Beim Betreten des Deutschen Pavillons steht man zuerst in einem schlichten Metallgerüst / picture alliance

Venedig-Biennale - Germania macht zu

Der Deutsche Pavillon auf der Biennale von Venedig ist alles andere als eine Wohlfühl-Veranstaltung. Für die internationale Kunstausstellung erschuf die Installationskünstlerin Natascha Süder Happelmann ein klares Statement zur Festung Europa

Elke Buhr

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Elke Buhr ist Chefredakteurin des Monopol Magazins

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Überall Leben in den Giardini am ersten Tag der Vorbesichtigung der Biennale von Venedig. Die Pavillons haben ihre Türen weit geöffnet, die Leute plaudern und schlendern. Nur Venezuela ist in diesem Jahr leer und öd  – das Land ist in der Krise, keine Zeit für Kunst. Und auch der deutsche Pavillon wirkt verwaist, die Türen des klassizistischen Nazi-Baus sind verrammelt. Germania macht zu.

Man muss zum Hintereingang, um zu verstehen, was los ist im Deutschen Pavillon. Zuerst steht man in einem schlichten Metallgerüst, an dem acht Lautsprecher befestigt sind. Stimmen erklingen, Musik, Sounds: Es ist die Komposition, die die Künstlerin des deutschen Pavillons, Natascha Süder Happelmann, gemeinsam mit sechs sehr internationalen Musikerinnen und Musikern geschaffen hat. Mal hört man Bruchstücke der elektronischen Beats von Jako Maron aus La Réunion, mal den tranceartigen Minimalismus des Ägypters Maurice Louca, manchmal hört man auch nur ein paar Vögel zwitschern, manchmal schrille Trillerpfeifen des Protestes.

Staudamm mit Schnupfen

„Tribute to whistle“ heißt die Soundinstallation: Es bezieht sich auf die Technik von Asylsuchenden, Zugriffe der Polizei, die jemanden abschieben wollen, mit Trillerpfeifen abzuwehren. Ein Teil der Komposition nimmt auch den Klang von Schiffshörnern auf, der Resonanzraum ist das Mittelmeer, Schauplatz des Migrationsdramas. Man könnte sich eine Weile hier niederlassen, an den Stangen des raumfüllenden Gerüstes sind karge Metallsitze befestigt.

Aber erst einmal führt der Weg durch den Nebenraum in den vorderen Teil des Pavillons. Hier: eine graue, raue Riesenwand mit einer winzigen Öffnung, aus der eine undefinierte schwarze Masse getropft ist wie Rotz aus einer Nase. Davor liegen ein paar Findlinge herum, auf denen man auch sitzen könnte. Natascha Süder Happelmann hat den deutschen Pavillon mit einer massiven Stauwand gefüllt. Eine Stauwand, die die diversen Stimmen auf der anderen Seite aussperrt.

Ein Deutschland, das Menschen abstößt wie Teflon

Ein skulpturales Objekt im Nebenzimmer macht die Thematik noch klarer: gestapelte Plastikobstkisten, wieder Gestänge, es geht um die Tomaten aus dem Süden Europas, die von illegalen Einwanderern unter erbärmlichen Bedingungen gepflückt werden. Den Pavillon selbst haben Natascha Süder Happelmann und Kuratorin Franciska Zolyom so belassen, wie sie ihn vorgefunden haben, mitsamt der Abbruchspuren der letzten Ausstellung und den Flecken an den Wänden. Nichts sollte übertüncht und schick gemacht werden, nicht einmal Licht wurde gesetzt – er wird bespielt, als sei er bereits eine Ruine.

Schon im Vorfeld hatte es viele Hinweise gegeben, dass Natascha Sadr Haghighian, die sich in einer ersten ironischen Volte für die Rolle der Künstlerin des deutschen Pavillons in Natascha Süder Happelmann eingedeutscht hatte, sich mit der Problematik der Einwanderung beschäftigen würde, mit dem Schicksal von Asylsuchenden, die abgeschoben werden, mit einem Deutschland, das Menschen abstößt wie Teflon und ein Heimatministerium einrichtet, anstatt sich mit der Realität einer durchmischten Gesellschaft auseinanderzusetzen.

Ein absolut eindeutiges Zeichen

Die Sprecherin der stummen Kunstfigur Süder Happelmann trägt den Namen Helene Duldung. Und in Filmen, die auf der Website des deutschen Pavillons veröffentlicht wurden, sah man Süder Happelmann, einen Stein aus Pappmaché auf dem Kopf, durch öde Landschaften im Süden Italiens laufen, wo die Illegalen unter härtesten Bedingungen in der Landwirtschaft arbeiten.

Mit ihrem Staudamm hat Süder Happelmann nun eine massive Metapher für die Festung Deutschland gebaut. Der Humor, der von Anfang an in ihrem Pappmaché-Kopf versteckt lag, ist ihr auch hier nicht ganz verloren gegangen, er scheint in dem Leck wieder auf, das den Staudamm mit seiner Rotznase versieht. Aber insgesamt ist ihr Pavillon alles andere als eine Feel-Good-Veranstaltung. Er ist eine klare Parteinahme, ein absolut eindeutiges Zeichen: Europa schottet sich ab. Aber der Reichtum, die Vielfalt, die Schönheit wartet hinter der Wand und will hinein. Und einen Klang kann man nicht aussperren.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Monopol.

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Ernst-Günther Konrad | Fr., 10. Mai 2019 - 08:26

"Mit ihrem Staudamm hat Süder Happelmann nun eine massive Metapher für die Festung Deutschland gebaut."
Eine Festung ist im Allgemeinen ein durch Wehranlagen stark befestigter Ort. (wiki)
Schon das Bild zeigt den Widerspruch zu den realen Verhältnissen. Europa ist gerade keine Festung. Ein löchriger Käse hätte als Methapher besser symbolisiert.
Eine Festung bedeutet zudem, dass diejenigen, die in ihr wohnen gemeinsamen Verteidigungswillen gegen Angriffe von außen abwehren wollen und sich schützen. Genau das findet in Europa, angeblich vertreten durch die EU gerade nicht statt. Während einige Staaten ständig daran sind, diese Festung zu verbessern, dicht zu machen, dem "Angreifer", denen die man nicht in der Festung haben will, den Zugang zu verweigern, öffnen bzw. halten andere Staaten reguläre Zugänge offen oder unterwandern mit ihrer Politik den Schutzgedanken dieser Festung. Die Künstlerin sendet eine Botschaft. Es ist nicht die Botschaft Europas., sondern die links-grüner Ideen.

Jürgen Keil | Fr., 10. Mai 2019 - 09:59

Fragt doch einfach mal die, die "schon länger hier leben", die mit ihrer Arbeit, mit ihren Steuern unser Land unter- und erhalten. Das Ergebnis einer Volksbefragung nach Schweizer Vorbild wäre zu respektieren. Ein alter Spruch aus DDR- Zeiten: Über Italien lacht die Sonne, über Deutschland die ganze Welt.

Werter Herr Keil ihr Kommentar trifft auch mein Meinung . Über Italien lacht die Sonne,Über Deutschland lacht die ganze Welt .

Thomas Rießinger | Fr., 10. Mai 2019 - 10:20

Manche Leute verwechseln billige Politpropaganda mit Kunst.

oliver pasch | Sa., 11. Mai 2019 - 05:02

de facto ist die brd - das land mit den vergleichsweise armen eu - bürgern - incl . sozial und weltverbesserungsprojekten sowie der pensionsansprüche mit 248 % des bsp verschuldet . der druck der migration auf wohnungsmarkt , einfache arbeiten , schulen und sozialkassen ist beträchtlich , für afrika und den mo jedoch unbedeutend .
bewältigt werden soll das ganze von 8 mio steuerzahlern unter 45 - mathematisch zweifelhaft . die leistungsträger beginnen zu packen …….. somit bleibt ihnen genug für den erwerb von teurer kunst und einem schönen zimmer im danieli , blick auf den canale grande . und das berühmte risotto auf der dachterasse . mit NZZ statt süddeutsche , taz und spiegel . mit orf statt ör.