung mit drastischen Einbußen kontrontiert.

30-50% Einbuße je Jahresgehalt bei Kurzarbeit...
70 - 99% Einbußen bei Selbständigen (Freiberufler, Gastronomen, Tourismus abhängige)

Wäre es da vermessen zu verlangen, daß auch die Politiker und Beamten und Angestellten in den Verwaltungen sich mit 30% - 60% vom Jahreseinkommen Gehalts/Diäten Verzicht zugunsten der Staatskasse solidarisch zeigen?

Oder haben wir es mit Egoistischen Staatsdienenern zu tun?

Manfred Sonntag | So., 18. April 2021 - 19:22

Herr Stadtfeld, das ist ein bravouröser Artikel. Ihren Aussagen kann ich voll und ganz zustimmen. Nur mit Ihrer Hoffnung auf einem Neubeginn bin ich sehr skeptisch. Im Jahr 1497 erschien der erste "Hexenhammer" in Speyer. Und es dauerte Jahrhunderte ehe der damit verbundenen Spuk ein Ende fand. Heute haben wir in den Mainstream-Medien die täglich aktualisierten Ausgaben des Hexenhammers. Es gibt zwar keine brennenden Scheiterhaufen mehr, aber medial werden Existenzen auf die unterschiedlichsten Arten vernichtet. Egal ob das Autoren von Büchern oder Hochschuldozenten sind, es wird versucht jeden Autor von Widerspruch zu denunzieren und öffentlich an den Pranger zu stellen. Wir sind gesellschaftspolitisch in das Spät-Mittelalter zurückgeworfen und haben die Epoche der Aufklärung wieder vor uns. Wobei, Mittelalter und totalitäre Herrschaftsformen der Neuzeit sind sich in den Auswirkungen für die Bürger sehr ähnlich. In welcher dieser Epochen leben wir?

Michael Hähnlein | So., 18. April 2021 - 19:23

Ich möchte mich an dieser Stelle für den mutigen Beitrag von Martin Stadtfeld bedanken! Ich glaube, dass er vielen Menschen aus der momentan arg gepeinigten Seele spricht! Ich wünschte, dass sich noch mehr renommierte Kulturschaffende so direkt zur aktuellen Situation äußern würden!

Bernd Muhlack | So., 18. April 2021 - 19:23

Folglich war ich sehr gespannt!

Ich stimme absolut zu!
Jeder Satz ein Volltreffer, right into the bulls eye!

"Lasst uns wieder miteinander reden!"
Das ist hier seit langer Zeit einer meiner Leitsprüche, Credo.

Nein, ich und Millionen weitere (wenn nicht gar Dutzende! - Obelix) sind nicht RECHTS, gar Extrem.
Man ist schlicht Vertreter der Ansichten, Werte des Konservativen im positiven Sinne.
Jedoch prallt solches "Gedankengut" zunehmend auf die selbst ernannten Hypermoralisten.
- jede Minderheit muss besondere Rechte haben
- "Klimarettung", weltweite Fraternisierung ist ein must have; gerne auch mit Hinz & Kunz hier im Lande. Kommet her, all die ihr mühselig und beladen seid, unser Sozialstaat heißt euch willkommen! (Frau KGE, GRÜNE)
usw. usf.
Das ist ja im Prinzip okay, jedoch bedarf all das eines vernünftigen gesellschaftlichen Diskurses!
Und zwar in gegenseitiger Akzeptanz!

Conclusio
De zwei Schängelscher im Duo:
"Lasst uns wieder miteinander reden!"
Herr Stadtfeld: AAA+++??

Rob Schuberth | So., 18. April 2021 - 19:43

Ich beobachte diese negative Veränderung, diese Zuspitzung und das "Lager-Denken", nicht erst seit wir diese C-Pandemie haben.

Die zeigt nur, wie in vielen anderen Bereichen auch, jetzt aber deutlicher, was alles bei uns seit Jahren falsch läuft.

Ach ja, der Medienkritik des Autors schließe ich mich gerne an.

Hans Jürgen Wienroth | So., 18. April 2021 - 19:49

Hervorragend!

Ralf Rosmiarek | So., 18. April 2021 - 19:56

Eine Ermutigung wird ausgesprochen, zugleich uns Lesenden ein Auftrag gegeben: „Laßt uns wieder miteinander reden!“ Denn kaum noch länger lassen sich die Augen verschließen, das Land unterliegt der Zerklüftung. Längst öffnen Gräben sich vor uns. Es geht dahin das Grundgesetz, mit ihm das Recht auf Selbstbestimmung, die Souveränität, der Souverän somit. Maskierte Angsthasen, ringsum, verstörte Kinderaugen dazu, endlose Traurigkeit. Wer auch nur maßvoll ist, der wird verhöhnt. Der Künstler, nicht etwa der „Kulturschaffende“, Martin Stadtfeld meldet sich sorgenvoll zu Wort, denn Kunst kennt das Ausräumen des Risikos nicht, ist selbst permanente Auseinandersetzung. Ebenso das Menschsein. Sterilität tötet den Einzelnen, die Gesellschaft. Wer das Leben nur als Vegetieren versteht und es als grundsätzlich versicherbar ansieht, hat vom Leben nichts verstanden und offenbart seine Kulturvergessenheit. Die bösen Gespenster der Vergangenheit sind am Horizont wieder sichtbar. Darum: Reden wir!

Heidemarie Heim | So., 18. April 2021 - 20:09

Die zivilisatorische Errungenschaft sich einer gemeinsamen Sprache bedienend mit Respekt sowie Wertschätzung für mein Gegenübers ein "kultiviertes" Gespräch oder auch eine Debatte zu führen bzw. anzustoßen. Oder wie ich vielleicht ganz unsensible sagen würde, inwieweit ich mich überhaupt noch mit den Leuten normal oder vernünftig unterhalten sowie selbst äußern kann, darf, möchte. Die Kultur soll uns allen ja einen Raum geben, eine gemeinsame Identität, sollte sich fort entwickeln und verfeinern. Gerade so wie Ihre Musik werter Herr Stadtfeld uns Raum für Interpretationen, gemeinsamen Genuss mit all unseren Sinnen lässt. Statt dessen canceln wir Dinge, die die Älteren unter uns noch anders kennen oder auch nur als "normal" empfinden. Und finden immer öfter keinen Raum/Ort mehr, der uns die Sicherheit vermittelt ein durchschnittlicher Teil dieser neu definierten Kulturepoche und Gesellschaft zu sein. Aber es macht froh als älteres Semester;) Ihre Gedanken noch teilen zu können! MfG

Bernhard Juasper | So., 18. April 2021 - 20:41

Antwort auf von Heidemarie Heim

Ein sehr schöner Beitrag.

Ich habe gerade meine verstorbene Mutter bestatten müssen, die als junges Mädchen die Bombennächte des 2. Weltkrieges erleben musste. Sie hat es aufgeschrieben, um es therapeutisch verarbeiten zu können. Haus von Brandbomben getroffen. Alles verloren. Beim Bauern geschuftet um die städtische Familie durchzubringen. Lohn Lebensmittel.

Wie dekadent wirken da heute die öffentlichen (politischen) Diskussionen- die Oberfläche der Oberfläche- eben nur noch Medienprodukt.

Und wieder sind es die Systeme. Es fällt uns offenbar schwer, ein positives Projekt einer besseren Zukunft zu formulieren. Zukunft fängt natürlich immer bei dem Einzelnen an, Stichwort „Wertewandel“.
Vielleicht ist der Blick ins Innere ein erster Auslöser für Kreativität, Innovation, Entdecken und Forschen.

Mit einem Lächeln rufe ich Ihnen zu, vorwärts!

Heidemarie Heim | Mo., 19. April 2021 - 13:35

Antwort auf von Bernhard Juasper

Lieben Dank Herr Jasper! Seien Sie sich meiner Anteilnahme gewiss! Meinen Eltern Jahrgang 1928 und 1929 war leider kein so hohes Alter beschieden wie Ihrer lieben Mutter. Meine Schwiegermutter 1930 geb. lebt jedoch noch, ist bis vor kurzer Zeit noch relativ geistig agil gewesen, aber auch sie blendete die Gegenwart seit geraumer Zeit zugunsten einer für sie selbst wohl erträglicheren näheren Vergangenheit aus, da sie sich und ihre Lebensleistung nicht mehr wertgeschätzt fühlte und der Kreis derer, die sie noch "verstehen" wie sie gern sagte, zusehends kleiner wurde. Eine Art "innere Emigration", Reflex auf die für sie unverständlichen auch gesellschaftliche Entwicklungen um sie herum. Zugegebenermaßen begegnete ich ihr oft mit der unserer Generation immanenten Oberflächlichkeit, Unverständnis, stelle jedoch momentan fest, dass ich selbst nun gerade mal 63J. trotz meinem z.B. Interesse an Politik und den tollen Leuten hier im Forum! versucht bin, den inneren Rückzug anzutreten. LG

Klaus Damert | So., 18. April 2021 - 21:00

"Die haben außer ihrem eigenen Fortkommen auch keinen Plan." - Damit ist mein Wochenende gerettet. Alles in einem Satz untergebracht - Danke!

Detlef Bracke | So., 18. April 2021 - 22:25

Antwort auf von Klaus Damert

Ja , stimmt und das Beste ,Gerhardt Lenz hat dazu noch keine andere Meinung , super Sonntag!

Peter Lutz | Mo., 19. April 2021 - 12:00

Antwort auf von Detlef Bracke

zugegeben der Sonntag war gut.
Dafür verhunzt uns Herr Lenz jetzt den Wochenstart. ?
Nein, natürlich nicht wirklich Herr Lenz, mich bekommen nur zum schmunzeln.

Schöne Woche

Gisela Hachenberg | So., 18. April 2021 - 23:29

Ich hoffe, sehr geehrter Herr Stadtfeld, dass Sie die Kommentare hier im Forum lesen können. Ich sage auch nur: ein wunderschöner Beitrag! Schade, dass er nicht früher erschienen ist. Er hätte mein Wochenende gerettet! So starte ich morgen froh in die neue Woche, denn Ihr Beitrag klingt nach!
Mit besten Grüßen und danke für Ihre ermutigenden Worte.

Markus Michaelis | Mo., 19. April 2021 - 00:34

Ja, Wertschätzung, ein Leben in Würde und Miteinander-Reden sind anzustreben. Es ist wohl auch so, dass dem teilweise Karrieristen oder auch nur überforderte Akteure im Weg stehen.

Aber ich denke, das "bürgerliche Problem" im Moment geht tiefer und ist zum Teil eine Sache des Bürgertums selber und niemand ist daran "Schuld". Sprachverlust untereinander gab es immer ein wenig und seit 2015 nicht nur bei Corona. Auch Migration, Klima, Europa/Euro, Rassismus sind Themen mit viel Sprachlosigkeit - "Gegner" sind da nicht nur Karrieristen oder Rechtsextreme (letztere sind dafür zu wenige).

Ich denke hier ist das Bürgertum selber gefragt wieder ein Weltbild zu finden, dass mehr zur Welt passt. Meiner Wahrnehmung nach lebt man zu sehr in der Grundüberzeugung, dass die Welt und der Mensch im Kern 100% gut sind, man für die ganze Welt verantwortlich ist, alle Menschen im Kern gleich denken, alles Leid durch erkennbare Täter entsteht, die zu stoppen sind. Mehr Mut zur bunten realen Welt.

Kai-Oliver Hügle | Mo., 19. April 2021 - 07:22

Als "offensiv" habe ich Ihren Beitrag nicht empfunden, wohl aber als sehr pauschal und oberflächlich. Wer das offene Gespräch vermisst und dann Platitüden wie "Regieren gegen die Bevölkerung" von sich gibt oder Politikern und Wissenschafttlern vorwirft, aus Karrieregründen Angst zu schüren, leistet keinen konstruktiven Beitrag zu einer sachlichen Diskussion, bekommt aber natürlich Applaus von Leuten, die an eine Corona-Diktatur glauben und behaupten, gegen Covid-19 helfen Spaziergänge und Vitamin C.
Allein Ihre Kritik an Krankenhausschließungen und Renditedenken im Gesundheitswesen halte ich für absolut berechtigt und einen Diskussionsansatz, der über Corona hinaus von großer Bedeutung sein sollte. Hier sind schlimme Fehler gemacht worden in der irrigen und völlig unverantwortlichen Annahme, marktwirtschaftliche Prinzipien könnten den Pflegebereich optimieren. Hierüber müsste dringend gesprochen werden, in der Tat!

Norbert Heyer | Mo., 19. April 2021 - 07:23

Es ist eine Einseitigkeit entstanden, nicht erst jetzt oder heute, sie ist schon älter. Wir haben „alternativlose“ Entscheidungen erlebt, die wahrlich nicht alternativlos waren. Darüber hätte geredet werden müssen, ganz ergebnisoffen, ohne Häme, Hass, Verachtung und Ausgrenzung. Nur Menschen, die miteinander reden -nicht gegeneinander- lösen gemeinsam Probleme. Findet das nicht statt, entsteht eine Situation, wie wir sie jetzt haben. Die Medien steuern in ihrer Mehrheit den Einheitskurs, der Bundestag wird zum Tollhaus, wenn ein Vertreter der Aussätzigen eine Rede hält. Man lässt Meinung und Ansicht anderer Menschen einfach nicht zu und steuert damit in die Unregierbarkeit. Ständige Bilder von Intensivstationen hätte man zu allen Zeiten bringen können, jetzt sollen sie nur Angst erzeugen und Gefügigkeit erreichen. So wie jetzt, wo man jede Aussage einer Korrektheit unterzieht, die nichts anderes ist, als eine Einschränkung der verbrieften Redefreiheit. Sie ist der Spaltpilz des Landes.

Wolfgang Borchardt | Mo., 19. April 2021 - 08:26

... hier den Namen des u. a. herausragenden Bach-Interpreten zu lesen. Ein wunderbar klarer Beitrag, vielen Dank, Herr Stadtfeld. Aber auch eine kaum zu finanzierende Postwurfsendung an alle, die die seit Jahren versagende Politik zu verantworten haben, würde wohl wenig nützen (was tut eigentlich eine Staatsministerin für Digitalisierung? Die Ergebnisse ihrer Arbeit sind nicht bekannt) Alles wiederholt sich, aus der Geschichte wird n i c h t s gelernt, kann auch nichts gelernt werden, wenn man kein Interesse hat, sich mit ihr zu befassen. Vergl. E. Kästner: Notabene 45. An ihm, dessen Bücher in der (identitären!) Nazi- Ära verbrannt wurden, kann man sich ohnehin aufrichten, wenn es darum geht, sich noch etwas Humor zu bewahren - angesichts der propagierten Vereinbarkeit von Kollaps und Endsieg.

Werner Gottschämmer | Mo., 19. April 2021 - 08:52

Meine Gedanken nun schon mehere Jahre ist immer wieder; in welch einem schrecklichen Land, und welchen schrecklichen Bedingungen wir leben mussten, Angst, Mord und Totschlag auf allen Straßen. Kein Schritt aus dem Haus konnte gefahrlos vorgenommen werden. Was für ein schreckliches Land! Diese Bundesrepublik Deutschland. Hort von Nazis, Unmenschen, Umweltzerstörern, Gemeinwohlzerstörern, Weltzerstörern, ein Land welches die ganze Welt und deren Bewohnern ausrottet, und hilflos ihrem traurigem Schicksal überlässt!! Das gilt es wirklich, wirklich auszulöschen. Danke an alle dieser aufrichtigen Menschen, die wenigen die es gibt, dass ihr uns befreit von der immerwährenden Schuld die wir in uns tragen, gleich eines !Virus! Geheiligt werden sollt ihr, Denkmäler sollt ihr bekommen, nieder auf die Knie ihr dummes dämliches Volk! Seht ihr denn nicht, wir werden ins Licht geführt, in die ewige Zufriedenheit, das ist doch die wahre Freiheit!! Frei,frei,frei!!!

Ernst-Günther Konrad | Mo., 19. April 2021 - 09:04

Dass sie den Inhalt Ihres Artikels ehrlich und aus tiefster Überzeugung formuliert haben, entnehme ich für mich aus dem Umstand, dass Sie den derzeit vorherrschenden Zeitgeist ohne Kampfrhetorik, ohne Übertreibungen und vor allem ohne persönliche Schuldzuweisungen niedergeschrieben haben. Und ja, die Medien tragen erheblich dazu bei, dass wir nicht mehr miteinander, sondern nur noch übereinander reden.

gabriele bondzio | Mo., 19. April 2021 - 09:49

hatten sonst nicht viel übrig für unser Wohlergehen.“...hier lohnt es sich anzusetzen. Weil in mir der gleiche Gedanke pendelt. Auch diese Überlegung dazu beiträgt, wenn der Gedanke aufgelöst werden soll. Es zu unterschiedlich – angelegten „Verschwörungstheorien“ führt. Da man(n)/frau schon vor Corona nicht den Eindruck der Wertschätzung, seitens der Regierung hatte (siehe Migrationspolitik).
Mein Gedanke (bin 66), was ist mir lieber, dass man ein würdiges Leben führt als nur ein wohlhabendes und langes. Steht vor der Angstphobie. Die viele Bürger erfasst hat. Denn der Preis scheint mir zu hoch, wo sich Menschen nur noch unter dem Aspekt „potentieller Infektionsträger“ betrachten. Der Riss der Meinungsbildung durch Familien geht. Die Liebe und Vertrauen stirbt. Das ist ein Zustand traurig zu werden, weil er ein so stark in das Leben von Kindern und Jugendlichen eingreift.
Und wir dürfen nicht vergessen, für unsere Grundrechte sind auch viele Menschen gestorben.

ursula keuck | Mo., 19. April 2021 - 09:52

Die Grünen mit Ihrer Hochsubventionierte Klimaschutz-Industrie-Mafia und den Genossen in allen Parteien und vor allem die Medien haben seit langem die Deutungshoheit über Gesetzmäßigkeiten an sich gerissen
Sie haben es geschafft, die Spitzenposition in der Lenkung der öffentlichen Meinung zu besetzen.
Daher sind wir alle mehr oder weniger grüngläubig. Wir leben in einer real existierender grünen Ökodiktatur.
Sie wollen eine neue Weltordnung, ein anderes Land, eine andere Wirtschaftsordnung andere Kultur, andere Justiz, anderes Eigentum, andere Menschen, Zerstörung nationaler Werte und Verpflichtungen.
Um ihre Daseinsberechtigung zu untermauern, ist es im Interesse der Grünen ungeheuerliche Horrorszenarien und Katastrophen heraufzubeschwören.
Da kommt ihnen Corona gerade zur rechten Zeit.

Karl-Heinz Weiß | Mo., 19. April 2021 - 09:58

Inmitten der irrlichternden politischen Entscheidungsträger ein sehr bedenkenswerter Beitrag. Leider beweist der aktuelle Kandidatenstreit, dass wir in negativer Hinsicht bereits US-Verhältnisse erreicht haben, der Pragmatismus der Amerikaner uns aber komplett fehlt.

Robert Friedrich | Mo., 19. April 2021 - 10:58

Kann man es treffender schreiben? Sollten diese Worte die Verantwortungsträger nicht endlich wach rütteln? Karrieristen und Egomanen entlarven, von Mikrofonen und Kameras entfernen. Sie haben spürbares Unheil angerichtet. Ein Erlöser kommt nicht,das müssen wir schon selber richten, und zwar schnell, die Zeit drängt.

Veit Jakof | Mo., 19. April 2021 - 11:20

Herr Stadtfeld ich gebe ihrem "Mit Ansichten, die gestern noch bürgerliches Maß und Mitte symbolisierten, heute plötzlich an den Rand gedrängt zu sein" völlig recht!
Das ist aber nicht neu sondern geht seit Jahren so: Energie, Euro, Asyl, ...
Wie konnte es so weit kommen?
Für mich gibt es eindeutig folgende Hauptschuldige:
1) Angela Merkel
2) Die Union, die Merkel (gegen ihre jahrzehntealten Grundwerte!) stets gefolgt ist
3) Die (Leit-) Medien, die ihre Rolle als 4te Gewalt im Staate und neutraler Berichterstatter längst nicht mehr ausfüllen
4) Der (deutsche Durchschnitts-) Wähler, der zu eigenständiger Be- und Ver-Urteilung der politischen Akteure nicht fähig oder willens scheint
Dieser Staat, diese Gesellschaft, diese Demokratie sind in wesentlich schlechterer Verfassung als vor Merkels Amtsantritt!
An alle Ausgegrenzten: Durchhalten, Rückgrat durchdrücken, Laut geben!

Bernhard Marquardt | Mo., 19. April 2021 - 12:21

Lasst uns wieder miteinander reden.
Da fragt man nur besorgt, in welcher Sprache?
Auf der einen Seite betreiben die selbsternannten links-grünen Jakobiner nach der medialen „Machtergreifung“ mit framing, cancel culture und Verfemung eine regelrechte Meinungsinqisition. „Aktivisten“ überziehen wie Pastaran jede/n Nichtgläubige/n in den asozialen Medien mit wütenden Beschimpfungen („shitstorm“) oder brüllen ihn/sie persönlich nieder, selbst in deutschen Universitäten. Die Aufklärung erlebt eine Rolle rückwärts.
Aus Angst, man könne auf die schwarzen Listen der Meinungsdiktatoren geraten, bleibt den anderen nur das Schweigen.
Auf der anderen Seite bemüht sich diese Republik mit mehr als 100 hochbezahlten Professorinnenstellen und ebenfalls tatkräftiger Unterstützung der meisten Medien mit einem geradezu zwangsneurotischen „Gendern“ die Muttersprache als grundlegendes Element jeder Kultur, zu zerstören.
In welcher Sprache werden wir künftig miteinander reden, wenn überhaupt und mit wem?

Tobias Schmitt | Mo., 19. April 2021 - 18:44

"Ich glaube, für viele Menschen ist die ihnen attestierte Vulnerabilität die größte Wertschätzung, die ihnen in den letzten Jahren widerfahren ist"

Ich glaube, da haben sie recht. Und diese attestierte Vulnerabilität (die schon vor Corona da war) ist auch die Grundlage für viele andere Dinge, wie zum Beispiel die Identitätsdebatte, die unsere Breiten gerade beherrscht. Als Grundlage für Diskussionen taugt diese Vulnerabilität jedenfalls nicht, weil sie subjektiv und das Dilemma oft selbstgemacht ist. Schön, dass das langsam in Teilen der Bevölkerung ankommt. Ich frage mich allerdings, warum das nicht schon thematisiert wurde, als dieses Phänomen aufkam. Braucht unsere Gesellschaft wirklich Jahre, bis sie das Offensichtliche erkennt? Anscheinend.