
- Die Abschiebekanzlerin
Angela Merkels Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik ist doppelt unredlich. Gegenüber den Flüchtlingen, die sie rief und die nun in Scharen abgeschoben werden sollen. Und gegenüber den Ländern und Kommunen, die sie für die Folgen ihres Alleingangs verantwortlich macht
Zur Veranschaulichung: Stellen wir uns vor, ein Fallschirmspringer springt in 5000 Metern Höhe aus der Luke eines Flugzeugs, genießt die ersten Momente seines freien Falls – und merkt dann, dass es besser gewesen wäre, den Fallschirm umzuschnallen. Sagen wir so: Der Befund auf halber Strecke ist völlig richtig.
Angela Merkel verhält sich gerade wie der von später Erkenntnis angehuschte Extremsportler. Sie war es, allein und höchstselbst, die vor anderthalb Jahren die unkontrollierte Einreise von Menschen imMillionenmaßstab zuließ, von denen nun die meisten wieder effizient abgeschoben werden sollen. Aus der Willkommenskanzlerin ist eine Abschiebekanzlerin geworden. Wer einen Zusammenhang zu ihren Umfragewerten und der nahenden Bundestagswahl unterstellt, ist nach ihrer Ansicht vermutlich nichts weiter als ein bösgläubiger Mensch.
Ein teures Sozialexperiment
„Der Fehler ist gemacht“, hat SPD-Urvieh Franz Müntefering einmal in seine mechanische Schreibmaschine gedroschen, als der damalige Parteivorsitzende Kurt Beck unabgesprochen, plan- und ziellos Rot-Rot-Grün bei der Landtagswahl in Hessen als Möglichkeit freigab. So ist es auch jetzt. Die Folgen des Merkelschen Alleingangs zeigen sich allenthalben. Merkels Sozialexperiment kostet allein den Bund jedes Jahr 22 Milliarden Euro, das ist etwas mehr als die Hälfte des Verteidigungsetats und in etwa der Verkehrsetat, beide stellen nach dem Sozialen die beiden größten Posten des Bundeshaushaltes.
Das von Kennern wie Daimler-Chef Dieter Zetsche und Ex-McKinsey-Chef Jürgen Kluge ausgerufene zweite Wirtschaftswunder ist ausgeblieben. Statt dessen gab es die Todesfahrt vom Breitscheidplatz und Morde durch Flüchtlinge im hochgradig überproportionalen Maße. Die Städte Köln, Ansbach, Würzburg und Freiburg stehen als Chiffren für diese neue Lage im Lande. Und auch Europa befindet sich unter dem Druck des Merkel-Solos in einer existenziellen Krise.
Dreiste Schuldumkehr
Nun sucht die Kanzlerin mit ihrem 16-Punkte-Abschiebeplan nach einem Fallschirm. Das ist doppelt unredlich. Erstens gegenüber den Menschen, denen sie mit Selfies und Worten Hoffnung auf ein besseres Leben in Deutschland gemacht hat und die sie nun in Scharen wieder loswerden möchte. Und gegenüber den Ländern und Kommunen, die sie in die Rolle der Schuldigen zu drängen versucht. Dies aber verkennt das Verursacherprinzip und die Tatsache, dass es eben gerade die Bundesländer, Städte und die dort lebenden Menschen sind, die mit größtem Einsatz das stemmen, was die Kanzlerin ihnen eingebrockt hat.
Außerdem, und das ist das Perfideste an dieser ziemlich dreisten Schuldumkehr, sind nicht zähe Bürokraten in den Behörden der Bundesländer die Ursache für den Rückführungsstau. Sondern abermals die Fehler, die Merkel in den entscheidenden Tagen und Wochen des Jahres 2015 begangen hat. Zu jener Zeit sind Leute ohne Pässe und ohne jede erkennungsdienstliche Ermittlung (Fingerabdrücke, Handychecks) über ihre behauptete Herkunft ins Land gelassen worden. Das wiederum gibt den (vermuteten) Herkunftsländern nun die Möglichkeit an die Hand, die Annahme dieser Rücksendung schlicht und ergreifend mit dem Vermerk zu verweigern, dass die betreffende Person gar nicht aus Tunesien oder Marokko oder sonstwoher stammt. So war das beispielsweise im Fall des überwachten Attentäters Anis Amri. Auch der Betrug zur mehrfachen Erschleichung von Sozialbezügen hat in dieser haarsträubenden Praxis der ersten Wochen und Monate seinen Ursprung.
Ein Hauch von Schwielowsee
Es hat eine Weile gebraucht, bis ins breitere Bewusstsein der Bevölkerung vorgedrungen ist, von welcher Dimension diese Merkelsche Fehlleistung war. Wer daran immer noch Zweifel hat, sollte sich den 13. März vormerken. An dem Tag erscheint ein hervorragend recherchiertes Buch eines kundigen Kollegen über die entscheidende Phase 2015/2016, das keine Fragen mehr offen lässt.
„Der Fehler ist gemacht“, drosch Müntefering seinerzeit in seine „Erika“. Der Ausgang der Causa Beck ist bekannt und verbindet sich mit dem Namen eines Idylls südwestlich von Berlin. Ein Hauch von Schwielowsee liegt über der CDU.