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Illustration: Robert Zimmermann

Privatunis - Klamme Kaderschmieden

Angetreten, um die Elite des Landes auszubilden, kämpfen die großen deutschen Privathochschulen mit den eigenen Finanzen und rufen nach Vater Staat

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Stieber, Benno

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„Baby, bitte mach Dir nie mehr Sorgen um Geld“, steht auf der bunten Postkarte, auf die Georg Garlichs immer blickt, wenn er die miesen Bilanzen der „EBS Universität für Wirtschaft und Recht“ liest. Der Kanzler der privaten Hochschule in Wiesbaden hat die Karte in seinem Büro gegenüber von seinem Schreibtisch hängen. Die Zeile stammt aus dem Sommerhit „Einmal um die Welt“ des Hip-Hoppers Cro, dem Mann mit der seltsamen Pandamaske. Dessen Song können wohl auch die meisten Studenten der European Business School (EBS) mitsingen.

Die Zeile scheint auf den ersten Blick gut zur EBS zu passen, der selbst ernannten Kaderschmiede für eine selbst ernannte zukünftige Wirtschaftselite. In der Realität ist die Hochschule aber weit davon entfernt, sich keine Sorgen um ihre Finanzen machen zu müssen. In der verspätet veröffentlichten Bilanz von 2011 fehlten 7,2 Millionen Euro.

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Seit nunmehr zweieinhalb Jahren steckt die EBS in der Krise. Ihr vorletzter Präsident, Christopher Jahns, die prägende Figur der Hochschule, hat während seiner Amtszeit offenbar nach dem Cro-Song gehandelt und sich und der Hochschule – „Baby, ich kauf dir morgen die Welt“ – einiges an Luxus gegönnt: Die Feier zur Ernennung der Hochschule zur Universität hat eine Dreiviertelmillion Euro gekostet, Strategie-Meetings in Vier-Sterne-Hotels haben ebenfalls unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht. Jahns nutzte zu Amtszeiten eine Dienstlimousine mit Fahrer. Ob er sich damit auch privat fahren ließ, klärt das gleiche Gericht, das auch darüber befinden muss, ob die Hochschule 180.000 Euro ohne Gegenleistungen an eine Beratungsgesellschaft überwiesen hat, deren Inhaber Christopher Jahns selbst war.

Untersuchungsausschuss widmet sich der Uni-Sause


Die EBS hatte hochfliegende Pläne. Eine zweite Fakultät für Juristen musste her, um die einstige Business School zur Universität zu veredeln. Der hessischen Landesregierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten Roland Koch war die Aufwertung der Landeshauptstadt zum Universitätsstandort immerhin 23 Millionen Euro wert. Auch bei der Verwendung dieser Gelder soll es in der Ära Jahns zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein, steht im Bericht des Landesrechnungshofs. Das klärt derzeit ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss.

Die EBS steht nicht alleine da, viele private Hochschulen hängen in Deutschland am Tropf des Steuerzahlers. Mehr als 100 Millionen hat der chronisch überschuldete Stadtstaat Bremen bisher in die private Jacobs University gesteckt.

Die Universität Witten-Herdecke, in den achtziger Jahren von dem Mediziner Konrad Schily gegründet, ist nach der letzten großen Krise vor fünf Jahren auf Zuschüsse des Landes angewiesen. Wohl dauerhaft. Für 13 Prozent der jährlichen Kosten für die Ausbildung von Medizinern, Zahnärzten und Managern garantiert seitdem das Land Nordrhein-Westfalen.

Geld? Eine typische Journalistenfrage!


Bei diesen Zahlen könnte man auf die Idee kommen, die privaten Universitäten folgen einem Muster, das aus der Bankenkrise sattsam bekannt ist: Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert. Es drängt sich die Frage auf: Warum können ausgerechnet diese Hochschulen, die in ihren Hochglanzbroschüren versprechen, die herausragenden Köpfe des Landes kämen zu ihnen, die zukünftigen Wirtschaftsbosse erhielten hier ihre Ausbildung, selbst nicht mit Geld umgehen?

EBS-Kanzler Garlichs stöhnt leise auf, wenn er diese Frage hört. Eine typische Journalistenfrage, findet er. Studenten hätten sie noch nie gestellt. Neben ihm sitzt Richard Raatzsch, frisch gewählter Dekan und Professor für praktische Philosophie. Ein Wittgenstein-Experte, der auch über die „Ehrbarkeit des ehrbaren Kaufmanns“ publiziert hat.

Ja, auch ohne die neue Fakultät habe die EBS ein strukturelles Defizit, sagen die beiden Herren. Und ja, man habe wohl den Bedarf für Juristen anfänglich etwas zu optimistisch eingeschätzt. Aber die EBS habe aus ihren Fehlern gelernt, beteuern beide. An der Universität werde jetzt eifrig gespart. Ein professionelles Fundraising-Büro habe man eingerichtet, um mehr Spenden aus der Wirtschaft und von den Ehemaligen einzusammeln. Internationale Kooperationen mit Hochschulen in China oder Indien müssten etabliert werden. Das sei attraktiv für die Studenten und eine gute Einnahmequelle. All das müsse man – nun, da die Affäre Jahns für die Uni einigermaßen ausgestanden sei – mit Hochdruck vorantreiben.

In der Tat. Denn was kann eine Hochschule schon vorweisen als ihren guten Ruf, mit dem sie um Sponsoren und Studenten gleichermaßen wirbt. Noch gibt es die Wempe-Lounge im Schloss von Oestrich-­Winkel, wo die Wirtschaftskapitäne von morgen zwischen Reben und Rhein bei schöner Aussicht büffeln. Aber potenzielle Geldgeber werden zögerlich, wenn eine private Hochschule schon einmal so sorglos mit ihren Mitteln umgegangen ist.

Der Ruf privater Hochschulen hat seit einer Boomphase nach der Jahrtausendwende arg gelitten. Sowohl Theoretiker als auch Praktiker scheitern in Deutschland regelmäßig auf dem schwierigen Bildungsmarkt. Beim „Stuttgart Institute of Management and Technology“ konnte man vom Jahr 2000 an beobachten, wie nacheinander drei BWL-Professoren als Geschäftsführer an der ökonomischen Wirklichkeit ihrer Hochschule scheiterten. Nach neun Jahren und geschätzten Investitionen von 20 Millionen wurde das „schwäbische Heißluft-Harvardle“, wie es der Spiegel nannte, für einen Euro an die Steinbeis-Hochschule in Berlin verramscht.

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2009 schloss auch die Hanseuniversität Rostock bereits nach einem Semester wieder ihre Pforten. Es hatten sich nur drei Studenten angemeldet. Immerhin konnten die ihr Studium im nordbadischen Städtchen Bruchsal fortsetzen. Dort finanzierte derselbe Investor damals eine englischsprachige Hochschule mit dem bombastisch klingenden Namen „International University Germany“. Aber auch hier war nur wenige Monate später Schluss. 18 Millionen Euro Steuergelder, die Bund und Länder investiert hatten, waren verloren.

Angetreten gegen den Muff an Hochschulen


Heute studieren nach Angaben der Hochschulrektorenkonferenz etwa 5 Prozent aller Studenten an einer der 95 privaten Hochschulen. Wer aber ganz sichergehen will, sein Studium an derselben Hochschule zu beenden, an der er sich immatrikuliert hat, ist wohl bei einer staatlichen Alma Mater besser aufgehoben. Dabei sind private Universitäten einst angetreten, dem muffigen deutschen Hochschulsystem zu zeigen, wie man mit modernen Lehrmethoden, neuen Ideen und häufig attraktiven Standorten das Beste in den Studierenden zum Vorschein bringt. Obendrein wollten sie beweisen, dass Studiengebühren sozialverträglich sein können.

„Private Hochschulen waren immer die Innovationstreiber im Bildungswesen“, sagt Klaus Landfried. Witten-Herdecke etwa habe mit seinem fallorientierten Lernen das Medizinstudium verändert. Klaus Landfried kennt sich in beiden Welten aus, er war Präsident der Hochschule Kaiserslautern und Chef der Hochschulrektorenkonferenz. Heute zieht er oft als Berater im Hintergrund die Strippen und hilft privaten Hochschulen bei der Erlangung der staatlichen Anerkennung.

Über der Misere einzelner Privatuniversitäten vergesse man schnell, sagt Landfried, dass es Dutzende von privaten Fachhochschulen und berufsbegleitenden Angeboten gebe, die gut finanziert seien und sogar Gewinne erwirtschaften. Er nennt Erfolgskriterien: Entscheidend sei eine auskömmliche Finanzierung. Von teuren Fächern mit Labors und Apparaten, wie Biologie und Physik, lasse man besser die Finger. Investoren oder Mäzene dürften keine schnelle Rendite erwarten. Als Beispiel führt er die amerikanischen Eliteuniversitäten an. „Der milliardenschwere Kapitalstock von Harvard hat sich ja auch nicht in ein paar Jahren angesammelt“, sagt Landfried.

Jacobs gewährte die größte Einzelspende in Europa


Dass ein großzügiger Mäzen allein nicht vor Defiziten schützt, kann man derzeit in Bremen besichtigen. 20 Millionen fehlten der größten deutschen Privatuniversität, der Jacobs University, schon 2010, und wenn das Land die Hochschule künftig nicht mit jährlich mindestens drei Millionen unterstützt, sind auch dort die Träume von einem deutschen Harvard an der Förde ausgeträumt.

Man hatte es sich von Anfang an nicht leicht gemacht in Bremen. Teure Naturwissenschaften gehören zum Fächerangebot genauso wie ein hoher universitärer Forschungsanspruch. Und auch der Elitebegriff wurde von den Gründern um den Mathematiker Heinz-Otto Peitgen von Anfang an ernst genommen. Studenten aus aller Welt wurden anders als an manch anderer Business School tatsächlich nach ihrer Qualifikation und nicht nach der Finanzkraft der Eltern ausgewählt. Die hohe Zahl der Stipendiaten belastete die Bilanz.

Als der Kaffee-Unternehmer Klaus Jacobs mit 200 Millionen aushalf, der größten Einzelspende für eine Hochschule in Europa, und die Uni ihm zu Ehren sogar den Namen änderte, schienen dort goldene Zeiten anzubrechen. Klaus Jacobs verlangte, dass sich auch die Stadt Bremen über fünf Jahre mit insgesamt 25 Millionen Euro beteiligte.

Es hat alles nichts genutzt, die Jacobs University ist wohl künftig dauerhaft auf Landeshilfen angewiesen. Und weil jemand, der klamm ist, auch leichter seine Ideale über Bord wirft, geht die Jacobs University neue Wege, um Sponsoren zu werben. Studienplätze sollen an Unternehmen verkauft werden, kündigte der Präsident kürzlich an. Damit die dann bedarfsgerecht bestimmen können, welche Ausbildung die Studenten erhalten sollen. Mit dem humboldtschen Bildungsideal hat das wenig zu tun, auch nicht mit dem eigenen Anspruch. Eher schon mit blanker Not.

Eine Finanzierungsform, die man sich an der Zeppelin-Universität nicht vorstellen könnte. Wer sehen will, dass es doch möglich ist, das Universitätsideal mit privaten Geldern zu verwirklichen, der muss an den Bodensee fahren.

Wie hingeworfene Bauklötze liegt die Uni gleich hinter einem Wohngebiet und Apfelbäumen in Friedrichshafen. Der Hauptcampus der Zeppelin-Universität logiert derzeit in Containern, bis das alte Gebäude nach Umbau und Erweiterung bezugsfertig ist. Die Gestaltung des Container-Campus hat ein Hamburger Künstlerpaar zusammen mit den Studenten übernommen. Deshalb gibt es auf dem Dach nun einen nostalgischen Wohnwagen und gegenüber die Nachbildung von Bernard Shaws Gartenlaube sowie ein Open Test House, zu dem nur Studenten Zugang haben. Alles ist in Blau getaucht. Die jungen Menschen hier studieren nach einem Auswahlverfahren Kulturmanagement, Verwaltungswissenschaft oder Wirtschaft, für insgesamt 16.000 Euro, die die örtliche Sparkasse auf Wunsch vorfinanziert.

Der Gründungspräsident Stephan A. Jansen empfängt im Dachcontainer. Das Büro hat er mit seinen Privatmöbeln eingerichtet, alles wirkt irgendwie improvisiert. Jansen ist gerade mal 42, ein jugendlicher Mann mit modischer Brille, in Anzug und Manschetten. Nur die Füße stecken ohne Socken in den schwarzen Lederschuhen. Als er 2003 sein Amt antrat, war er der jüngste Universitätspräsident und legte nebenbei noch als DJ Platten auf. Er ist immer noch ein Provokateur im Bildungsbetrieb, der Marx für Studiengebühren und Humboldt als Anwalt gegen staatliche Universitäten ins Feld führt.

Staatliche Hilfe lehnt die Zeppelin-Universität ab


Jansen hat das Glück, eine Hochschule zu führen, deren Bestehen gesichert ist, letztlich durch das Vermögen des Grafen Zeppelin und seiner Erben. Seit 2007 gehört sich die Uni durch eine Stiftung quasi selbst. Neben der Grundfinanzierung durch die „drei Z“, also die Unternehmen Zeppelin Baumaschinen GmbH, ZF Friedrichshafen und die Zeppelinstiftung, kommt jeweils ein weiteres Drittel aus Studiengebühren sowie Forschungsdrittmitteln, Spenden und Sponsoring. Spenden von Angehörigen der Studenten werden nicht angenommen, um Interessenkonflikte zu vermeiden.

Eine saubere und solide Finanzierung sei existenziell für den Betrieb einer privaten Hochschule, sagt Jansen. Denn er weiß sehr genau, wie man sich als Student einer Universität fühlt, die kurz vor der Pleite steht. Er hat selbst in Witten-Herdecke studiert, als dort 1995 die große Finanzkrise ausbrach. Damals entwarfen die Studenten selbst ein Modell für Studiengebühren. Sie hätten sogar in der Kantine gekocht, erinnert sich Jansen, und auch mal aufgewischt. Jansen fand das als Bafög-Empfänger ziemlich belastend.

Deshalb lehnte er das Angebot der Zeppelin Baumaschinen GmbH, in Friedrichshafen eine private Hochschule zu gründen, 2001 zunächst ab – nicht ohne gleichzeitig ein paar grundlegende Bedingungen zu stellen. Er verlangte von den „drei Z“ eine Vorfinanzierung auf mindestens vier Jahre, damit jeder Student sicher sein kann, sein Studium dort auch zu beenden. Dafür hält die Stiftung eine Garantiesumme bereit, die den Betrieb selbst bei einem Ausstieg der Geldgeber und einer Schließung der Hochschule noch bis zum Abschluss des letzten Jahrgangs aufrecht erhielte.

Staatliche Hilfe lehnt man in Friedrichshafen ganz ab. Die Erfahrung zeige, sagt Jansen, dass sich Sponsoren und Förderer erst dann dauerhaft und verbindlich verpflichten, wenn nicht der Staat im Hintergrund mit den Millionen winkt.

Seitdem ist die Zeppelin-Universität­ langsam, aber stetig gewachsen. In allen drei Fächern genießen Forschung und Lehre hohe Anerkennung. Seine Hochschule sei nun auf acht Jahre im Voraus durchfinanziert, sagt Jansen stolz. Das muss reichen. Genauere Haushaltszahlen gibt der Präsident nie heraus. Er kennt die eiserne Grundregel des privaten Hochschulwesens: „Rede nie über deine Finanzierung. Mache glaubhaft, dass sie stabil ist.“ Mit dem richtigen Beat des ehemaligen DJ unterlegt, vielleicht ebenfalls eine Hiphop-kompatible Zeile.

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