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Die Tiantishan-Grotten in der nordwestlichen Provinz Gansu, mutmaßlich 1.600 Jahre alt Foto: XinHua/Du Zheyu/dpa

China und der Westen - China ist älter!

Wenn wir in unsere Zukunft blicken wollen, müssen wir in Chinas Vergangenheit sehen. Einige lehrreiche Gedanken zu Chinas Selbstbild aus Anlass des gerade erschienenen Buches eines der besten westlichen Kenner des Landes, des Amerikaners Michael Schuman.

Autoreninfo

Thomas Jäger ist Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Er ist Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.

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Die Amerikaner stürmten zur Weltmacht wie durch ihr eigenes Land. Sie eroberten Territorien, vertrieben fremde Mächte aus den Amerikas und unterlegten dies mit der Überzeugung, von der Vorsehung zur Führung der Welt berufen zu sein. Eine lineare Entwicklung begründete das amerikanische Zeitalter. Das kommt nun an sein Ende, denn eine andere Macht strebt danach, neue Regeln für die Welt zu setzen. Der Aufstieg Chinas bedeutet, in Asien wieder eine dominante Rolle einzunehmen, die Kontrolle über „Greater China“ (Hongkong, Taiwan) wieder herzustellen, die frühere Einflusszone zu Land sowie im Süd- und Ostchinesischen Meer wieder aufzurichten und wieder von anderen Großmächten respektiert zu werden.

Das entscheidende Wort in dieser Auflistung ist „wieder“. Denn anders als die USA, blickt China auf eine mehr als 3.000-jährige Geschichte als Großmacht zurück. Auch wenn es phasenweise allein beim Anspruch darauf blieb. Zuletzt in der Zeit seit den Opiumkriegen um 1850, dem Jahrhundert der Demütigungen. Aber das war für China im Grunde gestern.

Chinas Strang der Weltgeschichte

Eine politische Führung mit dieser Tradition im Rücken geht anders daran, ihre internationalen Rollen zu beschreiben und einzunehmen. Und für alle anderen ist es wichtig, welches Denken, welche Weltsicht und welche Gewissheiten hinter dieser kulturell-politischen Dynamik stehen, die aus dem wirtschaftlichen Aufschwung emporstrebt. Denn auch wenn sich unterschiedliche Stränge der Weltgeschichte aus eigener Kraft weiterentwickeln, sie werden in der Globalisierung miteinander verwoben. Gesellschaften können sich nicht mehr aus dem Weg gehen.

Um zu verstehen, wie Chinesen ihre Geschichte verstehen, hilft Michael Schumans systematisch aufgebautes, schön geschriebenes und reflektiertes Buch ungemein. Der Titel formuliert die These: Die ewige Supermacht. Dominant in Asien und deshalb in der Welt. Mit einem stabilen Weltbild, das in Tausenden von Jahren gehärtet wurde. „Die Chinesen folgten ihrem eigenen Strang der Weltgeschichte, der mit ihren eigenen Personen bevölkert ist, sich auf ihre eigene Literatur gründet, verfasst von den eigenen Philosophen und Dichtern, mit ihren eigenen großen Schlachten, heroischen Momenten, Katastrophen, großartigen und weniger großartigen Männern und Frauen, und genau wie wir im Westen die Produkte unserer Weltgeschichte sind, sind die Chinesen ein Erzeugnis der ihren.“ Genau das beschreibt dieses kluge Buch.

Überlegene Zivilisation

Dass es dabei China im heutigen nationalstaatlichen Sinn lange Strecken nicht gab, sondern dieses aus Dynastien bestand, erhöht den Reiz, Traditionen im Denken freizulegen, die Jahrtausende fortbestandenen. Erstaunlich ist, wie häufig das Reich, durch widerstreitende Machtansprüche geteilt, wieder zusammengeführt wurde. Die Kommunistische Partei versteht Schuman dabei als die bisher letzte Dynastie. Sie hat über wirtschaftlichen Aufschwung den Weg an die Weltspitze gebahnt. „Die chinesische Selbstwahrnehmung einer Sonderstellung, wonach ihre Zivilisation überlegen sei und es deshalb verdiene, an der Spitze der Welthierarchie zu stehen, hat praktisch während der ganzen langjährigen Geschichte niemals gewankt. Nur wenn China geschwächt war, akzeptierten die Chinesen zähneknirschend die Diktate und Normen anderer Völker.“

Aber das taten sie nur vorübergehend und mit dem Ziel, wirtschaftlich und politisch wieder stark zu werden. Seit den späten 1970er-Jahren hat China einen wirtschaftlichen Aufschwung vollzogen, der historisch ohne Beispiel ist. Und wenn Chinas Führung ihre weiteren Ziele verwirklichen kann, ist er noch nicht zu Ende.

Tatsachen statt Marxismus

„Die große Frage des 21. Jahrhunderts lautet: Was will China? […] China will das, was es immer sein wollte […] es will wieder eine Supermacht sein.“ Deshalb öffnete sich China unter Deng Xiaoping und suchte die Wahrheit nicht mehr im Marxismus, sondern in den Tatsachen. Das blieb bis heute so, wobei der Stellenwert der Partei als Machtzentrum ausgebaut wurde. Auch in dieser Hinsicht lässt sich die Wahrheit in den Tatsachen finden. Mit Xi Jinping schließt sich der Kreis des letzten Aufstiegs, der mit Mao begann. Denn: „In ihren eigenen Augen haben die Chinesen ein Anrecht darauf, eine führende Weltmacht zu sein und sie wollen auf den ihnen gebührenden Platz an der Spitze der Weltordnung zurückkehren.“

Wenn China nicht die Weltordnung bestimmt, steht „die Welt auf dem Kopf“. Das lässt sich aus der chinesischen Geschichte verstehen. Schumans chinesische Weltgeschichte zeichnet aus, dass es die Konzentration auf die Dominanz Chinas legt. Er lockt in Chinas Geschichte und sensibilisiert für das, was als chinesisches Zeitalter kommt. Dieser lehrreiche Blick in Chinas Vergangenheit ist ein Blick in unsere Zukunft.

Michael Schuman: „Die ewige Supermacht. Eine chinesische Weltgeschichte“ ist gestern im Propyläen Verlag erschienen
 

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Bernd Muhlack | Di., 1. Juni 2021 - 16:45

Bei dem Bild fielen mir spontan die Zerstörungen der Buddha-Statuen in Bamian seitens der Taliban ein.
Jeder hat eben seine eigenen Denkmalstürmer, nicht wahr?
Ich denke, dass ich mir dieses Buch kaufen werde; der nächste Lockdown kommt bestimmt!

Bekanntlich stamme ich aus Koblenz, bin e Schängelsche. Koblenz wurde vor etwa 2000 J von den Römern gegründet: "confluentes" = der Zusammenfluss von Vater Rhein u Mutter Mosel.

& "CHINA" packt noch tausend Jahre drauf!
Da ist die "Kulturrevolution" von Mao fürwahr nur ein Vogelschiss, oder?
Ja, diese Asiaten u ihre Weisheiten.
Das Buch von Oskar Weggel: "Die Asiaten" ist lesenswert, hilfreich; aus 1989.
Ich weiß nicht, was Präsident Xi dachte, als beim chaotischen G-20-Gipfel in der ElPhi "Freude schöner Götterfunken" intoniert wurde.
Er lächelte - wie immer!

Nein, persönlich kenne ich keinen Chinesen, ich habe einen Japaner u eine Nepalesen (inzw. D) im Angebot.

Tochter lebt in UK. Sie sagt, Chinesen seien anders, seltsam.
Monty Python!

Christa Wallau | Di., 1. Juni 2021 - 17:57

Bevor ich das Buch von Schumann gelesen habe, möchte ich vorab behaupten, daß es m. E. drei wesentliche Säulen gibt, auf denen die Stärke Chinas basiert:
1. Die absolute Überzeugtheit von der eigenen
Größe und Überlegenheit, die auch in Zeiten des Unterdrücktseins u. der Abhängigkeit niemals schwand. Sie beruht auf der langen, macht- und geistvollen Geschichte bzw. Tradition des chines. Volkes.Kein Denker o. Politikerin China hat sie je in Frage gestellt!
2. Die Bereitschaft der Chinesen, sich einem
starken Führer unterzuordnen - bedingungslos
im Interesse des Landes. Ob dies der Kaiser oder Mao war oder jetzt Xi Jinping - ein überwältigende Mehrheit der Chinesen beugt sich willig der Staatsdoktrin.
3. Der klare, kalte Blick auf die Realitäten, der das
Machbare (große Ziele) und vor allem das Materielle im Auge hat und dafür im Extremfalle alles opfert: Zeit, Arbeitskraft, Familienleben, auch Empathie für den Nächsten und Individualität.
Das ist eine ganze Menge!!!

1. Überzeugt vom deutschen Wesen, an dem der Rest der Welt genesen durfte - waren wir mal. Bis zur selbstverursachten Katastrophe.
2. Den starken Führer....Da muss man nicht mehr dazu sagen. ..befiehl, wir folgen! Was wir gemacht haben.
3. Da liegt wohl der Hase im Pfeffer. China ist ein menschenreiches Riesenland, mit enormen Möglichkeiten.
Deutschland war das nie, aber glaubte, es zu sein. Wegen ein paar Wissenschaftlern, Erfindern, Künstlern, viele davon jüdisch.
Aber dafür hatten wir Soldaten aus Kruppstahl. Deutsche Erfolgsgeschichte, frei nach Gauland.

Die üblichen Nationalisten glauben das scheinbar noch immer. Weshalb sie noch immer nicht verstanden haben, warum Deutschland nur als Teil Europas seine Interessen wahren kann.

Die Chinesen hatten keine Reformation in der Religion im 16. Jhdt., mit ihrer individuellen Beziehung zu Gott, sie hatten keine weitere Befreiung des Individuums durch die Aufklärung, und die mehr als 250-jährige Entwicklung, die die westliche Zivilisation seitdem prägen. Nur chinesische Intellektuelle, die die westliche Kulturtradition studiert und/oder kennengelernt haben, verstehen uns Ansatzweise. Die große Mehrheit der Chinesen versteht uns nicht. Sie verstehen auch die verwestlichten Chinesen in Hongkong und Taiwan nicht. Uns wollen sie nur überlisten und wenn möglich verdrängen, die Chinesen in Hongkong und Taiwan wollen sie mit Repression wieder zu " normalen Chinesen " machen. Die rigide chinesische Kulturdoktrin ist auch der Hintergrund für die Konflikte mit Tibet und den Uiguren.

Das trifft es es eher. Ich empfehle die Lektüre des Buches "Mein Leben unter zwei Himmeln" von Y.C. Kuan, der später Professor für Sinologie in Hamburg wurde. Seine spannende, aber auch sehr grausame Lebensgeschichte, manchmal schwer auszuhalten. Er wuchs in Shanghai auf, wurde nach anfänglichem Widerwillen ein überzeugter Partei-Patriot, der daran glaubte, dass es das Ziel der KP sei, sich für das Wohl der Menschen im Lande einzusetzen. Es hat mich traurig und fassungslos gemacht, zu lesen, wieviel Grausamkeiten sich ein Mensch antun läßt, bis er seine liebgewonnenen Überzeugungen losläßt und die Wahrheit, die dahinter steht, erkennt.

Christoph Kuhlmann | Mi., 2. Juni 2021 - 10:48

wie andere Länder auch, wird es zu stark hat es irgendwann eine riesige Koalition gegen sich. Die USA haben das Problem mit Demokratie und Nato geschickt umgangen. Doch die kapitalistische Diktatur des Proletariates hat nur wenige Anhänger. Es ist ein gigantischer Aufholprozess einer uralten Hochkultur, der mir Hoffnung macht, das auch andere alte Hochkulturen bei einer pragmatischen, am Materialismus orientierten Führung das westliche Wohlstandsniveau erreichen konnten. Ich hatte chinesische Kommilitonen während meines Soziologiestudiums in Bielefeld und frage mich manchmal, was der ein oder andere nun in China macht. Es war sicher klug erst die Wirtschaft zu reformieren und nicht mit der Demokratie zu beginnen wie in Russland. Das Ergebnis sind in beiden Ländern Systeme mit autokratischen Zügen aber mit vollkommen verschiedenen ökonomischen Erfolgen.