Eine Lupe vergrößert am 28.02.2013 die Ergebnisse des bei Google gesuchten Begriffs "Papst". Im Bundestag soll über den Gesetzentwurf zum Leistungsschutzrecht abgestimmt werden. Bei dem Gesetz geht es darum, ob Internet-Suchmaschinen und automatische Nachrichtensammler Lizenzgebühren an Presseverlage bezahlen müssen, wenn sie Bestandteile von deren Texten verwenden.

Leistungsschutzrecht - Ein Etappensieg der freien Presse und der Demokratie

Schluss mit dem Datenklau im Internet: Stimmt das EU-Parlament zu, müssen Datenkonzerne wie Google Verlegern und Journalisten künftig Lizenzgebühren dafür zahlen, dass sie ihre Texte verbreiten. Verklagt worden war Google von der VG Media. Ihr Geschäftsführer erklärt, warum dieses neue EU-Urheberrecht schon längst überfällig sei

Autoreninfo

Markus Runde ist Medienrechtler und Geschäftsführer der VG Media, der Gesellschaft zur Verwertung der Urheber- und Leistungsschutzrechte von Sendeunternehmen und Presseverlegern

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Am 6. Mai 2015 stellte der EU-Kommissar Günther Oettinger seine Anregungen für den digitalen Binnenmarkt vor. Dazu gehöre, so Oettinger damals, dem deutschen Vorbild folgend, unter anderem der Erlass eines europäischen Leistungsschutzrechtes für Presseverleger. In den darauffolgenden 46 Monaten wurde agitiert, appelliert, abgelenkt und gelogen. Manchmal erhielten die EU- Parlamentarier an einem Tag 71239 automatisch generierte, elektronische Nachrichten gegen den Erlass des Rechts. Fast immer ging es um Großes, um die „Zerstörung des freien Internets“. Immer wollten Google, Facebook und die anderen nur das Beste für ihre Nutzer, den Journalismus, die Verleger und vor allem die Demokratie. Leser sollten doch nur ihre Zeitungen finden. Google helfe ihnen über den digitalen Zebrastreifen, in all dem Verkehr und ganz umsonst. Selbst unsere Kinder wurden von der Google Tochter You Tube, dem ach so kreativen Spielzeug, gegen die Urheberrechtsreform in Stellung gebracht.

Erst spät und nur in wenigen Fällen wurde wahrhaftig, diskursiv, gerungen, etwa ob die Gewährung eines Immaterialgüterrechts für elektronische Presseverleger ein geeignetes Mittel der Presseverleger in der Auseinandersetzung mit Google, Facebook und weiteren trittbrettfahrenden Aggregationsdiensten sein kann, oder ob das Kartellrecht nun „ran“ muss, weil kein Restwettbewerb besteht. Weil Markteintrittsschranken wegen der Akkumulation der Riesendatenmengen – und dazu in kapillarer Qualität – so hoch sind, dass kein Unternehmen, ob alt oder „startend“, Wettbewerb auslösen kann. 

Noch fehlt der Segen des EU-Parlaments

Nun könnte das alles bald vorbei sein: Der Europäische Rat, die EU-Kommission und das Europäische Parlament haben sich darauf verständigt, dass die Presseverleger ein Leistungsschutzrecht erhalten, die Zustimmung des Europäischen Parlaments im März oder spätestens April 2019 vorausgesetzt. Auch ein Anspruch der Journalisten auf eine angemessene Vergütung für die Nutzung ihrer Rechte durch Suchmaschinenbetreiber und andere Dienste soll gewährt werden. Kommt das neue europäische Leistungsschutzrecht für Presseverleger, werden die EU-Mitgliedsstaaten bis 2021 verpflichtet sein, das Recht in nationale Ordnungen zu transformieren. Google, Facebook und andere Dienste haben spätestens dann überall in der EU zu zahlen, soweit sie weiterhin digitale Presseerzeugnisse in der Liste ihrer Suchergebnisse aufführen und auf diese Weise das Leistungsschutzrecht der Presseverleger sowie die Urheberrechte der Journalisten verwerten.

Wie eine solche Zahlung aussehen kann, zeigt der Blick von Brüssel nach Osten: Das deutsche Presseleistungsschutzrecht vom 1. August 2013 ist Pate des europäischen. Die deutschen Presseverleger klagen auf dieser Grundlage bereits seit 2014 gegen die Google Inc. mit Sitz im kalifornischen Mountainview. Die Auseinandersetzung ist das Vorhutgefecht, mit prägenden Wirkungen für alle europäischen Rechteinhaber. Allein die Zustellung der Klage in Kalifornien hatte Monate gedauert. Die deutschen Verleger verlangen, würden sich alle deutschen Herausgeber von Presseerzeugnissen der Klage anschließen, für die Nutzung der Leistungsschutzrechte und die Ansprüche der Journalisten nicht weniger als 11 Prozent des Jahresumsatzes aus dem Betrieb der Suchmaschine der Google Inc. in Deutschland. Google Inc. bilanziert die Deutschland-Umsätze aber gar nicht in Deutschland, sondern über die Google Ireland Ltd. mit Sitz in Dublin. Daher haben die deutschen Presseverleger auch auf Auskunft der Umsätze aus Deutschland geklagt.

Google droht eine Nachzahlung in Milliardenhöhe

Unterstellt man Google-Umsätze aus Deutschland von 2013 bis 2019 in Höhe von 5 bis 9 Milliarden Euro pro Jahr, hätte die Google Inc. für die Nutzung der Rechte der deutschen Presseverleger und Journalisten seit August 2013 bereits Milliarden nur an deutsche Presseverleger und Journalisten nachzuzahlen. Dieses Geld bliebe nicht bei der für die Presseverleger klagenden VG Media GmbH, sondern flösse an alle klagenden Presseverleger und von dort, in einem auszuhandelnden Umfang, auch an die Journalisten. Das Landgericht Berlin hat bereits erklärt, die Ansprüche der deutschen Presseverleger seien „mindestens in Teilen begründet“. Es ist also nicht phantastisch, sondern denkbar, wenn nicht sogar überwiegend wahrscheinlich.

Ein Eigentumsrecht leistet natürlich einen Beitrag, Presse, recherchierte und differenzierte Inhalte zu erhalten. Ein Eigentumsrecht schützt vor unentgeltlicher, ungefragter Übernahme der eigenen Leistungen durch fremde Digitalmonopolisten. Freie Presse bleibt finanzierbarer, die Möglichkeit zur Meinungsbildung, dem „Klebstoff unserer Gesellschaft“, ist wahrscheinlicher. Die Zahlungen wären der materialisierte Beleg dafür, dass Eigentumsrechte auch im Netz gelten. Der verständliche Eindruck vieler, es gebe eine analoge Rechtsordnung für alle und eine digitale Ordnung, die allein dem technischen Imperativ Googles, Facebooks oder Apples folge, würde nicht weiter verstärkt.

Keine Freiheit ohne Recht – nicht das Größte vielleicht für die wenigen Gesellschafter Googles oder Facebooks, aber für die Mehrheit: kein schlechtes Ergebnis für die Demokratie!

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gerhard hellriegel | Fr., 15. Februar 2019 - 14:30

Gelten eigentlich diese Eigentumsrechte nur für die Verlage oder auch für die Nutzer? Ja, Google akkumuliert Daten, ist sonst noch jemand dabei?
Und was hat die beanstandete Funktion von Google mit deren Datensammelei zu tun? Ich benutze DuckDuckGo als Suchmaschine, die sammeln keine Daten, sind die dann nicht abgabepflichtig?

Armin Latell | Fr., 15. Februar 2019 - 20:11

darf erklären, mit welcher Notwendigkeit er im Garten sämtliche Nutzpflanzen befällt, beschädigt oder zerstört: weil es gut für die Demokratie ist. Ein deutsches Leistungsschutzrecht ist schon 2013 in Kraft getreten. Bis heute konnte sich die Bundesregierung auf parlamentarische Anfragen nicht über Sinn oder Unsinn, Erfolg oder Misserfolg erklären, eine abschließende Bewertung sei nach wie vor nicht möglich. Natürlich nicht, es sind ja auch erst 5 Jahre vergangen. So wird die Evaluierung auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben. Also in De mehr oder weniger erfolglos, soll es jetzt die EU „richten“. Das EU Parlament und die EU Kommission, gegen die Stimme Deutschlands, Handlanger von Runge und seiner Verlegerlobby.
https://netzpolitik.org/2018/das-leistungsschutzrecht-ein-zombie-gesetz…
Fakt ist, dass Spanien 2014 ein LSR eingeführt hat; Google hat seinen Dienst News daraufhin dort beendet. Logische Konsequenz.

Marianne Bernstein | Fr., 15. Februar 2019 - 23:33

Auch dieser Pyrrhussieg wird die Verlage nicht retten. Im Gegenteil sie werden google dafür bezahlen damit sie gelistet werden.

Roland Völkel | Mo., 18. Februar 2019 - 20:00

Antwort auf von Marianne Bernstein

Hallo Frau Bernstein,
sie glauben also, dass das ein Pỵrrhussieg für die Verlage ist? Ich hoffe nicht! Das ist leider eine Begleiterscheinung der "Umsonst-Mentalität" des Internet. Alles haben wollen aber Nix dafür zahlen. Google & Co. leben aber nicht von verkaufter Auflage sondern von Werbung & Daten-Sammeln.
Was würden Sie denn davon halten, wenn ich ihre "Arbeit" (Artikel, Essay´s (o.ä.)einfach abgreife und ins Netz stelle, natürlich für "Lau".
Warum gehen Musiker & Bands heute so häufig auf Tour (Konzerte)? Ganz einfach: weil Spotify & Co. gerade mal 0,05 Cent pro Lied vergüten bei den Steamingdienst!
Wie wollen Sie denn z.B. als Redakteur oder eben Musiker davon leben?
Zu guter Letzt: Erst wenn die Verlage nicht mehr existieren, werden Sie mit Tränen in den Augen, diese wieder herbeiwünschen! Qualitätsjournalismus kostet nun mal. Oder sind Sie mit dem Niveau der privaten Sender: RTL, SAT 1 u.a. zufrieden? Und wovon leben diese? Klar,von Spenden & Gemeinnützigkeit! Logisch.

Herrmann Müller | Mo., 18. Februar 2019 - 14:08

Naja, mal schauen ob das kein Schuss ins eigene Knie wird. Politisch wird da was durchgedrückt was die meisten Wähler nicht wollen und was eventuell massiv bei den nächsten Wahlen durchschlägt.
Merke, du kannst dem Wähler jede Menge Mist auftischen aber nimm ihm nicht sein Spielzeug und die Ablenkung.
Wirtschaftlich gesehen, es wird vermutlich kein Cent mehr bei den Rechteinhabern landen. Das werden die Plattformbetreiber zu verhindern wissen. Notfalls wird mit der Gießkanne gelöscht.