
- Amor als Sieger
Inmitten ungezählter Debatten über Sexismus hätte Helmut Newton heute seinen 100. Geburtstag gefeiert. Aus der zeitlichen Distanz betrachtet, könnte man seine Fotografien für angestaubte Herrenwitze halten, in Wahrheit aber blicken sie gerade jetzt in die Abgründe des Daseins.
Liebe ist tödlich. Sie war es schon immer. Isolde, Romeo, Julia, Tristan: Vanitas rekelt sich in so manch einem Laken. Es ist die uralte Geschichte. Man findet sie früh bei den Argonauten. Hylas etwa, Sohn des Theodamas, ein Jüngling, so die Sage, von schöner Gestalt, wusste sich der Doppelbödigkeit seiner Passionen nicht zu erwehren. Der Erzählung nach reichten drei zarte Nymphen, um den Schönling im See der Lust zu ersäufen. Der Liebe wohnt eben immer ein Stachel inne, Eros sucht immerfort Thanatos. Menschen, so meinte später der Philosoph Slavoj Žižek, seien nicht einfach nur lebendig: Sie seien „besessen von dem seltsamen Trieb, das Leben exzessiv zu genießen, und hängen leidenschaftlich an einem Überschuss, der hervorsticht und den normalen Gang der Dinge zum Scheitern bringt“.
Vielleicht liegt in diesem Überschuss auch der Urstoff für das schier unauflösliche Drama der Sexualität. Die Sage von Hylas jedenfalls, diese Geschichte um Lust und Selbstverlust, um Symbiose- und Überflutungsangst, lieferte über Jahrhunderte die prächtigsten Motive in der Geschichte der Kunst. Besonders im späten Römischen Reich finden sich unzählige Variationen: Von Nordafrika bis in die Basilika des Junius Bassus am Esquilino-Hügel in Rom finden sich noch heute reichhaltige Darstellungen des entkleideten Jünglings mit seinen drei nackten Schönen.