Elon Musk
Will im Falle einer Übernahme die Vorstandsgehälter bei Twitter streichen: Elon Musk / dpa

Elon Musk und Twitter - Kulturkampf um Social Media

Die Ankündigung von Tesla-Chef Elon Musk, per Aktienkauf Twitter zu übernehmen und wieder zu einem Medium der Meinungsfreiheit zu machen, sorgt in den USA für Empörung bei Linken und Liberalen. Denn Twitter und Facebook bleiben die wichtigsten Sozialen Medien - konservative Konkurrenten wie Gettr und Truth Social haben sich bisher als Flops erwiesen.

Autoreninfo

Gregor Baszak ist freier Journalist und lebt in Chicago. Er publizierte unter anderem in The American Conservative, Makroskop und UnHerd.

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Wer kontrolliert in Zukunft Twitter und damit auch im großen Maßstab den freien Informationsfluss der Welt? Der Tesla-Mitgründer und derzeit reichste Mann der Welt Elon Musk zumindest hat seinen Hut in den Ring geworfen – mit dem Angebot, per Aktienanteil 54,20 Dollar zu zahlen. Das entspricht einer Wertschätzung Twitters in Höhe von 43 Milliarden Dollar (und ist eine wenig subtile Cannabis-Anspielung, denn die Ziffer 420 ist ein weitläufiger und auch von Musk gern angewendeter Code für die Droge). Zuvor hatte Musk bereits 9,2% der Anteile des Kurznachrichtendiensts gekauft und war damit zu seinem größten individuellen Anteilseigner aufgestiegen. Doch Twitters Verwaltungsrat hat bereits einstimmig beschlossen, Musks feindlichen Übernahmeversuch mit einer „Giftpillen“-Strategie zu vereiteln, denn Twitters jetzige Leitung hat eine vollkommen andere Vision für die Zukunft des Unternehmens als der Tech-Milliardär.

Letzterer erklärte am vergangenen Donnerstag auf der Ted-Konferenz in Vancouver, Kanada, dass es „sehr wichtig ist, dass Twitter eine inklusive Arena für die Redefreiheit ist“. Es stehe nichts weniger auf dem Spiel, als „die Zukunft der Zivilisation“, so Musk weiter, denn die derzeitige Unternehmensleitung verspiele das Vertrauen der Nutzer durch einen streng geheim gehaltenen Algorithmus, der die Verbreitung mancher Tweets fördere und die anderer Tweets drossele. Darum sei eine dringende Veränderung, die Musk als Eigentümer Twitters vorantreiben möchte, den Twitter-Algorithmus in ein Open-Source-Produkt zu verwandeln.

Sorge um die progressive Hegemonie auf Twitter

Damit hat sich Musk ebenso zu einem willentlichen Kombattanten im in den USA wütenden Kulturkrieg zwischen Konservativen und Liberalen gemacht. Amerikas Konservative befeuern derzeit seinen Übernahmeversuch, denn sie fühlen sich seit mehreren Jahren von Twitter zensiert. Das liberale Camp sorgt sich entsprechend um den Verlust eben dieses Zensurmechanismus. Barack Obamas ehemaliger Wahlkampfmanager David Axelrod brachte diese Sorge prägnant auf den Punkt: Musk wolle nämlich nichts weiter herbeiführen, als eine Rückkehr Donald Trumps auf Twitter, nachdem die Firma im Januar 2021 das Nutzerkonto des damals noch amtierenden US-Präsidenten gelöscht hatte. Die Sperrung war eine Reaktion auf Trumps Leugnung seiner Wahlniederlage, doch selbst dem Ex-Präsidenten nicht sonderlich wohlgesinnte Politiker wie Angela Merkel kritisieren Twitter damals heftig für diesen Schritt.

Die Sorge um die progressive Hegemonie auf Twitter treibt dabei manchen amerikanischen Linken zu eigentümlichen argumentativen Verstrickungen: Dass Musk nämlich den Informationsfluss auf Twitter weniger rigide kontrollieren wolle, so Bill Clintons ehemaliger Arbeitsminister Robert Reich im Guardian, sei nichts weiter als „der Traum eines jeden Diktators“. Jeff Jarvis, ein Journalismus-Professor an der City University of New York, tanzte währenddessen mit einem Tweet an, der es in sich hatte: „Heute fühlt sich’s auf Twitter so an wie am letzten Abend in einem Berliner Nachtclub zur Dämmerstunde der Weimarer Republik.“ Die Analogie zuende gedacht müsste Musk am Tag darauf also, Hakenkreuzbinde um den Arm, einen Fackelzug durch das Brandenburger Tor anführen.

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Gisela Fimiani | Di., 19. April 2022 - 17:27

Hier bangt, wenn auch zurückhaltend, ein Journalist um die Deutungshoheit von Twitter, NYT usf. Dass andere Platformen, wie GETTR, die erst kürzlich ins Leben gerufen wurden, hier bereits als „Flop“ bezeichnet werden, zeigt die Nervosität eines Autors, der womöglich fürchtet, die Deutungshoheit an die Meinungsfreiheit zu verlieren.

Ernst-Günther Konrad | Mi., 20. April 2022 - 07:36

Sie haben absolut recht. Es geht um Marktanteile und Mehrung des eigenen Geldes und damit verbundene Macht. Ob am Ende Musk Twitter & Co. bekommt, bleibt abzuwarten. Alles in einer Hand halte ich für gefährlich, auch wenn Musk "Meinungsfreiheit" verspricht. Das könnte am Ende des Tages dann nur noch die von Elon Musk sein, die sich durchzusetzen hat.

Walter Bühler | Mi., 20. April 2022 - 10:50

Lieber Herr Baszak,

"Wer kontrolliert in Zukunft Twitter und damit ... den freien Informationsfluss der Welt?" Natürlich hat Kultur mit freier Kommunikation zu tun.

Twitter hat aber mindestens ebenso viel mit Kommerz und Politik zu tun, und gehört auch schon jetzt zum Eigentum bestimmter Personen bzw. Institutionen. Das ist nicht neu, und der Kauf von Anteilen bestehender Firmen durch Oligarchen ist in unserer kapitalistischen Welt wahrlich keine Sensation.

US-Oligarchen zeichnen sich wie ihre russischen und ukrainischen Brüder bekanntlich durch weit überdurchschnittliche Fähigkeiten im realen Handeln aus. Die Region Berlin-Brandenburg konnte ja gerade Herrn Elon Musk als wichtigen und effizienten Impulsgeber in Sachen Industrie erleben.

Also keine Angst, Herr Baszak, die Welt wird durch einen Eigentümerwechsel bei Twitter nicht gleich aus dem Gleichgewicht geraten.

dorothee Sehrt-Irrek | Mi., 20. April 2022 - 11:03

gefragt, ob ich Cicero "disse". Die Diskussion ist geschlossen, aber ich kann auch hier antworten.
Normalerweise kommentiere ich solche Artikel nicht mehr, weil 1000 Zeichen nicht ausreichen die evtl. "verdrechselte" Argumentation des Autors zu ordnen.
Soll ich schreiben, dass ich nichts von Herrn Musk halte?
Jedenfalls gibt es derzeit dieser Artikel sehr viele in vielen Bereichen, was mich aber keineswegs davon abhält, zum Cicero zu stehen.
Nur weil ich in der SPD bin, kann ich doch Kritik auch an dieser einstecken und nehme sie zum Anlass, darüber nachzudenken.
Genau das erwarte ich mir von den meisten SPD-Politikern, dass sie den Cicero lesen.
Sie müssen nicht zustimmen.
Die derzeitige Linie der Berichterstattung ist zwar ein bisschen lastig, mich belastend, aber es mögen auch noch andere Zeiten kommen und wenn nicht, so sind die Informationen dennoch wertvoll für mich.
Ich lese schliesslich auch wieder DIE ZEIT, hoffend...
Momentan ist gute Berichterstattung höchste Kunst.
Schwer

Dorothee Sehrt-Irrek | Mi., 20. April 2022 - 15:33

wie man sich als komplex denkender Mensch twittermäßig äußern kann.
Verstehen kann ich aber, dass in einer so komplexen und schnelllebigen Zeit, Verantwortliche sich erstens gerne aktuell äußern und zweitens auch gerne aktuell als Orientierung gelesen werden.
Herrn Musk würde ich dennoch so einordnen, dass ich seinen Versuch, Twitter zu kaufen eher einreihe in evtl. Überlegungen, gegen Trumps Versuch einer Plattform zu agieren.
Der Autor beginnt leider im (N)Irgendwo.
Twitter hatte Trump m.E. gesperrt, weil eine massive politische Kampagne und Ausgrenzung gegen diesen schwierigen Politiker lief, etwa gegen den Widerstand von Frau Merkel?
Twitter geriet dadurch massiv unter Druck und reagierte mit Löschung.
Das Ergebnis ist eben eine eigene Plattform von Trump und vielleicht auch die Schaffung einer Art öffentlich-rechtlichen Plattform, gut redigiert und verträglich geführt, die man evtl. gegen einen kleinen Obulus auch für etwas längere Tweets nutzen kann, als Alternative zu privaten?

Maximilian Müller | Mi., 20. April 2022 - 19:22

Gettr ist die am schnellsten wachsende soziale Plattform im Netz und Truth Social existiert quasi noch gar nicht richtig und bedient auch nur den US-Markt, was per se schon dafür sorgt, dass es bisher nicht mit Twitter konkurrieren kann.

Twitter muss gerade die Hosen herunter lassen was seine ideologische Ausrichtung angeht. Lange hat man - auch in Deutschland - so getan, als ginge es bei der Twitter-Zensur um den Schutz vor bösen Bürgern und nicht etwa darum, politisch Andersdenkende vom Diskurs auszugrenzen. Nun wird für jeden offensichtlich, dass die Twitter Ceos weder am Wachstum ihrer Aktie noch an Meinungsfreiheit interessiert sind, sondern das es ihnen ausschließlich darum geht, eine politische Agenda voranzutreiben.

Was Musk gerade macht, war längst überfällig. Twitter ist der Stammtisch des 21. Jahrhunderts, mit links-woken Türstehern. Musk will ihn (wieder) für jeden zugänglich machen. Um ehrlich zu sein sollte man Twitter in seiner bisherigen Form schon lange verbieten.

Bernhard Kaiser | Do., 21. April 2022 - 01:53

Ich nutze regelmäßig TELEGRAM, GETTR, Parler, Odysee, Bitchute, Gab, VK und diverse andere "alternative" Plattformen je nach Bedarf und bin bestens informiert! Auf Twitter wurde ich bereits drei mal gesperrt und mein Facebook Account wurde des Öfteren gehackt und nein, ich bin weder ein Krimineller noch ein Rechtsradikaler, aber Twitter, Facebook und YouTube sind aus meiner Sicht inzwischen ein Fall für die Tonne!

Kai Hügle | Fr., 22. April 2022 - 10:13

Antwort auf von Bernhard Kaiser

Wem es im Kommentarbereich von TE zu zivilisiert zugeht und wer wissen will, wie man Bomben baut oder was Anti-Semiten wie Attila Hildmann, Alex Jones und Nikolai Nerling zu sagen haben, der wird sich bei den von Ihnen genannten Portalen „bestens informiert“ fühlen - wie Sie sagen.
Aber wenn Sie sagen, dass Sie „kein Rechtsradikaler“ sind, dann wird das wohl so sein…