Mecklenburg-Vorpommerns „Klimastiftung“ - Hat Schwesigs Regierung russisches Schmiergeld angenommen?

Zehn Millionen Euro aus einer Gazprom-Zuwendung an die „Klimastiftung“ fließen als Schenkungsteuer an das Land Mecklenburg-Vorpommern. Damit könnte der Straftatbestand der Vorteilsnahme erfüllt sein, sagt der Jurist und ehemalige Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann. Die Staatsanwaltschaft müsse gegen Schwesig und Co. ermitteln.

Manuela Schwesigs Landesregierung steht wegen des „Kamin-Gates“ unter Druck / dpa
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Ulrich Thiele ist Politik-Redakteur bei Business Insider Deutschland. Auf Twitter ist er als @ul_thi zu finden. Threema-ID: 82PEBDW9

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Karl-Georg Wellmann, geboren 1952 in Berlin, ist Rechtsanwalt und Notar. Von 2005 bis 2017 saß er für die CDU als Abgeordneter im Bundestag.

Herr Wellmann, Sie sagen, im Kontext der 10 Millionen Euro Schenkungsteuer für eine Gazprom-Zuwendung an Manuela Schwesigs „Klimastiftung“ könnte ein Straftatbestand erfüllt sein. Können Sie das bitte so erläutern, dass Laien es verstehen?

Gazprom hat der Stiftung 20 Millionen Euro geschenkt. Nach dem Schenkungsteuerrecht geht die Hälfte davon an das Land Mecklenburg-Vorpommern. Das heißt, es ist eine mittelbare Zuwendung von Geld des Gazprom-Konzerns an die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern. Im Gegenzug hat diese Landesregierung die Stiftung gegründet, genehmigt, ihr Kapital zugeführt und sie ständig gefördert – und somit auch Gazprom.   

Aber ursprünglich wollte das Finanzamt die zehn Millionen Steuer ja laut unseren Recherchen gar nicht haben. Und auch Schwesig und ihre Regierung haben immer von 20 Millionen Euro für den Klimaschutz gesprochen, nicht von zehn. Der Eindruck liegt eher nahe, dass man davon ausging, die Stiftung um die Steuerpflicht „schleusen“ zu können – und dann infolge des öffentlichen Drucks eine Kehrtwende eingelegt hat, nachdem wir im April 2022 über die bestehende Steuerpflicht berichtet hatten.

Was ursprünglich politisch gewollt war, spielt keine Rolle. Wir haben geltendes deutsches Steuerrecht, die Finanzbehörden in Mecklenburg-Vorpommern haben dementsprechend im September einen Steuerbescheid erlassen und verlangen von der Stiftung, so wie es Gesetz und Recht entspricht, zehn Millionen Euro Schenkungsteuer. Wenn Unternehmen an eine Körperschaft spenden, beträgt der Steuersatz 50 Prozent. Das wusste man vorher. Das heißt, anstatt eine direkte Zuwendung von Gazprom an die Landesregierung zu machen, was rechtswidrig wäre, hat man den scheinbar eleganten Weg über die Schenkungsteuer gewählt. Die Ministerpräsidentin ist ausgebildete Steuerfachfrau. Schwesig und der damalige Finanzminister mussten als Steuerexperten wissen, dass für diese Zuwendung die Hälfte ans Land geht. Und 20 Millionen für den Klimaschutz ist ein Märchen. Im Verhältnis zu den Einnahmen der Stiftung wurde nur ein verschwindend geringer Betrag dafür abgezweigt.

Der Jurist und ehemalige Bundestagsabgeordnete
Karl-Georg Wellmann (CDU) / dpa

Also unterstellen Sie vorsätzliches Handeln?

Natürlich. Jeder Rechtsanwalt, jeder Steuerberater weiß das. Und Schwesig ist ausgebildete Steuerfachfrau, sie musste das auch wissen. Die Zuwendung ist im Kabinett diskutiert und verabschiedet worden. Man musste wissen, dass dem Land Mecklenburg-Vorpommern ein Vorteil von 10 Millionen Euro durch die Gazprom-Zahlung entsteht. Ob daraus der Straftatbestand der Vorteilsnahme folgt, muss jetzt die Staatsanwaltschaft ermitteln.

Die Staatsanwaltschaft kann nicht gegen das Land Mecklenburg-Vorpommern ermitteln, das die Stiftung gegründet hat. Gegen welche Personen sollen sich die Ermittlungen richten?

Gegen alle, die im Kabinett saßen und mindestens mit bedingtem Vorsatz gehandelt haben, weil sie wissen mussten, dass dieser Effekt mit der Gazprom-Zuwendung verbunden ist. Also auch gegen Manuela Schwesig.

Nehmen wir an, es kommt so weit, dass ermittelt wird. Schwesig wird sicherlich sagen, dass sie nicht mit Vorsatz gehandelt hat, sondern einen Tatbestandirrtum oder Fahrlässigkeit geltend machen. Dafür spräche, dass sie immer von 20 Millionen Euro für die Stiftung gesprochen hat. Oder sie wird, wie sie es bereits getan hat, ihren Energieminister, Christian Pegel, als Verantwortlichen vorschieben, weil er als federführend bei der Umsetzung gilt und die Satzung unterschrieben hat.

Schwesig und Co. haben vorsätzlich diese Konstruktion gewählt. Und wenn man diese Konstruktion wählt, dann nimmt man in Kauf, weil es so im Gesetz steht, dass das Land die Hälfte dieser Zahlung von Gazprom einstreicht. Ich kann schließlich auch nicht Steuern hinterziehen und dann sagen: „Ich wusste gar nicht, dass ich Steuern zahlen muss.“ In diesem Fall ist es umgekehrt: Jeder, erst recht jeder Steuerfachmann – und das ist Schwesig – musste wissen, dass die Hälfte der Geldzahlung von Gasprom an das Land Mecklenburg-Vorpommern geht, da die Stiftung nicht gemeinnützig ist. Die Staatsanwaltschaft muss nun prüfen, ob das russisches Schmiergeld ist.
 

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Stiftungsrecht ist eine Nische, in der sich nur wenige auskennen.

Dieser Fall hat mit Stiftungsrecht gar nichts zu tun, sondern das ist deutsches Steuerrecht. Und es ist keine komplexe steuerrechtliche Struktur wie bei Cum-Ex – es ist ein sehr einfacher Tatbestand, den jeder Steuerfachmann überblicken kann und muss. Die Zahlung kam als Schenkung an die Stiftung, nicht als Zuführung in das Stiftungskapital und nicht als Entgelt für die Dienstleistung, die die Stiftung erbracht hat, nämlich das Durchschleusen von Gazprom-Geldern in das Pipeline-Projekt. Bei dem Begriff „Schenkung“ denkt der Steuerrechtler als erstes an „Schenkungsteuer“. Der Effekt ist glasklar und das Finanzamt hat ja nun auch einen glasklaren Steuerbescheid ausgestellt. Von Fahrlässigkeit kann hier nicht die Rede sein.

Ich höre Sie schon seufzen, aber noch einmal: Schwesigs Regierung und die Stiftung haben über ein Jahr lang von 20 Millionen Euro Zuwendung geredet. Es scheint, als habe man diese Steuerpflicht erst ernst genommen hat, nachdem darüber berichtet wurde. Vermutlich wäre die Stiftung ohne die Berichterstattung von der Steuer befreit worden, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre.

Das wird ja immer schlimmer, das wäre sogar Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Für Ihre These, dass das möglicherweise vertuscht werden sollte, spricht allerdings, dass die amtliche Akte mit der Steuererklärung verschwunden war. Und jetzt stellt sich eigenartigerweise heraus, dass die in irgendeinem Kamin verbrannt worden ist. Was sind denn das für Zustände im Land Mecklenburg-Vorpommern? Wie in einer Bananenrepublik. Es hilft doch nichts, wenn ich die Steuererklärung verschleppe oder versuche, so einen Vorgang zu vertuschen. Tatsache ist: Darauf sind Steuern zu zahlen, wie jeder Privatmann auch Steuern zahlen muss auf Schenkungen – und Schwesig wusste das. Mag sein, dass man es vertuschen wollte, aber jetzt ist es auf dem Tisch: Der Effekt, den man in Kauf genommen hat, ist eingetreten und damit fließt die russische Schenkung zu 50 Prozent an das Land Mecklenburg-Vorpommern.

Das, wie Sie bereits sagten, wiederum Gazprom große Dienste geleistet hat.

So ist es. Die Gründung war ein Beschluss der Landesregierung, später des Parlaments. Die Gründer um Schwesig haben Stiftungskapital in Höhe von 200.000 Euro zur Verfügung gestellt. Sie haben diese Stiftung in jeder Hinsicht gefördert – was an sich nicht rechtswidrig ist. Das Verwaltungshandeln bei der Gründung war als solches rechtmäßig. Aber das Gesetz sieht vor, dass auch Zuwendungen, die für ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln gezahlt werden, strafbewehrt sind. Ich darf einem Beamten oder einer öffentlichen Körperschaft auch für ein rechtmäßiges Handeln kein Geld zukommen lassen. Ich darf mich nicht mit einem Geldgeschenk oder sonstigen Geschenken bedanken, wenn mir zu Recht eine Baugenehmigung erteilt wird – damit mache ich mich strafbar. Und es kann nicht sein, dass die Normalbürger in solchen Fällen bestraft werden, die Großen aber damit durchkommen.

Nun will die Stiftung gegen den Steuerbescheid klagen. Sie vertritt die Auffassung, die Zuwendung sei steuerbefreit – und das Finanzamt schien das zunächst auch so zu sehen. Begründung: „Die Zuwendungen der Nord Stream 2 AG sind steuerfrei gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 15 2. Alternative ErbStG. Danach wären solche Vermögenanfälle schenkungsteuerfrei, die ausschließlich Zwecken des Bundes, eines Landes oder einer inländischen Gemeinde (Gemeindeverband) dienen.“

Die Argumentation ist vollkommen abwegig. Die Bundesregierung hat immer gesagt, Nord Stream 2 sei ein rein kommerzielles Projekt der Industrie und diene nicht staatlichen Interessen, sondern nur privaten. Und welche Absichten Russland mit der Pipeline verfolgte, bekam Europa nach dem Einmarsch in die Ukraine schmerzhaft zu spüren.  

Die Stiftung sagt, die Zuwendung unabhängig von der Stiftung betrachtet diene nur gemeinwohlorientierten Umweltzwecken in Mecklenburg-Vorpommern und solle deswegen steuerbefreit sein.

Wie sollen denn die 20 Millionen Euro den Interessen des Landes dienen, wenn sie in eine Stiftung fließen, die als Schutzschirm im Interesse von Gasprom und des russischen Staates handelt? Die Stiftung war ein Schleusungsinstrument, in dessen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb Gazprom weit über 100 Millionen Euro investiert hat, um die Gaspipeline fertigzustellen. Die Stiftung diente dem Interesse des Gazprom-Konzerns, damit er die Pipeline fertigbauen konnte, die nicht irgendeinem Bundesland gehört, sondern Unternehmen – insbesondere Gazprom. Wir müssen gar nicht diskutieren: Die Finanzbehörde hat das anders gesehen und einen Steuerbescheid erlassen. Diese absurden Behauptungen sind lediglich der Versuch zu verschleiern, zu vertuschen und zu vernebeln. Nichts anderes.

Hier in Hamburg wurde der Generalstaatsanwalt von der SPD unter Scholz' Ägide besetzt. Staatsanwälte sind bekanntlich weisungsgebunden, und jedes Mal, wenn Scholz oder seine Genossen etwas verzapfen, kommen sie damit durch.

Er ist weisungsgebunden und ist in der Beförderungsstruktur seiner Behörde von der Landesregierung abhängig. Es wäre nur menschlich, genau zu überlegen, ob ich gegen die eigene Landesregierung ermittle.  

Warum sollte das in Mecklenburg-Vorpommern anders sein?

Um den Anschein der Interessensverquickung zu vermeiden, sollte den Fall eine andere Behörde übernehmen. Es ist gute deutsche Tradition, dass zum Beispiel höchste Gerichte nicht am Sitz der Regierung sind, damit man getrennt ist und sich nicht abends zum Wein trifft. Deshalb ist der Bundesgerichtshof in Karlsruhe beziehungsweise in Leipzig und nicht in Berlin. Und wenn ich den Verdacht habe, dass eine Landesregierung etwas Unrechtes getan hat, was strafrechtlich relevant sein könnte, dann wäre es klug zu sagen: Das soll bitte die Ermittlungsbehörde eines anderen Bundeslandes untersuchen.

Das Gespräch führte Ulrich Thiele.

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