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Was lange währt: Die Inbetriebnahme des BER wurde lange erwartet, doch ist jetzt alles gut?

Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens - Quo vadis, BER?

Der BER ist endlich fertig und geht in Betrieb. Doch er wird noch lange auf schwarze Zahlen warten müssen. Für den Steuerzahler wird das teuer. Und wie geht es mit der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg (FBB) weiter, dem Eigentümer des BER?

Karl Heinz Wolf

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Karl-Heinz Wolf ist Wirtschaftsprüfer und ehemaliger Partner einer mittelständischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Außerdem ist er langjähriger Direktor der Wirtschaftsprüfervereinigung „Morison International“ in London, für die Regionen Europa und Nordamerika sowie Dozent an der Universtity of Applied Science in Saarbrücken für den Fachbereich Konzernrechnungslegung. Wolf ist Autor im Stollfuß- und Sparkassenverlag.

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Hans Georg Gemünden ist emeritierter Professor für Technologie- und Innovationsmanagement an der TU Berlin. 

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Fakt ist, dass die mehr als sechs Milliarden Baukosten und die erheblichen Umsatzausfälle durch die stark verzögerte Fertigstellung die FBB stark belasten. Die FBB musste trotz erheblicher Einlagen der drei Eigentümer Bund, Berlin und Brandenburg bis Ende 2019 über vier Milliarden Schulden aufnehmen. Im letzten Jahr betrug die Schuldenaufnahme weitere 400 Millionen Euro. Diese Schulden bewirkten von 2005 bis 2019 Zinsaufwendungen, die nicht in den Herstellungskosten enthalten sind, von über einer Milliarde Euro. Hinzu kommen die Ausgaben für noch nicht ausgeführte passive Schallschutzmaßnahmen in Höhe von 366 Millionen Euro. Die Gesamtkosten des BER liegen damit deutlich über sieben Milliarden Euro.

Für dieses Geld hätte man zwei, vielleicht sogar drei Flughäfen bauen können. Es ist aber nur ein Flughafen gebaut worden – und dieser eine Flughafen soll nun die Kosten von mehr als zwei Flughäfen einspielen. Wie kann das gehen?

Wie steht es um die Refinanzierung?

Um diese Frage zu beantworten, muss man sich zunächst die Passagierzahlen anschauen. Das neue BER-Hauptterminal ist für 24 Millionen Passagiere ausgelegt. 2019 wurden in Tegel 24.227.570 Passagiere abgefertigt. Das neue Hauptterminal schafft damit noch keine zusätzliche Kapazität, es ersetzt nur den alten Flughafen Tegel. Das mittlerweile ebenfalls fertiggestellte Terminal 2 hat eine Abfertigungskapazität von sechs Millionen Passagieren.

Es hat statt der geplanten 100 Millionen Euro mittlerweile 200 Millionen Euro gekostet. Wenn man nur dieses Terminal gebaut hätte, dann wäre es kein Problem gewesen, die Investitionskosten wieder einzuspielen. Aber man hat eben das Hauptterminal mit sehr vielen Zusatzkosten gerettet. Das preiswerte Terminal 2 bleibt vorerst geschlossen, denn hier schlägt jetzt die Coronapandemie zu, und es kommen nicht genügend Passagiere. Die Kapazitätserweiterung kann also noch nichts zur Refinanzierung beitragen.

Auswirkungen der Corona-Pandemie

Wir haben im April 2020 eine Studie in der Zeitschrift P.M aktuell publiziert, in der wir die Entwicklung der wirtschaftlichen Lage der FBB für die Jahre 2019 bis 2023 prognostiziert haben. In der Studie werden vier Szenarien unterschieden:

– Zwei Szenarien bei denen eine konjunkturelle Abschwächung angenommen wird und 

– Zwei Szenarien, bei denen die Wirkungen der Corona-Pandemie modelliert werden.

Damit können wir abschätzen, wie stark sich die Corona-Pandemie auf die wirtschaftliche Entwicklung der FBB auswirkt – im Vergleich zum bisher erwarteten Konjunktureinbruch. Die jeweils zwei Szenarien in den beiden Welten ohne und mit Corona-Pandemie unterscheiden sich dadurch, wie stark der Rückgang der Passagiere im Jahr 2020 ausfallen wird und wie rasch die Passagierzahlen in den Jahren 2021 bis 2024 wieder zunehmen werden. 

Da mittlerweile die Passagierzahlen für die Monate März bis September 2020 vom Flughafenverband ADV publiziert wurden, können wir ein weiteres, fünftes Szenario bilden, das diese Informationen nutzt. Die Fortschreibung dieses Szenarios führt zu deutlich geringeren Passagierzahlen als bei den anderen Szenarien. 
Die nachfolgende Graphik zeigt, wie sich die Passagierzahlen bei diesen fünf Szenarien entwickeln. 

Entwicklung der Passagierzahlen

Hoher ungedeckter Kapitaldienst

Die nachfolgende Tabelle zeigt die Entwicklung der Finanzlage für die Jahre 2019 bis 2023 für die damals analysierten vier Szenarien. Der Cash Flow aus laufender Geschäftstätigkeit sollte positiv sein und ausreichen, um mindestens die Zinsen auf das Fremdkapital und die vereinbarten Kredittilgungen zu decken. Damit wären aber noch nicht Ausschüttungen, Reinvestitionen und Risikovorsorge abgedeckt.

Wir sehen jedoch, dass dieser Saldo nach Berücksichtigung des Kapitaldienstes (Zins + Tilgung) bei allen vier Szenarien negativ ist, das heißt die Schulden können nicht abgebaut werden, sie steigen vielmehr noch weiter an, und zwar um über eine Milliarde Euro bei den beiden Corona-Szenarien. Wir wissen heute, dass diese beiden Szenarien zu optimistisch waren. Wir erwarten beim Szenario 5 in 2023 deutlich weniger Passagiere und müssen daher auch von einem noch höheren ungedeckten Kapitaldienst ausgehen.

Entwicklung der Finanzlage

FBB muss weitere Kredite aufnehmen

Wir nehmen in unseren Prognosen an, dass die FBB in den Jahren 2020 bis 2023 weitere Anleihen und Finanzkredite aufnehmen muss, um eine Insolvenz aus Illiquiditätsgründen zu vermeiden. Berücksichtigt man diese Kreditaufnahmen und die Veränderungen der flüssigen Mittel, dann ergibt sich ein geschätzter Kapitalbedarf von 1,682 bzw. 1,802 Milliarden Euro für die Jahre 2019 bis 2023.

Der Kapitalbedarf beim Szenarium 5 dürfte über 2 Milliarden Euro liegen. Damit ist dann aber nur der Kapitaldienst gedeckt. Ausschüttungen, Reinvestitionen und Risikovorsorge bleiben außen vor und man darf nicht vergessen, dass ohne eine erhebliche „Erholung“ für die Jahre nach 2023 der Kapitaldienst weiterhin nicht gedeckt werden kann und sich damit der Schuldenaufbau auch nach 2023 fortsetzt.

Zwischenzeile 

Die Ergebnisse unserer Studie haben heftigen Widerspruch ausgelöst. René Althammer und Susanne Opalka vom RBB schreiben in einem Beitrag vom 11. Juni 2020: „Eine der Kernaussagen des Flughafenchefs: Die Studie sei eine 'Milchmädchenrechnung' und 'dilettantisch', da der Anstieg der Entgelte aus dem Flugverkehr für den neuen BER, also der größte Teil der prognostizierten Einnahmen, vernachlässigt worden sei. Im rbb-Fernsehen erklärte Lütke Daldrup am 7. Mai: „In Wirklichkeit sind die Entgelte am BER 70 Prozent höher.“

Rechnungen mit unterschiedlichen Ergebnissen

Am 15. Mai tritt der Aufsichtsrat zusammen: „Anhand eines Airbus wird beispielhaft berechnet, wieviel mehr die Airlines zukünftig bezahlen werden. Von 70 Prozent ist im Schaubild jetzt nicht mehr die Rede: Im Vergleich zu Schönefeld sollen es 46 Prozent und im Vergleich zu Tegel 42 Prozent mehr sein.“

„rbb24 Recherche“ hat erstmals mithilfe der öffentlich zugänglichen Daten und nach Hinweisen durch die FBB nachgerechnet. Um die Aussagen der FBB-Geschäftsführung nachvollziehen zu können, rechnen wir wie auch die FBB mit einem Beispiel-Flugzeug: dem Airbus A-320, mit 180 Sitzplätzen und einer Auslastung von 80 Prozent, also 144 Passagieren.

Doch wir kommen zu einem anderen Ergebnis: um maximal 23 Prozent steigen die Entgelte im Vergleich zu Tegel, für Schönefeld noch weniger. Auch der Bundesverband der deutschen Fluggesellschaften (BdF), die Interessenvertretung der Airlines, kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Im Vergleich zu Tegel steigen die Einnahmen am neuen BER-Terminal um „maximal 25 Prozent.“

Entgelterhöhung nicht die Lösung

Die Festlegung der Gebühren ist nicht nur ein politisches und rechtliches Problem, sondern auch ein ökonomisches. Sowohl die Passagiere als auch die Airlines haben Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Von den Airlines durchgereichte höhere Preise würden dazu führen, dass weniger Passagiere von Berlin aus fliegen, so dass eine Entgelterhöhung noch keine Umsatzerhöhung bedeutet. Bei den vielen preisempfindlichen Reisenden der FBB ist dieser Dämpfungseffekt besonders stark. Ob die Airlines selbst Preisanhebungen hinnehmen bleibt fraglich. 

Nachweispflicht liegt bei der Flughafengesellschaft

Die Nachweispflicht für die Umsatzprognosen liegt jedoch weder bei den Journalisten, noch bei uns Autoren. Sie liegt bei der Geschäftsführung der FBB. Uns scheint es dringend geboten, dass die Umsatzprognosen der FBB von einer kompetenten unabhängigen Instanz überprüft werden und den Entscheidungsträgern in den Parlamenten zur Verfügung gestellt werden. 

All diese Tatbestände waren schon lange vor Corona bekannt. Die Pandemie verschärft die Krise in existenzbedrohender Weise, ist aber nicht die Ursache für die Finanzprobleme.

Schneeballsystem droht 

Wenn wir das günstigste Szenario 1 für die Entwicklung der Passagierzahlen zugrunde legen und davon ausgehen, dass die Umsätze in den Jahren 2021 bis 2023 in jedem dieser Jahre um 25 Prozent höher ausfallen würden, und zwar über die bereits von uns unterstellten 11 Prozent Umsatzwachstum hinaus, dann würde dies zu 323 Millionen Mehreinnahmen führen.

Der ungedeckte Kapitalbedarf im Szenario 1 beträgt aber 953 Millionen. Dies heißt: Auch ohne Corona würde die Verschuldung weiter wachsen, es würden in Zukunft noch mehr Zinsen anfallen. Es würde zu einem „Finanzschneeballsystem“ kommen.

Sanierungskonzept vonnöten

Neben den Finanzflüssen ist auch der Wertverzehr zu berücksichtigen. Auch ohne Corona fallen ab 2021 hohe planmäßige Abschreibungen an. Dringend geboten erscheint eine außerplanmäßige Abschreibung. Bildlich gesprochen, steht der zweite Flughafen leer und ist nichts wert. Mit dieser Wertkorrektur sind im gleichen Augenblick die Schulden nicht mehr durch das Vermögen der FBB gedeckt.

Doch auch ohne diese Wertanpassung droht bei allen vier Szenarien ab 2022 eine Überschuldung. Wegen der Corona-Pandemie, die sich aktuell wieder verschärft hat, dürften aber deutlich weniger Passagiere fliegen, so dass sich insgesamt ein deutlich höherer Kapitalbedarf ergibt als wir ihn noch im April prognostiziert hatten. Da es hier um sehr viel Geld geht und eine mögliche Insolvenz einen noch größeren Schadensfall auslösen könnte, halten wir mehr Transparenz und die Erarbeitung eines Sanierungskonzeptes für dringend geboten.

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Urban Will | Sa., 31. Oktober 2020 - 13:53

Natürlich konnte auch die FBB nicht ahnen, was da kommen würde und auch wenn Ihre Zahlen belegen, dass BER auch ohne Corona kaum auf die Füße kommen wird, so glaube ich, dass der durch die politischen Anti – Corona – Maßnahmen verursachte Einschlag bei d Airlines noch gar nicht einschätzbar ist.
Wenn die Strategie fortgesetzter Panik und Hysterie mit weiteren Lockdowns weiterbetrieben wird, werden die Airlines (die nun wirklich völlig unverschuldet in die größte Krise seit ihres Bestehens gedrängt wurden) ohne massivste Unterstützung in großer Zahl verschwinden und die Fliegerei zu einem Luxusprodukt, das sich nur noch wenige werden leisten können.
Die wohl weiterhin von einer links – grünen Chaos-Regierung geführte Hauptstadt wird sich zudem kaum zu einer Industrie – Metropole entwickeln.
So gesehen befürchte ich, man kann BER am besten gleich wieder schließen und einmotten, bis irgendwann, wer weiß, die Zahlen, die man unterstellt, wenigstens in Ansätzen zu erwarten sind.

Romuald Veselic | So., 1. November 2020 - 06:47

Diesmal ist der "Dieselskandal-BER" auf höchster politischer Ebene abgelaufen, mit Kungeleien á la "Sehr arm, aber sehr sexxy", das Musterbeispiel der linken Komplizenschaft u. Klientelismus, wie man es in Diktaturen/Halbdiktaturen kennt. Und dann gehen die D-Qualitätsmedien in die Welt, um Missstände anderswo zu "entdecken"...
Hier wird jeder "Prognose", solange sie aus dem links Politfeld kommt, zu einem sakralen Wert erkoren. Diese/Jede Prognose hat NULL-Wert, solange sie nicht in eidesstattlicher Erklärungsform abgegeben wird. Damit die Prognostiker, bei Nichterfüllung ihrer Prognosen, persönlich dafür haftbar gemacht werden und rechtlich sanktioniert. Dann werden Prognosen als persönliche, nicht validierte Erklärung wahrgenommen, auf der Hören-Sagen-Stufe. Aus dem "Faktenbereich" von Vielleicht, Ja-Aber, Eventuell o. Zirka. Oder der Plan wird als Plan behandelt, der komplett als schiefgegangener Plan abgehakt wird. Siehe: Soll u. Ist.

helmut armbruster | So., 1. November 2020 - 08:00

wo sind heute diejenigen Politiker, die während der Planungs- und Bauphase, die politische Verantwortung inne hatten?
So viel ich weiß, hat keiner für dieses Desaster die Verantwortung übernommen, noch hat ein Gericht einen verurteilt.
Das wirft ein bezeichnendes Schlaglicht auf den Zustand unserer Demokratie.
Wenn politisches Handeln keine Verantwortlichkeit nach sich zieht oder ein Politiker nicht fürchten muss, dass er jemals zur Verantwortung gezogen wird, dann haben wir einen politischen Freiraum für die Politik, welcher den Politikern jedes mögliche Handeln ermöglicht, auch kriminelles Handeln.

Ernst-Günther Konrad | So., 1. November 2020 - 15:45

Die BILD titelt heute eine Meldung, wonach Olaf Scholz erklärt, man hätte noch genügend Reserven. Ich stimme Ihrem Artikel zu nur, wen interessiert das in der Politik gerade? Ein Scheinparlament aus jeglicher Mitentscheidung durch einen Ermächtigungsparagrafen, der rechtlich noch nie geprüft wurde, außer Gefecht gesetzt und eine "Notstandsregierung", die für uns alle denkt und lenkt. Geld spielt doch keine Rolle. Es ist ja nur das Geld von Menschen, die noch gar nicht geboren wurden und diejenigen, die keine ordentliche Schulausbildung wegen Corona haben dürfen, werden es auch nicht richten. Wenn die ganzen Unzulänglichkeiten dieses Flughafenbaus jemals bekannt werden, ein Teil war schon zu lesen, dann sind die verantwortlichen längst aus dem Amt und genießen ihren Ruhestand im Ausland. Solange die Banken Geld haben, haben wir auch Geld sagt die Regierung. Und wenn die Banken nichts mehr haben, ja woher bekommen sie dann die Unterstützung, wenn ein Staat selbst Schulden hat? Komisch.