Der Moment des Telefonats mit dem chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping / picture alliance

Xi Jinping telefoniert mit Selenskyj - Ein Schlag für die russische Propaganda

Am vergangenen Mittwoch telefonierte Xi Jinping zum ersten Mal seit Beginn des Krieges mit dem ukrainischen Staatspräsidenten Selenskyj. Das Gespräch bedeutet nicht nur eine Aufwertung der Ukraine, sondern zeigt auch, dass Russland zunehmend die Lage entgleitet.

Autoreninfo

Thomas Jäger ist Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Er ist Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.

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Über ein Jahr dauerte es, bis der Präsident des Landes, das für sich selbst in Anspruch nimmt, die globale Ordnung nachhaltig mitbestimmen zu wollen – zum Guten, wie es sich von selbst verstehen soll –, mit der zweiten Kriegspartei, dem Präsidenten der von Russland angegriffenen Ukraine, sprach. Bisher traf er sich mehrfach und in trauter Gemeinsamkeit nur mit dem Aggressor Putin. Den hat er nun im Sack, so dass Xi Jinping einen Schritt weitergehen kann. So entfaltete schon allein diese Tatsache ihre Wirkung. Xi sprach mit Selenskyj eine Stunde lang per Telefon.

Dabei soll China versichert haben, Verhandlungen für einen Frieden zu unterstützen sowie die territoriale Integrität als Grundlage der bilateralen Beziehungen zu betrachten. Diese Formulierung steht derjenigen des chinesischen Botschafters in Frankreich entgegen, der den Nachfolgestaaten der Sowjetunion erst kürzlich die Souveränität absprach. Ob es eine Klarstellung ist oder nur diplomatische Flexibilität ausdrückt, ist offen. Denn weiterhin bewegt sich China in dem Paradox, die Charta der Vereinten Nationen zu betonen (Souveränität, territoriale Integrität, Gewaltverbot) und deren Bruch durch Russland nicht zu verurteilen. Der chinesische Präsident nannte den Krieg weiterhin nicht Krieg, sondern sprach wie seit einem Jahr von der „Ukraine-Krise“.

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Abydos | Sa., 29. April 2023 - 16:02

Es ist sicher so, dass ich etwas einfältig bin, aber mir hat sich die Logik noch nicht erschlossen, warum Xis Anruf in Kiew bedeuten sollte, dass Russland die Lage entgleite.

Dass es sich um eine mit Moskau abgestimmte Aktion handeln könnte, das kann sich Euer Autor nicht vorstellen oder würde die Öffnung seines Denkens in dieser Hinsicht dazu führen, dass ihm die Lage seines Argumentationsgebäudes entgleitet?

Wenn Herr Jäger natürlich ausschließlich aus transatlantischer Sicht argumentiert, dann verstehe ich natürlich seine Logik.

Nur müsste doch auch und gerade Herrn Jäger inzwischen aufgefallen sein, wie massiv die Deutungshoheit des transatlantischen Westens ins Wanken geraten ist, dass sich selbst Staaten, die massiv auf US-Militärhilfe angewiesen sind, sich den verlogenen Doppelstandards von USA, G7, NATO und EU verweigern.

Ich glaube, das Telefonat war Teil eines abgestimmten Prozeres zwischen Peking und Moskau.

Dazu müsste er ja die Lage kontrollieren. Nun, Herr, Frau oder was auch immer Abydos: Das mögen Sie sich vielleicht wünschen, ist aber weit ab jeglicher Realität.

Offensichtlich ist vielmehr: Die Chinesen reden mit wem auch immer, was immer sie wollen. Einen Pakt Moskau-Peking gibt es nicht, höchstens relativ gute Beziehungen. In denen Putin längst die Rolle des Juniorpartners übernommen hat. Moskau hat vielleicht geglaubt, es könnte Nachbarstaaten - mit Hilfe von Bomben und Panzern - seinen Willen aufzwingen. Was im kleinen Georgien geklappt hat, das ging in der weitaus wehrhafteren Ukraine gründlich in die Hose. Putin hat sich gründlich verkalkuliert, hat die NATO jetzt auch an der Grenze zu Finnland, und ist weitgehend diskreditiert.

Das ist den Chinesen allerdings ziemlich egal. Und wenn der chinesische Boss mit Selensky telefoniert, dann ist das zwar kein unbedingtes Hoffnungszeichen für den Westen, aber gleichwohl eine Warnung an Putin.

Der sowieso nur brav nicken darf.

war bis jetzt eine Domäne des "Westens". Dazu noch als Hilfsmittel Sanktionen, Drohungen und angezettelte Putsche. Was dem Westen sein Jugoslawien war ist halt jetzt Russlands Ukraine. Ach ja und Juniorpartner von China heißt man ist immer noch Partner, ist also immer noch besser als am Halsband von Onkel Sam als kläffender Zwergpinscher der nichts zu melden hat außer dem Hegemon zu dienen.

die sich in der Vergangenheit nicht einmal zu schade war, auf der Internet-Seite der russischen Botschaft Lobreden auf den "großartigen Vladimir" zu veröffentlichen, fällt natürlich nur der übrige kalte Kaffee ein. Und der besteht aus dem Fingerzeig auf den Westen, in diesem Fall im speziellen auf die Intervention des Westens im ehemaligen Jugoslawien. So, als hätte es nie einen - oh Wunder - von den Russen unterstützen Kriegsverbrecher Milosevic gegeben, der Nachbarstaaten mit Krieg überzog um ein Groß-Serbien zu installieren.

Und natürlich kein Wort zu den Morden, Vergewaltigungen, Bombardierungen, der Entführung von Kindern, der Zerstörung des Lebensraums und der Infrastruktur von zehntausenden, wahrscheinlich hunderttausenden von Ukrainern - die der Kriegsverbrecher Putin zu verantworten hat. Da fällt ihr nichts zu ein.

Geschenkt.

Karl-Heinz Weiß | Sa., 29. April 2023 - 17:34

Herr oder Frau Abydos, Sie verwenden in Ihrer Argumentation tatsächlich Hieroglyphen. China denkt sehr langfristig, und hat tatsächlich die Demütigungen durch Russland nicht vergessen. Und der Ussuri-Konflikt liegt nicht nicht lange zurück.

Armin Latell | So., 30. April 2023 - 19:52

Antwort auf von Karl-Heinz Weiß

sich der Hieroglyphen bedient, habe ich ihn gut verstanden und stimme ihm zu.
Den "Usuri Konflikt" gab es 1969 zwischen einem ganz anderen China und einer Sowjetunion. 1995 erkannte Russland in einem Grenzvertrag Chinas Anspruch auf Zhenbao Dao und einige andere Inseln entlang des Grenzflusses Ussuri an. Wo Sie bestimmt Recht haben, ist, dass China, im Gegensatz zu den westlichen Politikern, langfristig denkt und plant (natürlich nicht vom Ende her wie das uckermarksche Trojanische Pferd!) Deshalb wird es langfristig auch Erfolg haben, was ich nicht unbedingt für erfreulich halte, allerdings genauso wenig wie die immer wieder von den VSA provozierten Kriege.

Naumanna | Sa., 29. April 2023 - 18:15

Ich habe natürlich keine Ahnung, wie die Lage wirklich in der Ukraine zur Zeit ist, aber dass Russland die Lage entgleiten würde, wie der Autor des Artikels annimmt, und Xi deswegen mit Selenskyi telefoniert, halte ich nicht für realistisch.
China ist aufstrebende Weltmacht und bemüht sich natürlich als solche, den Konflikt zwischen Ukraine und Russland aufzulösen. Klugerweise wird das Land mit allen Mächten kooperieren, auch mit der EU und sogar mit den USA, wenn die das denn zulassen. Insofern würde ich dem Land der Mitte hier nicht den Schwarzen Peter zuweisen wollen.

Klaus Funke | Sa., 29. April 2023 - 18:34

Ein Apologet des Mainstream. Er sollte mal alle Nachrichten aus China und Russland über dieses Telefonat lesen und dann eine Bewertung vornehmen. Selektive ukrainische oder westeuropäische Wertungen verzerren das Bild. Es wohl kaum anzunehmen, dass China den Russen in den Rücken fällt. Im Gegenteil, Putin hat von dem Gespräch gewusst, es wurde bei Xis Besuch in Moskau davon gesprochen. Das kommt davon, wenn man ukrainischen und westeuropäischen Quellen vertraut. Da kommt nur Fake heraus. Also, keine Angst, China weicht nicht ab von der gemeinsamen Linie mit Moskau. Es wird die alte Clausewitz-Regel angewandt: Getrennt marschieren - vereint schlagen! Aber unsere kindhaften Medien spinnen sich ihr Märchen zurecht. Und der dumme Deutsche glaubt es!

Albert Schultheis | Sa., 29. April 2023 - 22:00

so schnell schießen die Ihre Preußen nicht! Xi ist ein zu gewiefter Stratege und er hat sehr mächtige, ziemlich irrationale Antagonisten jenseits des (noch) Friedlichen Meeres sitzen. Der denkt nicht nach infantilen Kategorien wie die "feministische Außenpolitik" unserer Lebenslauf-Trickserin. Der hat konkrete Ziele und so wie Brzezinsky, Obama, Clinton, Biden erkannt haben, dass die Ukraine der stepping stone nach Eurasien ist, so dürften die Chinesen erkannt haben, dass die Ukraine der stepping stone nach Europa ist - denn Asien (mit den Russen) hat er bereits im Sack! Dank der Zuarbeit des oberdämlichen "Geostrategen" Biden, der ihm die Russen quasi in den Sack getrieben hat.
Jetzt kommt der roll back der Gegenseite! Sobald Biden die Ukraine fallen lässt (so wie die USA zuvor Vietnam, den Irak, Syrien Libyen und Afghanistan fallengelassen haben), sind die Chinesen da mit ihrer potenten Pax Sinae, der wohl kaum eine Ukraine widerstehen könnte. Er will die Ukraine, nicht Selenskyj!

Brigitte Simon | So., 30. April 2023 - 02:03

"Daß Selenskyj Chinas Initiative lobte, wie er es schon beim Zwölf-Punkte-Plan getan hat, ist gut nachvollziehbar". Ich muß Ihren Satz wiederholen, werter Herr Jäger, um Sie fragen zu können, warum erklärte der ukrainische Präsident so spät "jetzt bin ich, Selenskyj, bereit, daß Herr Xi mich anrufen kann". Zu lesen in der SZ.

Dafür, daß Selenskyj weltweit Unterstützung einfordert, befiehlt, ist seine Bereitschaft an Arroganz durch nichts zu überbieten.
Xi wird es überleben, Putin sicherlich auch.
Vermutlich lachen sie sich beide ins Fäustchen.

Christoph Kuhlmann | So., 30. April 2023 - 06:58

Bisher hat China von größeren Waffenexporten abgesehen. Insofern bleibt das Telefonat im Rahmen der chinesischen Position in diesem Krieg. Ich glaube nicht, dass Xi Jinping von den wirtschaftlichen Konsequenzen auf den Welthandel begeistert ist. Auch in China schwelt die Krise. Er versucht halt das Beste daraus zu machen. Viel interessanter finde ich, dass Putin bisher auf die Mobilisierung weiterer Rekruten verzichtet hat, obwohl die 300 000 Mann der letzten Mobilisierung inzwischen weitgehend verheizt wurden und sich die Grenze zur Nato erheblich verlängert hat. Russland verliert zunehmend an Einfluss in den ehemaligen sowjetischen Teilrepubliken und ein weiterer Beweis militärischer Inkompetenz durch eine erfolgreiche ukrainische Offensive könnte den Zerfall des letzten Imperiums beschleunigen. Wie immer liegt die Wahrheit auf dem Schlachtfeld. Die Diplomatie verschleiert sie eher.

Klaus Funke | So., 30. April 2023 - 09:53

Antwort auf von Christoph Kuhlmann

Woher wissen Sie, dass Russland 300.000 Rekruten "verheizt" hat??? Wieso liegt die Wahrheit auf dem Schlachtfeld? Fast alle Kriege sind durch Verhandlungen beendet worden. Auf dem Schlachtfeld hat die Ukraine nämlich keine Chance. Das wissen alle, die sich militärisch auskennen. Russland verliert an Einfluss? Das Gegenteil ist der Fall. Die Sanktionen des Westens und der USA sind ein stumpfes Schwert. Auch das wissen alle. Trotzdem wird weiter sanktioniert. Symbolpolitik!

Jens Böhme | So., 30. April 2023 - 07:17

Xi spricht mit Putin und dann mit Selenskij, kein Erfolg für Selenskij. Aber Xi spricht mit beiden, weil China nicht im Ukrainekrieg involviert ist sondern sich neutral verhält. Wirtschaftssanktionen gegen Russland sind ein politisches Bekenntnis zur Ukraine (militärische Unterstützung für Ukraine sowieso), deshalb das Dilemma der EU. Bundesaußenministerin Baerbock hat es präzise formuliert, Europa ist im Krieg gegen Russland. Prof. Jäger scheint zu glauben, dass es im russischen Überfall auf die Ukraine nur schwarz (Russland) und weiß (Ukraine) gäbe. Xi widerlegt dies eindrucksvoll, egal, welche Interessen dahinter stehen.

Armin Latell | So., 30. April 2023 - 20:13

Antwort auf von Jens Böhme

Krieg gegen Russland. Herr Böhme, haben Sie schon Post von Ihrem Kreiswehrersatzamt zwecks Einberufung bekommen? Vielleicht sollten Sie nachfragen, warum man Sie noch nicht angeschrieben hat. Schließlich befinden wir uns doch im Krieg mit Russland, da wird jeder, der eine Waffe bedienen kann, gebraucht. Ich selbst betrachte mich nicht im Krieg mit Russland.

Ernst-Günther Konrad | So., 30. April 2023 - 07:55

Nur eines steht fest. China wird nichts tun, womit es sich selbst schaden würde oder ohne für sich selbst einen Erfolg/Vorteil zu generieren. Was Herr Jäger da beschreibt ist wieder, wie von vielen Autoren überall, viel könnte/müsste/sollte Analyse, im vorliegenden Fall natürlich immer pro "Westen" bzw. USA. Ist legitim, ist Propaganda und sagt viel und gar nichts aus.
Niemand hat das Telefonat gehört, weiß letztlich, wer da wie fordert, droht, interveniert. Alles ist grundsätzlich denkbar. Deshalb werte ich diesen Artikel, wie viele Artikel zu dem Thema als ein Puzzleteil von dem noch nicht klar ist, ob es überhaupt in das Bild dieses UA-Krieges passt oder zu einem anderen Bild gehört.

Brigitte Simon | So., 30. April 2023 - 16:57

China will die globale Machtbalance radkal verschieben. Psychologisch geschickt tritt sie heute
mal offen aggressiv, dann wieder gefühlig und moralisch auf. Seine Friedensvermittlungen zwischen Putin und Selenskyj sind clever durchdacht. Xi der große Friedensstifter, Biden´immer mehr kritisierte Waffenlieferungen machen ihn zum "Kriegsverlängerer".

Hinzukommt Xi´hochmoderne Propaganda. Sie ist Bestandteil einer parallel zur Seidenstraßen-Initiative konzipierten globalen Medienstrategie Xi´. Ein Lockmittel für S? Denn China vergibt Kredite, um die Länder an sich zu binden. Schließlich waren beide vor Kriegsbeginn wirtschaftlich miteinander verbunden. Hinzu kommt der chinesische Einfluß in bestimmte Abteilungen der UNO, auch in der WHO und WTO, immer mehr an Gewicht. "China ist gerade dabei, die Macht in der UNO zu übernehmen", warnt ein französischer Diplomat.

Warum sollte sich China auf eine der beiden Seiten stellen, Rußland oder USA? Xi wartet ab was passieren wird.

Brigitte Simon | So., 30. April 2023 - 17:06

Das läßt sich in einem einstündigen(?) Telefonat nicht klären.

Xi´ Kreditvergabe hängt von Selenskyj´Kriegsstrategie ab.
"Wenn ich ein Haus baue, benötige ich für die
Bank eine Rückzahlungsgarantie".

Armin Latell | So., 30. April 2023 - 19:35

aber die Chinesen machen nichts zufällig oder aus Versehen. Soweit ich weiß, hat Xi Putin persönlich getroffen, mit dem Kettenhund der VSA aber nur telefoniert. Das bedeutet schon etwas. Einen Schlag gegen die russische Propaganda kann ich da nicht erkennen. Die Interpretationen von Herrn Jäger sind da alle im klaren Konjunktiv gehalten. „Jedenfalls wird Russland die Transformation vom Petrostaat zum modernen Industrieland nicht mehr gelingen.“ Was Herr Jäger darunter versteht und ob Putin genau das möchte, ist unbekannt. Ich bin sicher, Putin weiß selbst, was er von dieser „Aktion“ Xis zu halten hat. Ob er mit Macron oder gar Scholz sprechen will? Einen Einfluss auf die Ziele seiner Spezialoperation“ hätte das sicherlich nicht. Russland wird diesen Konflikt für sich entscheiden, da können die Amerikaner, die Nato oder womöglich Buntland noch so viele Waffen liefern. Denn jetzt steht Taiwan in der Pipeline. Einen "Zweifrontenkrieg" werden sich die Amis nicht leisten (können/wollen)