
- „Wir werden nicht nachgeben“
Die österreichische Hauptstadt ist Schauplatz von islamistischem Terror geworden. Vier Menschen starben, viele weitere wurden verletzt. Der Täter, offenbar ein IS-Anhänger, wurde von der Polizei erschossen. Der Mordakt soll nach den Taten von Nizza, Dresden und der Enthauptung eines französischen Lehrers die ohnehin angespannte Situation weiter verschärfen.
Jetzt also Wien. Der islamistische Terror setzt, nach den jüngsten Anschlägen in Nizza, Dresden und der Enthauptung eines Lehrers nahe Paris, seine Blutspur durch Europa fort. Ob die jeweiligen Täter auf ein Unterstützerumfeld bauen konnten, ob es sich womöglich um gezielt auch von außen gesteuerte Mordaktionen gehandelt hat, ist weiterhin unklar.
Aber man muss davon ausgehen, dass die europaweit ohnehin angespannte Lockdown-Situation von Religionsfanatikern dazu genutzt werden soll, um die in der Pandemie ohnehin bestehende Angst weiter zu schüren und unsere freiheitlich-demokratisch verfassten Gesellschaften zu destabilisieren. Insofern besteht ganz offensichtlich ein innerer Zusammenhang zwischen den Anschlägen der vergangenen Tage und Wochen.
Wohnung aufgesprengt
Gestern Abend zogen mindestens ein, vielleicht auch mehrere Täter, mit einem Gewehr durch die Innenstadt der österreichischen Metropole und schossen dabei wahllos auf Passanten. Vier Menschen kamen dabei ums Leben, der Täter selbst wurde von Sicherheitskräften liquidiert. Bei letzterem handelt es sich nach Angaben des österreichischen Innenministers Karl Nehammer um einen Sympathisanten der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Nach möglichen Mittätern wird zur Stunde immer noch gefahndet; die Wohnung des Attentäters wurde in der Nacht aufgesprengt und eine Hausdurchsuchung durchgeführt. Weitere Details wollte Nehammer bei seiner Pressekonferenz am frühen Dienstagmorgen wegen der laufenden Ermittlungen nicht nennen. 17 Menschen wurden bei dem Terrorangriff verletzt, einige offenbar schwer.
Die Wiener Innenstadt bleibt für den öffentlichen Nahverkehr vorerst gesperrt, die Schulpflicht wurde für den heutigen Tag ausgesetzt. Die Polizei vor Ort hat Unterstützung von Kollegen aus den umliegenden Bundesländern erhalten, auch das Militär ist im Einsatz. Nach Angaben von Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz ist der Anschlag sehr gut vorbereitet gewesen. Kurz wird heute Vormittag um zehn Uhr eine Pressekonferenz abhalten und dabei aller Voraussicht nach die weitere Reaktion der Regierung auf den Terrorakt skizzieren. Der Innenminister hat bereits schwere Konsequenzen angekündigt, man werde sich so etwas „auf keinen Fall gefallen“ lassen. Die Situation in Wien ist zur Stunde extrem angespannt.
Insgesamt sechs Tatorte
Vieles ist noch unklar. Der Terrorakt erstreckte sich auf insgesamt sechs Tatorte und begann in der Nähe der Hauptsynagoge an der Seitenstettengasse. Ob sie das Hauptziel des Attentäters war, ist offen. In den Jahren 1979 und 1981 war der sogenannte Stadttempel im ersten Wiener Gemeindebezirk von palästinensischen Extremisten heimgesucht worden; beim Anschlag vom 29. August 1981 kamen zwei Menschen ums Leben, weitere 21 wurden teilweise schwer verletzt. Vor diesem Hintergrund liegt die Vermutung nahe, dass der IS-Mörder ein bewusstes Zeichen setzen wollte. Nach Angaben des österreichischen Innenministeriums wurden am Dienstagmorgen mehrere Personen aus dem Umfeld des Täters festgenommen.
Eine Gruppe von 35 Sicherheitskräften war die Nacht über unter Hochdruck damit beschäftigt, Videos auszuwerten, die Zeugen von dem Tathergang gemacht hatten. Eine Filmaufnahme aus der Seitenstettengasse zeigt einen mit einem Gewehr bewaffneten Mann, der auf einen vor einem Lokal stehenden Zivilisten schießt, welcher daraufhin zusammenbricht. Wenig später kehrt der Täter zurück und schießt mit einer Pistole aus kurzer Distanz ein zweites Mal auf das am Boden liegende Opfer.
Synagoge als Ziel?
Ein Augenzeuge, der in der Gegend der Synagoge wohnt, berichtete von „mindestens einem Angreifer“, der auf die Gäste vor den Bars und Pubs im innerstädtischen Ausgehviertel geschossen habe. Daraufhin seien die Menschen panisch in die Lokale gerannt, der oder die Angreifer hinterher, so Schlomo Hofmeister, der in der Gegend der Synagoge wohnt, gegenüber der Zeitung Die Presse. Laut Hofmeister wurde auch in den Bars noch geschossen. Er habe die Polizei gerufen, die „ewig nicht gekommen“ sei – dann aber mit Spezialeinheiten. „Plötzlich waren in den Hauseingängen überall Sondereinheiten positioniert. Die Polizei hat nach eventuellen Verletzten gerufen.“
Der Großeinsatz lief die ganze Nacht über, insgesamt waren 250 Sondereinsatzkräfte beteiligt, außerdem mehrere Hundert Streifenpolizisten sowie Kräfte in zivil. Soldaten übernahmen den gesamten Objektschutz in Wien, um die Polizei zu entlasten, Teile des Jagdkommandos wurden zur Unterstützung der Terrorismusbekämpfung bereitgestellt. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron wandte sich per Twitter in deutscher Sprache an die Österreicher: „Wir, Franzosen, teilen den Schock und die Trauer der Österreicher nach einem Angriff in Wien. Nach Frankreich ist es ein befreundetes Land, das angegriffen wird. Dies ist unser Europa. Unsere Feinde müssen wissen, mit wem sie es zu tun haben. Wir werden nichts nachgeben“, schrieb Macron im Wortlaut.
Auch die deutsche Bundeskanzlerin meldete sich zu Wort: „Wir Deutschen stehen in Anteilnahme und Solidarität an der Seite unserer österreichischen Freunde“, schrieb sie. „Der islamistische Terror ist unser gemeinsamer Feind. Der Kampf gegen diese Mörder und ihre Anstifter ist unser gemeinsamer Kampf“, so Angela Merkel am Dienstagmorgen.