
- Im Rausch zur Liebe
Auf der ganzen Welt werden Behandlungen erforscht, die bestimmte Drogen in der Psychotherapie einsetzen. Manche Substanzen, die jahrzehntelang kriminalisiert waren, gelten plötzlich als Wundermittel gegen Depression, Trauma oder Sucht. LSD & Co. kommen wieder – diesmal als Hilfe fürs Leben.
Mit 19 hatte Martijn Schirp schon gelernt, seine Gefühle perfekt zu verstecken. Der Mann aus Amsterdam lernte in seiner WG das Pokern, wurde schnell außergewöhnlich gut. Bald warf er das Studium hin, reiste von Turnier zu Turnier, hatte immer Geld und reichlich Partys. Und dann stand Schirp eines Tages in Las Vegas bei der World Series, der WM des Poker, war gerade Platz 102 von 7500 Teilnehmern geworden – und fühlte nichts. „Ich trank, ich war eigentlich spielsüchtig, hatte kaum Zugang zu meinen Gefühlen, meinen Körper fühlte ich auch nicht recht“, sagt er. Er nahm das Preisgeld, fuhr in ein Kloster im Himalaya, danach zu einem Schamanen am Amazonas. „Die westliche Welt kennt nichts in dieser Art. Das sollten wir ändern.“
Heute, zehn Jahre später, leitet Schirp das Synthesis-Institut, das er vor zwei Jahren gründete. Den ersten Ort Europas, der legale psychedelische Retreats anbietet – bisher nur für Gesunde, bald auch als Therapie bei psychischen Störungen. Wer sich hier behandeln lässt, isst Magische Trüffel, die in Holland legal sind und das psychoaktive Psilocybin enthalten. Mit Kopfhörer, entspannender Musik und Augenbinde verbringen die Patienten danach sechs bis acht Stunden in dem Zustand, den der Zauberpilz auslöst. Nach dieser Reise nach innen folgt immer Gesprächstherapie. Ein solches Retreat, drei Tage, in einem modernen Haus in der Natur bei Amsterdam, kostet rund 2500 Euro. Was Schirp tut, ist eine kleine Revolution: Drogen werden in der Psychotherapie eingesetzt. Ernsthaft, kontrolliert, und immer ist ein Arzt in der Nähe.
Psychedelische Psychotherapie
Eine neue Form der Psychotherapie erobert gerade die Welt. Was wie ein Märchen aus der Hippiezeit klingt, ist heute ganz ernste Wissenschaft. Mehr als 100 Studien weltweit erforschen den Einsatz von MDMA (Ecstasy), Ketamin, LSD oder Psilocybin in der Therapie. Wie die Therapie heißt, kristallisiert sich erst heraus. Vermutlich: Psychedelische Psychotherapie. An der Charité heißt die neue Abteilung Pharmakopsychotherapie. Auch andere private Institute neben Synthesis bieten diese, soweit sie legal ist, schon oder bald an – etwa die US-amerikanische Organisation MAPS oder in Berlin die MIND-Foundation der Mediziner Andrea und Henrik Jungaberle.
Bisher werden schwere psychische Störungen behandelt, vor allem Depression und die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), an der zum Beispiel viele Soldaten nach Kriegseinsätzen leiden. Weil diese Störungen bisher kaum behandelbar waren, ist die Fachwelt schon begeistert. Das Magazin Nature schrieb kürzlich davon, „wie Ecstasy und Psilocybin die Psychiatrie auf den Kopf stellen“, sogar die New York Times konstatierte: „Die psychedelische Revolution kommt.“