Parlamentarier im Sejm in Warschau / dpa

Verfassungskrise in Polen - Mann gegen Mann

Polnische Machtkämpfe zwischen Staats- und Ministerpräsidenten gab es auch früher schon. Doch der Disput zwischen Andrzej Duda und Donald Tusk hat eine neue Dimension erreicht. Von einem Gerangel um Kompetenzen kann nicht mehr die Rede sein.

Autoreninfo

Thomas Urban ist Journalist und Sachbuchautor. Er war Korrespondent in Warschau, Moskau und Kiew. Zuletzt von ihm erschienen: „Lexikon für Putin-Versteher“.

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Machtkämpfe zwischen Staatspräsident und Ministerpräsident, die aus gegnerischen politischen Lagern kommen, hat Polen bereits einige erlebt: Lech Wałęsa stritt mit einer postkommunistischen Regierung (1993-1995), sein Nachfolger Aleksander Kwaśniewski mit dem Post-Solidarność-Lager (1997-2001), der Nationalist Lech Kaczyński mit dem Rechtsliberalen Donald Tusk (2007-2010). Doch was sich nun zwischen Präsident Andrzej Duda und dem vor einem Monat an die Spitze der Regierung zurückgekehrten Tusk abzeichnet, ist viel mehr als ein Gerangel um Kompetenzen zwischen den obersten Repräsentanten der Exekutive.

Vordergründig handelt es sich um einen Streit über die politische Zukunft der beiden früheren Geheimdienstchefs Mariusz Kamiński und Maciej Wąsik, die beide als Vertraute Jarosław Kacyżńskis, des Führers der nationalpopulistischen Partei „Recht und Gerechtigkeit” (PiS), gelten. Beide wurden kurz vor Weihnachten von einem Warschauer Gericht wegen Amtsmissbrauchs zu je zwei Jahren Gefängnis verurteilt, der neue Sejm-Marschall Szymon Hołownia erklärte umgehend, dass die erst bei den Wahlen im Oktober errungenen Abgeordnetenmandate der beiden erloschen seien, da laut Verfassung kein Straftäter dem Parlament angehören darf. 

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Karl-Heinz Weiß | Mo., 8. Januar 2024 - 12:40

Ein sehr aufschlussreicher Beitrag. Mit einer vergleichbaren Situation dürfte ab November in den USA zu rechnen sein.
Alte, rachsüchtige Männer. Noch ist Polen nicht verloren.

Tomas Poth | Mo., 8. Januar 2024 - 14:06

Was bahnt sich da an? Eine Zerreißprobe bis hin zum offenen Kampf auf der Straße?
Es hat den Geruch eines Putsches durch die neue Regierung.

Hans Jürgen Wienroth | Mo., 8. Januar 2024 - 14:18

Ich kann zu den Vorgängen in der Vergangenheit Polens nicht viel sagen, dazu wurde zu wenig darüber berichtet, wie übrigens heute auch. Donald Tusk habe ich als „Ratspräsidenten“ nie als „Rechtsliberalen“ gesehen. Was mich an einem demokratischen Prozess in Polen nach dem Regierungswechsel zweifeln lässt, ist die Schnelligkeit, mit der die neue Regierung einen radikalen Umbau vollzieht.

Wer jetzt sagt, das sei für demokratische Verhältnisse notwendig, der stelle sich die Frage, ob man dasselbe Vorgehen bei Übernahme einer konservativen Regierung auch so akzeptiere. Wie groß ist die Macht unserer Medien, die gewiss keine positiven Meldungen über eine „rechte“ Regierung verbreiten würden? Wie neutral sind heute die Verfassungsgerichte, die nicht mehr nach den Buchstaben der Gesetze, sondern nach dem „Zeitgeist“ urteilen? Wie neutral und fair werden die nächsten Wahlen in Polen ablaufen? Das ist die größte Frage, vor der die EU steht.

Chris Groll | Mo., 8. Januar 2024 - 20:45

Da erinnere ich mich wieder an eine Bekannte, eine hochgebildete ukrainische Professorin, die vor Jahren schon vor dem kleinen „Franciszek“ (Donald Tusk) gewarnt hat. Sie kannte ihn persönlich und hatte eine denkbar schlechte Meinung von ihm.
Damals habe ich sie noch nicht verstanden, heute sehe ich, daß sie recht hatte.
Die Polen werden noch merken, was sie da gewählt haben.
Aber es ist wie bei uns. Dummheit und Unwissenheit schützen vor Strafe nicht.
Und zur Gewaltenteilung. Die gibt es bei uns doch auch schon seit längerem nicht mehr.

**"Seit „Ampel“-Amtsantritt gab es fast 80 Treffen von Regierungsmitgliedern und Verfassungsrichtern"** Wenn da dann das gleiche dabei herauskommt, wie damals beim Essen mit Frau Merkel (es ging um die Aussetzung des Grundgesetzes wegen Corona), weiß man Bescheid.
Der totalitären EU geht es, auch bei Polen, nicht um Rechtstaatlichkeit, sondern einfach nur um Durchsetzung ihrer linksgrünwoken Agenda.