Donezk
Ukrainer aus der Nähe von Donezk flüchten sich in westliche Landesteile / dpa

Russland und die Ukraine - Sorge vor einer Flüchtlingstragödie

Die heute begonnene russische Invasion der Ukraine könnte laut einigen Schätzungen Millionen Ukrainer dazu zwingen, ihr Land zu verlassen. Ein Szenario, auf das sich vor allem Polen und andere ostmitteleuropäische Staaten seit einiger Zeit vorbereiten. Doch in Deutschland hat man das Thema ukrainische Kriegsflüchtlinge offenbar lange ignoriert.

Autoreninfo

Thomas Dudek kam 1975 im polnischen Zabrze zur Welt, wuchs jedoch in Duisburg auf. Seit seinem Studium der Geschichts­­wissen­schaft, Politik und Slawistik und einer kurzen Tätigkeit am Deutschen Polen-Institut arbei­tet er als Journalist.

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Als es 2015 und 2016 darum ging, die damals ankommenden Flüchtlinge aus Syrien und anderen Ländern des Nahen Ostens aufzunehmen, gehörte Polen zu den EU-Staaten, die sich am lautesten gegen deren Aufnahme wehrten. Nach dem Terroranschlag von Paris im November 2015 erklärte die damalige Ministerpräsidentin Beata Szydło sogar, auch jene 7500 Flüchtlinge nicht ins Land zu lassen, zu deren Aufnahme sich die Vorgängerregierung von Ewa Kopacz nach langen Verhandlungen mit den EU-Partnern und großem Widerstand bereit erklärt hat. Als Begründung diente der nationalkonservativen Regierung nicht nur die Sorge um die Sicherheit der polnischen Bürger, sondern auch der Verweis auf angeblich eine Million ukrainischer Flüchtlinge, die Polen seit der Annexion der Krim und dem Ausbruch des Krieges im Donbass im Jahr 2014 aufgenommen haben will.

Und auch wenn dieses Narrativ sogar teilweise den Sprung in den Westen schaffte, so war die Behauptung doch eine Lüge. Von den insgesamt 4860 Ukrainern, die sich 2014 und 2015 offiziell um einen Flüchtlingsstatus in Polen bemühten, bekam kein einziger diesen zugesprochen. Die überwiegende Mehrheit der in Polen lebenden Ukrainer, laut Schätzungen bis zu 1,3 Millionen, sind Arbeitsmigranten. Dies war 2015 der Fall, dies ist heute der Fall. Seit den 1990er-Jahren ist das Land mit seiner von Jahr zu Jahr immer mehr boomenden Wirtschaft für die Ukrainer zu einem attraktiven Ziel geworden. Und viele der Ukrainer leben auch nicht dauerhaft in Polen. Nach einigen Monaten Arbeit kehren sie oft wieder zu ihren Familien in der Heimat zurück.

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Ingo Kampf | Do., 24. Februar 2022 - 18:00

….sofort aufnehmen. Der Hintergrund ist doch völlig anders, als der, der Armutsflüchtlinge aus dem Nahen Osten und Afrika. Ich schätze, da sind viele gute Fachleute und junge Talente dabei!

Bernd Windisch | Do., 24. Februar 2022 - 18:10

gibt es einen Unterschied. Die Polen können das offensichtlich differenzieren.

Die Annahme von horrenden Flüchtlingszahlen versetzt lediglich alle Betroffenen in Angst und Schrecken. Putin hat kein Interesse an einer entvölkerten Ukraine. So wie der Westen gestrickt ist wird die Hauptlast der Flüchtbewegung wieder an Deutschland delegiert. Jeder kann sich ausrechen was bei lediglich 400.000 geplanten Sozialwohnungen / Jahr hier los ist.

Baerbock hat ja bereits die Preisschilder abgenommen.

Gerhard Lenz | Do., 24. Februar 2022 - 18:10

Cicero-Foristen wissen es mal wieder besser.

So wurde bereits wiederholt "berichtet", die Menschen in der Ukraine verhielten sich ruhig, von Fluchtbewegungen wäre nichts zu sehen.

Eine ganz verwegene Foristin suggerierte bereits, die ukrainische Bevölkerung würde einfach die Seiten wechseln und zu Putin überlaufen.

...wohl weil sie selbst von Putin so begeistert ist und jegliche Kritik an dem Kriegstreiber ausschliesst.

Brigitte Simon | Do., 24. Februar 2022 - 19:07

Seit 2015 erleben wir die Tragödie, den allmächti-gen Wunsch und Drang mit dem Slogan: "Wir wollen nach Deutschland". Zuletzt aus Belarus:
"Wir wollen nicht nach Polen, wir wollen nach Deutschland". Das weiß Rumänien, die Slowakei, das weiß Ungarn, Lettland, Estland. Wie ist die USA erreichbar? Wir wissen wie es ausgeht. Das wissen wir seit 2015. Apokalypse pur ist ange-sagt.

... die stürzten schon manches Land (mit) in Chaos ... aber Europa und hier weit voran Deutschland "räumt die Scherben auf" ... wir haben es ja ... mögen sämtliche BAB-Brücken wegen Baufälligkeit gesperrt werden müssen - schön für die Grünen, dann brauchen sie sich nicht mal mehr auf den Asphalt kleben ("geht ja schon so genug in die Hose" ;) ... Ironie an einem "Trauertag"

Ernst-Günther Konrad | Fr., 25. Februar 2022 - 10:48

Sollte Putin den Krieg nicht nur auf die Ostukraine begrenzen, sondern das ganze Land okkupieren wollen, dann würde sich in der Tat eine Flüchtlingskrise auftun und diese dann flüchtenden Menschen wären Flüchtlinge im Sinne des Art. 16a GG, denen natürlich alle Hilfe zusteht.
Bliebe es bei der Ostukraine, dann wäre als erstes das Kernland Ukraine aufnahmepflichtig.
Wer das Interview gestern von Herrn Gathmann gehört hat, so führt er aus, ist es außerhalb der Ostukraine in der Bevölkerung noch relativ ruhig, der Alltag geht weitgehend weiter. Er hat nur vermehrt festgestellt, dass die Bevölkerung ihr Geld von den Banken holen. Die Versorgung ist noch stabil und natürlich macht sich die Angst breit, dass der Krieg ins Kernland kommt.
Das sich die angrenzenden Staaten vorbereitet haben ist löblich und zeigt mir, die bewerten die Flucht aus der Ukraine völlig anders, als aus Syrien oder Afghanistan, die über mehrere Staaten hinweg erfolgte, ins gelobte Land Deutschland.