
- „Wäre Laschet Fußballer, müsste er das Spielfeld verlassen“
Es wird eng für die CDU bei der Bundestagswahl. Derzeit liegt sie nur noch zwei Prozentpunkte vor der SPD. Was müsste ihr Spitzenkandidat tun, um das Ruder herumzureißen? Meinungsforscher Manfred Güllner über Laschets Fehler, die Tücken der Briefwahl und die Macht der Umfragen.
Manfred Güllner ist Gründer und Geschäftsführer von Forsa, einem der bekanntesten Meinungsforschungsinstitute in Deutschland.
Herr Güllner, die CDU stürzt in Umfragen gerade ab. Nach der jüngsten Forsa-Umfrage liegt sie zum ersten Mal nur noch zwei Prozentpunkte vor der SPD. Ist das Afghanistan-Desaster der Sargnagel der Union bei der Bundestagswahl?
Nein, die Werte der Union sind ja schon zurückgegangen, bevor sich die Ereignisse in Afghanistan überstürzten. Die CDU kann zwar auch noch weiter abstürzen – aber darauf dürfte Afghanistan keinen großen Einfluss haben. Und wenn, würde auch dafür eher der Außenminister verantwortlich gemacht, und der ist in der SPD.
Die Verteidigungsministerin steht aber auch am Pranger.
Das würde sich dann ausgleichen. Und im Übrigen werden die Ereignisse in Afghanistan von den Bürgern – anders als der Irak-Konflikt 2002 – nicht als unmittelbare Bedrohung empfunden.
Wie bitte? Die Gefahr von islamistischen Terroranschlägen ist extrem gewachsen, und auch vor einer möglichen Flüchtlingswelle haben viele Menschen Angst. Nicht umsonst hat der CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet gesagt, es dürfe kein zweites 2015 geben.
Es dürfte eine Fehleinschätzung der CDU sein, wenn sie glaubt, dieses Thema ansprechen zu müssen. Hier wird ein Popanz aufgebaut, der, wenn überhaupt, nur der AfD nutzt.
Also war es taktisch unklug von Laschet, das angesprochen zu haben?
Ja, denn auf der einen Seite sagt er, die Entscheidung der Bundeskanzlerin von 2015 sei richtig gewesen, und die trage er bis heute mit. Auf der anderen Seite sagt er, es dürfe kein zweites 2015 geben. Dadurch, dass er sich wieder einmal so widersprüchlich äußert, verfestigt sich das negative Laschet-Bild.
Am 25. August beginnt die Briefwahl. Coronabedingt ist damit zu rechnen, dass bis zu 50 Prozent der Wähler ihre Stimme jetzt schon abgeben. Inwiefern verändert eine hohe Briefwahlbeteiligung Ihre Prognose?
Bei unseren kontinuierlichen Ermittlungen der politischen Stimmung, die im Übrigen keine Prognosen sind, fragen wir immer schon – wie andere seriöse Institute auch – ab dem Zeitpunkt, wo Briefwahlen möglich sind, danach, ob man seine Stimme schon per Briefwahl abgegeben hat. Und wenn ja, welche Partei man gewählt hat. Mit der hohen Zahl der Briefwähler gibt es nur Probleme bei den 18-Uhr-Prognosen am Wahlsonntag. Die beiden Institute, die das noch tun – infratest Dimap und die Forschungsgruppe Wahlen für die ARD und das ZDF – können am Wahltag nur die Urnen-Wähler, nicht aber die Briefwähler befragen. Und da sich das Wahlverhalten der Urnen- und Briefwähler unterscheidet – nur ganz wenige AfD-Anhänger wählen zum Beispiel per Briefwahl –, kann das zu weniger präzisen Prognosen um 18 Uhr und zu einer Überschätzung der AfD-Stimmen führen.