
- Versuchter Wortmord
In der Politik ist die Wortwahl entscheidend. Ein gutes Wort für eine gute Sache zu finden, darauf kommt es an. Schlechte Worte können hingegen töten, zum Beispiel eine gesunde Diskussionskultur. Das zeigt die Neuschöpfung „neurechts“
Am Anfang jeder Politik steht das Wort. Seine Wahl entscheidet oft schon vor der inhaltlichen Auseinandersetzung über deren Ausgang. Denn es gibt gute Worte und schlechte Worte. Besser ist es immer, für seine Sache ein gutes Wort zu finden. Das ist schon der halbe Erfolg.
„Flüchtling“ zum Beispiel ist ein gutes Wort, auch wenn manche finden, es sei zu pejorativ und man sollte lieber „Geflüchteter“ sagen. „Migrant“ hingegen ist per se kein so gutes Wort, weil es nicht über alle Zweifel erhaben ist, was die Motivation der betreffenden Person anlangt.
Gute und schlechte Worte
„Kopfpauschale“ ist ein schlechtes Wort, „Bürgerversicherung“ ein gutes, obwohl systematisch beiden Begriffen eine ähnliche Idee zugrunde liegt. Wer in Deutschland eine Kopfpauschale einführen möchte, der hat schon verloren. Wer eine Bürgerversicherung anstrebt, hat hingegen eine gute Startposition im Kampf der Meinungen. „Die Wörrrterrr.....! Und ihre Bedeutung....!“, sang schon Nina Hagen mit ihrem unnachahmlichen rollenden R bedeutungsschwer.
Neulich hat der Kollege Dirk Kurbjuweit vom Spiegel eine treffende Bemerkung gemacht. In seiner „Morgenlage“ beschrieb er einen neuen Kulturkampf, den er am Amtsantritt des österreichischen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen festmachte. In der vorausgegangenen knappen Wahl zwischen dem Grünen und dem Kandidaten der FPÖ sah Kurbjuweit exemplarisch die politische Auseinandersetzung unserer Tage gespiegelt. „Wir stecken in einem neuen Kulturkampf“, schrieb er, „das grüne gegen das neurechte Denken.“ In Österreich habe diesen Kampf noch einmal grün gewonnen.
Worte können töten
Worte sind Waffen. Sie können töten. Während „grün“ ein schönes Wort ist (es klingt nach pflanzlichem Wachstum, frischer Luft und Hoffnung), ist „neurechts“ ein furchtbares Wort. Irgendwann tauchte es auf, weil man sich neue politische Frontverläufe sonst schlecht erklären konnte. „Neokon“ war schon verbraucht und verbunden mit dem Namen des ehemaligen amerikanischen Präsidenten George W. Bush. Also nannte man kurzerhand alles neurechts, was nicht mit der Flüchtlingspolitik Angela Merkels einverstanden war. Egal, ob die Kritik von der Linken Sahra Wagenknecht, vom Grünen Boris Palmer oder vom Historiker und Herzens-Sozialdemokraten Heinrich August Winkler vorgetragen wurde.
Früher Neonazi, heute neurechts
Die Vokabel neurechts stigmatisiert. Sie ist versuchter Wortmord. Wer mit ihr bedacht wird, der hat es schwer, sich aus der Defensive zu befreien. Seine Argumente zerschellen leicht an diesem Wortfelsen, seine Motive stehen unter schwerstem Verdacht. Denn neurechts ist im allgemeinen Verständnis das neue Wort für das, was früher Neonazi hieß. Man muss schon von hoher Eloquenz und innerer Standfestigkeit sein, sich diesem Kampfbegriff nicht zu ergeben. Sondern sein Recht auf inhaltliche Kritik unbeirrt in Anspruch zu nehmen.
Vor einigen Monaten hatte ich in einer Talkshow eine heftige Auseinandersetzung mit dem Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit. Es dauerte keine zwei Minuten, und er war bei Adolf Hitler angelangt. Ich verbat mir diesen Vergleich in der Sendung und sagte hinterher zu ihm: „Nicht jeder, der nicht Ihrer Meinung ist, lieber Herr Cohn-Bendit, ist automatisch ein Nazi.“ Im Kulturkampf dieser Tage mit niederträchtigen Mitteln und Mustern zu arbeiten, ist beileibe kein exklusives Merkmal von Frauke Petry und ihren Mannen. Hetze gibt es auch in Grün.