
- Im Zweifel für die Freiheit
Heribert Prantl ist ein begabter Jurist. Mit seinem neuen Buch leistet er einen wichtigen Beitrag zum Diskurs über den Grundrechtsschutz in Zeiten von Corona. Teilweise übertreibt er jedoch, findet unser Gastautor Philipp Amthor.
„Not und Gebot“ – dieser Titel des neuen Buches von Heribert Prantl spiegelt die politische und verfassungsrechtliche Spannungslage, in der wir uns seit über einem Jahr befinden: zwischen der Not der Pandemie mit der Notwendigkeit ihrer Bekämpfung durch weitreichende Freiheitsbeschränkungen einerseits und dem verfassungsrechtlichen Gebot eines hinreichenden Freiheits- und Grundrechtsschutzes andererseits. In diesem Widerstreit vertritt Prantl einen klaren – bisweilen nahezu kompromisslosen – Standpunkt, der diese Sammlung seiner Meinungsbeiträge aus dem Jahr 2020 durchzieht: „In dubio pro libertate“ – im Zweifel für die Freiheit. Ein Ruf, der zwingend in den Chor einer ernsthaften Corona-Debatte gehört.
Grundrechte als Ballast in Krisenzeiten? Not kennt kein Gebot? Prantl verdient Unterstützung, wenn er solchen Thesen entgegentritt und in seiner bekannten Rolle als Mahner für einen konsequenten Grundrechtsschutz reüssiert: Grundrechte begrenzen auch in Krisenzeiten staatliche Macht und ihre Einschränkung verlangt stets Abwägungen und tragfähige Begründungen. Widerspruch verdient Prantl allerdings, wenn er diese richtige und notwendige Sichtweise so weit übertreibt, dass er sich in das Bild versteigt, die Grundrechte hätten sich in der Pandemie ihrerseits in einer „Quarantäne“ befunden.