
- Hat der deutsche Auslandsgeheimdienst versagt?
Der Bundesnachrichtendienst muss sich harte Vorwürfe gefallen lassen, weil er angeblich die Lage in Kabul völlig falsch eingeschätzt hat. Aber ganz so einfach ist die Sache nicht. Tatsächlich geht es um ein Schwarze-Peter-Spiel, und insbesondere das Auswärtige Amt hat sich nicht mit Ruhm bekleckert.
In Afghanistan herrschen wieder die Taliban, und Kabul bildet keine Ausnahme. Aber während die Rückeroberung praktisch des gesamten Landes durch die islamistischen Milizen vom Rest der Welt schon beinahe schulterzuckend zur Kenntnis genommen wird, ist die rasche Einnahme auch der Hauptstadt zu einem Politikum erster Güte geworden. Was zum einen natürlich daran liegt, dass Kabul als Regierungssitz und als Standort ausländischer Botschaften einen besonders hohen Symbolwert hat. Zum anderen an den Fehleinschätzungen der Geheimdienste, wie lange die Metropole mit ihren mehr als vier Millionen Einwohnern dem Druck der Taliban standhalten könne.
Dass mit dem Abzug der amerikanischen Streitkräfte vom Hindukusch ein Rollback stattfinden würde, war seit langem allen klar. Ebenso, dass damit auch Kabul früher oder später an die Taliban zurückfällt. Die entscheidende Frage war eben nur: wie schnell? Eine Rückeroberung binnen weniger Tage erschien offenbar allen vor Ort stationierten Nachrichtendiensten unplausibel; auch der Bundesnachrichtendienst (BND) war da keine Ausnahme. Dennoch steht jetzt insbesondere der BND am Prager – beinahe so, als ob dessen Mitarbeiter mit ihrer vermeintlichen Ignoranz das Afghanistan-Debakel allein zu verantworten hätten. Wie das halt so ist, wenn nach einem Sündenbock gesucht wird. Und dann kommt auch noch der Bundestagswahlkampf dazu. Das Setting für eine politische Schlammschlacht war mithin bereitet.