Strahlender Sieger: Armin Laschet / dpa

Armin Laschets Sieg über Merz - Wie hat er das nur geschafft?

Friedrich Merz galt als großer Favorit der Basis, Armin Laschet hingegen sah bis zuletzt wie der sichere Verlierer aus. Und doch kam es beim Parteitag ganz anders. Für den Sieg des NRW-Ministerpräsidenten gibt es allerdings gute Gründe.

Autoreninfo

Stefan Dietrich leitete bis 2011 das Ressort Innenpolitik bei der FAZ und lebt heute als Publizist in Celle

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Wie mag das zugegangen sein? Elf Monate lang sah Armin Laschet nicht wie ein Sieger aus. Im Gegenteil: Im Frühjahr schien zunächst der Überraschungskandidat Norbert Röttgen, der als erster seinen Hut in den Ring geworfen hatte, der Favorit der breiten Wählermasse, besonders der weiblichen, zu sein. In Umfragen lag er mal knapp vor mal knapp hinter Friedrich Merz, der damals an die vierzig Prozent Zustimmung als Parteivorsitzender erhielt.

Laschet schob sich an die beiden etwas heran, als er Jens Spahn eingefangen und vor seinen Wagen gespannt hatte. Dennoch rangierte er das ganze Jahr über ziemlich abgeschlagen auf dem dritten Platz, während Merz seine Beliebtheitswerte vor allem an der CDU-Basis festigen und ausbauen konnte. Im ersten Wahlgang am Samstag war dieser Vorsprung plötzlich fast auf Null geschrumpft Und im Finish setzt sich Laschet deutlich von ihm ab. Deutlicher als Annegret Kramp-Karrenbauer 2018, die Merz nur um Haaresbreite schlagen konnte. 

Wer hat es gedreht?

Wie hat er dieses Rennen auf den letzten Wochenmetern gedreht? Wer hat es gedreht? Laschets Bewerbungsrede am Samstagmorgen allein wird es nicht gewesen sein. Auch wenn sie sicher seine beste in diesem eher lang- als kurzweiligen Wahlmarathon war – die anderen beiden haben ihre Sache nicht viel schlechter gemacht.

Es war Jens Spahn, der das gar nicht so verborgene Geheimnis lüftete. In der Talk-Runde nach der Vorstandswahl sagte er: „Wir alle haben sehr viel in diesen Wochen miteinander telefoniert“. Na klar doch – Delegiertenmassage ist das A und O! Das war schon Helmut Kohls Paradedisziplin, und in diesem Fach war Laschet den beiden anderen die ganze Zeit weit voraus. Egal, wie gut Röttgen die sozialen Medien bespielte, egal, wie viele Freunde Merz in der Wirtschaft hat – den kurzen Draht zu den Leuten, auf die es am Samstag ankam, hatten Laschet und seine Helfer.

Für alle drei war das Setting, die Laboratmosphäre eines virtuellen Parteitags ohne direkten Kontakt zum Publikum, ein schweres Handicap, auch für die Strippenzieher in der Parteizentrale und in den Landesverbänden. Tausend Delegierte, die man nicht mal eben am Vorabend in geselliger Runde einnorden kann, sondern die stattdessen im entscheidenden Moment isoliert in ihren Kämmerlein sitzen und sich ihre ganz eigenen Gedanken machen, sind für jeden Funktionär ein Albtraum. Also musste vor dem Termin ganze Arbeit geleistet werden. Es durfte nur nicht so auffallen. Man konnte den Angstschweiß der Angesprochenen riechen, als Merz Ende Oktober „beachtliche Teile des Parteiestablishments“ beschuldigte, ihn verhindern zu wollen. Gut möglich, dass damals die Arbeit noch nicht ganz getan war.

Die Stimmung war diesmal ganz anders

Freilich gibt es jenseits von Verschwörungsgeraune gute Gründe, warum Laschet und nicht Merz das Rennen gemacht hat. 2018, als Merz es aus dem Nichts beinahe an die Spitze der CDU geschafft hätte, war die Lage der Partei komplett anders als heute. Nach mehreren Wahlschlappen der CDU herrschte an der Basis eine fast endemische Anti-Merkel-Stimmung, und Merz war der Kandidat der Überdrüssigen. Er blieb es nach seiner Niederlage, als AKK mit wenig Fortune um Autorität rang. Und er war es immer noch, als die neue Vorsitzende das Handtuch warf. Doch als viele glaubten, jetzt werde Merz' Stunde schlagen, änderten sich die Vorzeichen. 

In der Corona-Pandemie zeigte Merkel Führung, die Umfragewerte der CDU stiegen in lange nicht mehr gesehene Höhen, der Überdruss an ihr war plötzlich verraucht – und damit auch die Trumpfkarte entwertet, die Merz am Samstag noch einmal ausspielte, indem er seinen Führungsanspruch in den Mittelpunkt seiner Rede stellte. Als hätte er nicht mitbekommen, was sich inzwischen getan hat, empfahl sich Merz noch einmal als Remedur gegen Merkels Schwäche von gestern.

Laschet dagegen, dem das Etikett „Merkelianer“ lange wie ein Kaugummi an den Schuhsohlen klebte, tat gut daran, es sich ans Revers zu heften.

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Dorothee Sehrt-Irrek | Sa., 16. Januar 2021 - 20:03

und Merz dürfte das auch klar gewesen sein.
Ich bin eher überrascht, wie gut er doch noch abgeschnitten hat.
Das muss kein Nachteil für Laschet sein, zu beiden Seiten hin ein Polster zu haben.
Laschet hat in dem Sinne evtl. keine politische Grandezza, er ist vielleicht eher ein guter und treuer Arbeiter im Weinberg seines Herrn und als diesen sieht er evtl. sogar auch die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland an.
Auch, schreibe ich, denn ich glaube, dass Laschets Gottesfürchtigkeit sehr viel zu seiner inneren Festigkeit beiträgt.
Er wirkt gefestigt, eigentlich wie Scholz auch.
Das kann noch viel bewrken für unser Land.

Klaus Funke | Sa., 16. Januar 2021 - 20:23

Mit Merkels Schläue. Man nehme einen Alibi-Kandidaten (Röttgen), von dem klar ist, dass er in der ersten Runde ausscheidet und der dann seine Wähler auf den Kandidaten Laschet einschwört. Vorausgesetzt, der böse Merz schafft in der ersten Runde nicht die absolute Mehrheit. Aber damit war nicht zu rechnen. Dann nehme man noch einen Joker, der abhängig und gehorsam ist (Spahn) und der die Stimmung nochmal für den Wunschkandidaten (Laschet)anheizt. Und schon ist die Sache klar und abgehakt. Alles nach Plan verlaufen. Merkel reibt sich die Hände. Nun ist die Nachfolge klar, die CDU bleibt in ihrem Einflussgebiet, Söder wird Kanzler. Der steht schon bereit. So geht Parteiendemokratie in Deutschland. Man kann sich nur wegdrehen. Merkel wird im Sommer in Richtung UNO-Generalsekretariat ihre nächste Karriere-Etappe in Angriff nehmen. Deshalb, und damit auch nichts mehr aufgeweicht und kontrakariert werden kann, gibt es die Lockdownverschärfung, wiewohl alle Zahlen nach unten zeigen. Sieg!

Merz hat verloren, obwohl er bei den Umfragen vorne lag. Seine ganzen Kontakte zu den Wirtschaftsgrößen haben ihm nicht genutzt und sein Willen das Land wieder nach vorne zu bringen auch nicht. Er hat verloren, weil Laschet mit den Delegierten besser Netzwerken konnte und das anscheinend lange vor diesem Parteitag. Es ging wahrscheinlich um das Behalten von Pöstchen und Privilegien der Delegierten. Um das Wohl der CDU-Wähler ging es bei dieser Entscheidungsfindung bestimmt nicht, auch wenn es denen ständig vorgegaukelt wird.

Man muss nicht alles zweimal schreiben, wenn einer schon alles zum Thema gesagt hat. Ihre Meinung ist auch die meine, wobei ich glaube, dass es keine Wahlen dieses Jahr geben wird. Das ist aber meine ganz persönliche Sichtweise. Ich mag mich zwar irren, aber wie heißt es so schön: "Der Teufel ist ein Eichhörnchen".

Es ist auch denkbar, dass Merz Opfer des Digital-Parteitags wurde . Wenn Spahn nicht aus der Kiste hätte auftauchen können, sondern vor Publikum ans Mikrophon getreten wäre, hätte er wohl an Ort und Stelle den Gegenwind und Unmut vieler Delegierter hinnehmen müssen. Incl. entsprechender Berichterstattung der Medien. So konnte er unangefochten aus dem "Off" die Getreuen bei der Stange halten. Hat nicht eine Hintergrund-Regie bei ähnlicher, unerwarteter Aktion Prominenteren schon das Mikro abgeschaltet.!?...

Fritz Elvers | Sa., 16. Januar 2021 - 23:13

Laschet wird bei den Verhandlungen mit den Günen keine Nervenzusammenbrüche erleiden und ganz sicher nicht mit der AfD verhandeln.
Das Vertrauen habe ich jedenfalls, da ich diesmal die SPD einfach nicht wählen kann, trotz Heil. Laumann wäre auch in dem Team, sozusagen als soziales Gewissen.

Merz soll erstmal zeigen, was er kann. Als Wirtschaftsminister in der Not.

Also, let it be (Laschet mal gut sein).

Norbert Heyer | So., 17. Januar 2021 - 04:52

Frau Merkel ist die schlimmste Katastrophe, die der CDU widerfahren konnte. Trotzdem zolle ich ihr allergrößten Respekt ob ihrer Gerissenheit und taktischen Fähigkeiten. Sie wollte -musste- Herrn Merz mit allen Mitteln als Parteivorsitzenden verhindern, er hätte ihr Endziel -links-grünes Bündnis zur kompletten Umgestaltung Deutschlands- stark gefährdet. Sie hat Herrn Spahn als Wegbereiter von Herrn Laschet installiert, Herrn Röttgen als ungefährlichen Kandidaten toleriert und Herrn Merz unnachahmlich torpediert. Es ist alles wieder in ihrem Sinne, jetzt noch die Corona-Maßnahmen „straffen“ und es damit allen wieder unmissverständlich zu demonstrieren: Ich bin die größte, beste und unerreichte Politikern, die es jemals gab. Sie wird es auch irgendwie drehen, dass die Union den bayerischen Kollegen zum Kanzlerkandidaten kürt. Dann hat sie nämlich wieder alle wie Marionetten vorgeführt und kann, wenn es nicht gut läuft, doch noch einmal aus „Staatsräson“ zum besten Deutschlands antreten.

Gerd Möller | So., 17. Januar 2021 - 05:57

Es ist sehr bemerkenswert und bitter zugleich zu erleben, wie ohne Rücksicht auf die Basis, deren Vorzug für Merz sich in allen Umfragen widerspiegelte, die Delegierten sich in deutlicher Form für Laschet entschieden haben! Es bleibt nur die Gewissheit, dass es in den 'vielen Telefonaten' nur um Posten und Pöstchen gegangen ist!
Laschet mag zwar gewonnen haben, aber der Verlierer heißt CDU; bei den kommenden Wahlen werden wir erleben, dass sowohl die FDP, die AfD und auch die Nichtwähler einen Zulauf zu Lasten der CDU bekommen werden! GrünRotDunkelrot ist die Zukunft!

Die Basis oder der Pöbel war den Delegierten völlig egal. Posten behalten war angesagt.
Aber der Wurm muss dem Fisch (Wähler) schmecken und nicht dem Angler. Ich glaube auch mehr Nichtwähler, mehr zur AFD.
FDP eher weniger.
Und wenn es so kommt wäscht Merkel ihre Hände in Unschuld.
Aber irgendwo in mir grummelt es. Der deutsche Michel vergißt zu schnell. Der Untergang ist im Gange.

helmut armbruster | So., 17. Januar 2021 - 07:55

so nennt man in Italien einen Dauergrinser, der anscheinend immer hervorragende Laune hat und ggü jedermann nur Zuversicht ausstrahlt.
Was sich hinter einer solchen Fassade verbirgt kann man nicht erkennen. Vorsicht ist angebracht und man sollte sich aber nicht von der Fassade täuschen lassen und mit allem rechnen.

Arminius, wen wird er wohl verraten, die Kaiserin oder das Volk ?

Annette Seliger | So., 17. Januar 2021 - 08:51

... und wir werden sehen was diese Farce der CDU schon bei der nächsten Landtagswahl in BW und RP bringt. Wenn man sich das Ergebnis anschaut, dann versteht man warum es eine so tiefe Spaltung in der Gesellschaft gibt - wenn noch nicht einmal eine sog. "Volkspartei" wie die CDU es schafft, den Willen der Basis auch in der Führung widerzuspiegeln. Es ist eine sondere Melange, die sich da bei der CDU gebildet hat, und die letzten Monate von Merkel lassen Parallelitäten zu Kohl aufkommen. Waren es bei ihm die "Bimbeskassen", die ihm den Machterhalt sicherten, so sind es die prallen Fleischtöpfe, die winken, wenn man sich der Kanzlerin nicht widersetzt. Wir werden sehen was in BW und RP passiert, denn da wird der Souverän seine Meinung zu dieser Charade abgeben. Sollte der Zorn der CDU Basis sich an der Wahlurne seinen Weg bahnen, dann kommt richtig Dynamik bei der CDU auf. Die SPD übrigens wird nach meiner Ansicht davon nicht profitieren.

Benno Pluder | So., 17. Januar 2021 - 09:00

Wie er das geschafft hat? Ganz einfach, mit den Stimmen der Delegierten.
Die haben noch nie die Basis repräsentiert.
Deren Favorit war ganz klar Merz.

Werner Peters | So., 17. Januar 2021 - 10:28

Das stimmt so nicht. Merz war immer die Nummer 1 bei den CDU-Wählern und Sympathisanten, Laschet dagegen immer die Nr. 1 bei den Funktionären, und die haben gewählt. Bei der BT-Wahl bestimmen dagegen die Wähler.