
- Zu früh, ihn abzuschreiben
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat mit Corona, Terror und Unruhen ebenso zu kämpfen wie mit seiner Unbeliebtheit. Erst am Wochenende gab es wieder gewaltsame Ausschreitungen. Trotzdem stehen seine Chancen auf eine Wiederwahl gut.
Die Sorbonne-Universität bekommt Emmanuel Macron. Im Herbst 2017 hielt er dort eine mitreißende und wegweisende Europarede. Jetzt, drei Jahre später, ehrte er an gleicher Stelle – und ebenso leidenschaftlich – den Geschichtslehrer Samuel Paty, der von islamistischen Terroristen enthauptet worden war, weil er im Unterricht zum Thema Meinungsfreiheit die umstrittenen Mohammed-Karikaturen gezeigt hatte. Macron traf wieder die richtigen Worte, hisste sich rhetorisch auf die Höhe seiner großen Vorgänger François Mitterrand oder Jacques Chirac. Sich gegen „Gewalt, Einschüchterung und Resignation“ wendend, versprach er „Taten statt Worte“, wobei er nicht verhehlte, dass die Aufgabe „titanisch“ sei. Der schreckliche Anschlag in Nizza mit drei ermordeten Kirchgängern gab ihm zehn Tage später recht.
Und stärkte ihn selbst. Politisch isoliert, ohne Verwurzelung im Land, wird der 42-jährige Selfmade-Präsident sonst eher mit den nie wiedergewählten Vorgängern Nicolas Sarkozy und François Hollande verglichen. Sein Anspruch, Frankreich in eine Start-up-Nation zu verwandeln, ist längst Makulatur: Corona hat Macrons liberale Renten- und Arbeitsreformen schlicht weggefegt. Als Krisenmanager machte der ehemalige Investmentbanker in der ersten Viruswelle eine erstaunlich schlechte Figur: Statt den 65 Millionen Franzosen genug Schutzmasken zu beschaffen, verschreckte er sie mit einer deplatzierten „Kriegs“-Rhetorik. Die Zeitung Le Monde urteilte: „Das deutsche Modell wirft ein Schlaglicht auf das Versagen unserer eigenen Bürokratie und unseres Zentralstaats“ – für den nun mal der Staatspräsident verantwortlich ist.