Bankhaus Warburg Hamburg
Das Logo des Hamburger Bankhauses M.M.Warburg & CO ist in großen Lettern über dem Haupteingang befestigt / dpa

Cum-Ex-Geschäfte - Der SPD-Warburg-Komplex

Wegen des Cum-Ex-Skandals werden sich die Bankiers Christian Olearius und Max Warburg vor Gericht verantworten müssen. Den Politikern aber, die dem Hamburger Bankhaus zu Diensten waren, dürfte dieses Schicksal erspart bleiben. Vielmehr stehen die Chancen gut, dass Olaf Scholz als einer der Hauptbeteiligten sogar ins Kanzleramt einzieht.

Aram Ockert

Autoreninfo

Aram Ockert entstammt der Neuen Linken (Jahrgang 1956) und war in jungen Jahren Mitglied des Sozialistischen Studentenbundes (KB), später Gruppe Z und Initiative Sozialistische Politik (Moderne Zeiten). Zugleich war er Mitbegründer der Grünen in Hamburg 1979 und 1980 im Bund (Karlsruhe). 2015 verließ er die Partei Die Grünen, ist ihr aber weiter kulturell verbunden. Nach rund zehn Jahren hauptamtlicher Politik innerhalb der grünen Partei ist er seit rund 25 Jahren in verschiedenen Funktionen – meist als Geschäftsführer – tätig.

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Beim Cum-Ex-Betrug handelt es sich vereinfacht gesagt um die Erstattung nicht gezahlter Kapitalertragssteuern. In Hamburg hatte damit unter anderen auch das Bankhaus M.M.Warburg glänzende Geschäfte gemacht. Das Bankhaus war Teil eines betrügerischen Konstruktes, das einzig zu dem Zweck errichtet wurde, sich vom Staat nie gezahlte Steuern erstatten zu lassen. Mittlerweile – Ende Juli 2021 – hat der BGH bestätigt, dass die von Warburg zu Unrecht erlangten Rückerstattungen von angeblichen Kapitalertragsteuern in dreistelliger Millionenhöhe einzuziehen sind.

Erst Anfang 2016 sollte sich der Wind für die Hamburger Privatbankiers drehen. Es drohte Ungemach durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaft Köln) und das Finanzamt für Großunternehmen in Hamburg, zuständig für die Warburg Bank und scheinbar gewillt, die erstatteten, aber zuvor nicht gezahlten Steuern in Höhe von rund 90 Millionen Euro für die Jahre 2009 bis 2011 von der Bank zurückzufordern.

Kein Zeuge kann sich erinnern

Diese begann intensiv zu intervenieren, um die Beute zu verteidigen. Mit Erfolg. Die Stadt Hamburg verzichtete zunächst auf die Rückforderungen in Höhe von 47 Millionen Euro im Jahr 2016 und versuchte dasselbe noch einmal 2017. Damals wären Warburg beinahe noch einmal 43 Millionen Euro Rückforderungen erlassen worden, bis das Bundesministerium der Finanzen eingriff. Da diesem Handeln des Hamburger Finanzamtes für Großunternehmen auch zahlreiche Gespräche mit dem damaligen Bürgermeister Olaf Scholz vorangingen und im Übrigen auch andere SPD-Größen aktiv einbezogen waren und Warburg 45.500 Euro direkt oder über Tochtergesellschaften der SPD als Spende zukommen ließ, gab es eine breite Debatte in der Stadt über den Einfluss von Unternehmen auf die Hamburger SPD. In Hinblick auf den Komplex Cum-Ex, Warburg und die SPD führte die Debatte schließlich zur Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA). Dies kommentierte die Warburg-Bank am 28. Oktober 2020 so: „Der …eingesetzte PUA dient ausschließlich politischen Zwecken im beginnenden Bundestagswahlkampf und richtet sich vorwiegend gegen den SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz.“ Dass dabei ihr Ansehen beschädigt wird, sei der in Kauf genommene Kollateralschaden, beklagte die Bank.

Wenn der PUA tagt, dann begegnen ihm stets nur Zeugen, die sich angeblich an keinerlei sachfremden Einfluss auf ihre begünstigenden Entscheidungen erinnern können. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass an einem ersten Treffen mit Vertretern der Warburg Bank auch ein Abteilungsleiter aus der Wirtschaftsbehörde teilgenommen hatte, konnte wenigstens dieser mit einer genauen Erinnerung aufwarten: Scholz habe aber keine Zusagen gemacht (NDR, 26. Juni 2021).

Olaf Scholz‘ schlechtes Gedächtnis

Natürlich nicht. Wenn sich der Erste Bürgermeister in Hamburg mit Menschen trifft, gegen die die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts ermittelt, mit Cum-Ex-Geschäften die Bilanz des Geldhauses M.M. Warburg verbessert zu haben, dann macht er keine Zusagen. Würde er sich für den Vermögensvorteil der Stadt einsetzen wollen, wie es seine Aufgabe ist, dann allerdings würde er mitteilen, dass in diesem Interessenskonflikt sein Wirken dem Stadt- und Staatswohl gälte. Eine solche Aussage aber ist nicht bekannt oder überliefert. Stattdessen berief sich Olaf Scholz, der sich gleich dreimal (2016 zweimal und 2017 einmal) mit Christian Olearius von der Warburg-Bank traf, auf sein Gedächtnis, dass sich nicht erinnern mochte.

Nun war ihm Christian Olearius vom Bankhaus M.M. Warburg kein Unbekannter. Scholz war 2012 Festredner auf seinem 70-jährigen Geburtstag, und Olearius hatte mit Wolfgang Peiner die „Hamburger Lösung“ für die Traditionsreederei Hapag Lloyd ersonnen. Das Konsortium, das so entstand, war nach Albert Ballin benannt und umfasste neben der Stadt (HGV), Michael Kühne, der Versicherung Hanse-Merkur, der HSH-Nordbank auch das Bankhaus Warburg. Gemeinsam sollte so eine Übernahme durch die singapurische Reederei Neptune Orient Lines Limited (NOL) 2008 verhindert werden. Dies gelang; und mit der Übernahme des Senats 2011 unter Vorsitz von Olaf Scholz wurde dies auch zum Herzensanliegen von insbesondere zwei Männern: Olaf Scholz und Peter Tschentscher.

Die Signale der SPD

Am 21. Februar 2011 gab der Senat bekannt, dass er in seiner Sitzung am Dienstag eine Drucksache zur Übernahme weiterer Anteile der Reederei Hapag-Lloyd durch das Konsortium Albert Ballin beschlossen habe: „Ein großes und wichtiges Unternehmen Hamburgs soll nicht in falsche Hände geraten“, sagte Olaf Scholz. Finanzsenator Peter Tschentscher ließ sich folgendermaßen vernehmen: „Gefahr des Mehrheitsverkaufs endgültig abgewendet; Hapag-Lloyd bleibt auf Dauer Hamburger Reederei“ (Senats-Pressemittelung, 21. Februar 2012). Erwähnt werden sollte außerdem, dass vom 7. März 2011 bis zum 31. August 2012 auch der Reeder Erk Rickmers der SPD-Fraktion angehörte, der wegen seiner geschäftlichen Interessen und möglicher Befangenheit an der bürgerschaftlichen Abstimmung zum erwähnten Anteilskauf nicht teilnahm. Seine Kandidatur auf Platz 13 der Landesliste war ein von Scholz und Rickmers gleichermaßen gewollter Coup. Er belegt vor allem, wie wichtig Scholz das herzliche Einvernehmen mit der Hamburgischen, maritimen Wirtschaft war. Dies eindrücklich auch dadurch unterstrichen, dass Scholz‘ Wirtschaftssenator Frank Horch zuvor Mitglied der Geschäftsführung Blohm + Voss Shipyards & Services GmbH und zugleich Präses der Handelskammer und kein SPD-Mitglied war.

Die Signale der SPD – durch Wort und Tat – an die organisierte Hamburger Wirtschaft waren, dass sie nicht weniger als die CDU zuvor, ihre, der Wirtschaft, Interessen zur Richtschnur des Regierungshandelns machen würde.

Ausgeprägte Nähe von Politik und Wirtschaft

Nun ist der permanente Dialog zwischen Politik und Wirtschaft schwerlich zu kritisieren. Jede kluge Regierung würde diesen führen. In Hamburg aber gibt es eine besonders ausgeprägte Nähe, die keinerlei Differenz mehr erkennen lässt. Nicht zwischen der Wirtschaft und der Politik an sich, sondern zwischen den Funktionären dieser Wirtschaft und der Führung der SPD. Durch sie wird sichergestellt, dass es seitens derer als „Wirtschaft“ in der Öffentlichkeit Wahrgenommenen keinerlei Wünsche nach Wechsel im Senatsvorsitz gibt. Das Rückgrat dieser Stabilität aber bildet der Verzicht auf eine Politik, die die Wirtschaftsfunktionäre, also den organisierten Wirtschaftslobbyismus zur Konkurrenz (CDU) treiben könnte.

Wenn nun also einer der wichtigsten Wirtschaftsgrößen in Hamburg, der geschäftsführende Gesellschafter und Mitinhaber des Bankhauses M.M. Warburg, Deutschlands größter inhabergeführten Privatbank, einen Termin beim Bürgermeister benötigt, dann ruft er ihn einfach an. Außer, es geht nicht um normale Geschäfte, sondern um kriminelle Handlungen. 2016 steht der Verdacht durch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im Raum und wird durch die Rechtsprechung, in diesem Fall des Finanzgerichts Hessen (4 K 1684/14) gestützt, und durch Ermittlungen der BaFin und ebenso durch die Einrichtung eines PUA Cum-Ex beim deutschen Bundestag flankiert. Der von Olaf Scholz später, als er selbst Finanzminister wurde, abbestellte und in den einstweiligen Ruhestand befohlene Ministerialdirektor Michael Sell hatte als Abteilungsleiter Steuern im Bundesministerium der Finanzen (BMF) 2016 im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften vor dem Untersuchungsausschuss von organisierter Kriminalität gesprochen: „Wenn man grundsätzlich und ich bin der Überzeugung, dass das der Fall ist, dass Cum/Ex strafbar ist […] [...] das ist Organisierte Kriminalität mit einem sehr klaren Plan [...], ganz klar die Kenntnis der einzelnen Abläufe, arbeitsteilig und das Ganze durch Teilung der Ergebnisse“ (BT Drcks. 18/12700, S. 507).

Strippenzieher im Hintergrund

Es drohte ungemütlich zu werden und es bot sich an, dass die Inhaber der Warburg-Bank auf einen der zahlreichen ehemaligen SPD-Senatoren zurückgriffen, um hierüber einen Draht zu einem damals wohl mächtigsten Personen der SPD herzustellen: Johannes Kahrs. Dieser hat, wie es der Zufall will, als Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion im Haushaltsausschuss auch noch beste Beziehungen zum BMF, dem damals noch Wolfgang Schäuble vorstand. Zudem ist Kahrs zu der Zeit als Chef des Seeheimer Kreises einer der wichtigsten Strippenzieher im Hintergrund und gilt vor allem als Vertrauter von Olaf Scholz. Wenn man dann mit Alfons Pawelczyk – ehemaliger Innensenator von Hamburg und damals zugleich (Zweiter) Bürgermeister – spricht, den Olearius beauftragt hatte, hilfreich zu sein, dann darf man annehmen – ohne es faktisch zu wissen –, dass man mit denen spricht, zu denen es nicht geraten erschien, direkten Kontakt aufzunehmen.

Zu einer Zeit, als das Finanzamt für Großunternehmen in Hamburg recht entschlossen war, gegen die Warburg-Bank Rückforderungsbescheide für erstattete und nicht gezahlte Steuern zu erlassen, riet Pawelczyk zur Standhaftigkeit und lässiger Abwehr der Forderungen [Chronologie eines Behördenkrimis (8. April 2016) , Manager Magazin, 19. April 2021]. Sowohl Pawelczyk wie auch Kahrs hatten erklärt, sich für die Warburg-Bank einzusetzen. Einen direkten Kontakt zum Senat gab es noch nicht. Jedenfalls ist davon nichts bekannt.

Existenzbedrohende Szenarien

Bevor es zu einem gegebenenfalls negativen Bescheid für Warburg kommt, gibt es ein Treffen der Bank und deren Steuerfachanwälten mit dem Finanzamt für Großunternehmen, die bei der Vertreterin des Finanzamtes eine Wende herbeiführten. War zuvor intern besprochen, dass jetzt zügig die für Warburg belastenden Verwaltungsakte auf den Weg gebracht werden sollen, ließ sich die Vertreterin des Finanzamtes überzeugen, hiermit noch zu warten. Der Bank war es gelungen, mit existenzbedrohenden Szenarien glaubhaft zu machen, dass mit einer jetzt (Mai 2016) zugestellten Forderung die Bank tendenziell in ihrer Existenz gefährdet sein könnte.

Damit befolgte man einerseits Pawelczyks Rat und andererseits bewies man Gespür für den archimedischen Punkt bei der zuständigen Sachgebietsleiterin, indem man ihr suggerierte, dass nun die Verantwortung für die Existenz einer Hamburgischen Institution auf ihren Schultern ruhte. Dabei hatten Max Warburg und Christian Olearius bereits einen Monat zuvor gegenüber der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erklärt, dass wenn es tatsächlich zu Rückforderungen kommen sollte (in einem von der BaFin angeforderten Zwischenbericht der KPMG-Wirtschaftsprüfer am 30. März 2016 steht, dass die Kapitalbasis im Falle von Rückforderungen des Finanzamtes zu schmal ist), dann würde man mit privatem Vermögen einspringen. So aber wurden die vermeintlichen Probleme der Bank zu Problemen zumindest eines Teils der Steuerverwaltung.

Opportunitätsüberlegungen traten an die Stelle rein rechtlicher Fragestellungen. Vorerst ging es nur um Zeit, aber die Tür für sachfremde Einflussgrößen war aufgestoßen. Christian Olearius übergibt bei einem Treffen mit Scholz ein siebenseitiges Positionspapier der Warburg-Bank, das er einen Tag später auch an das für Warburg zuständige Sachgebiet beim Finanzamt für Großunternehmen (Frau P.) schickt. Dort kommt es am 1. November an. Am 9. November 2016 forderte Scholz Olearius auf, das Papier kommentarlos an Peter Tschentscher zu schicken. Spätestens vom Februar 2016 an (Urteil des Finanzgerichts Hessen) war die Fiktion geplatzt, es könne zu einem identischen Zeitpunkt mehr als einen Eigentümer an einem Wertpapier geben, sodass im Handel der absurde Zustand der Vervielfachung dieses Papiers eintrat, die Grundlage der betrügerischen Cum-Ex-Geschäfte.

Anders als bei normalen Raubzügen von Steuerpflichtigen gegen die Finanzämter, wo diese ihre Steuerschuld durch allerlei Rechentricks verkürzen und gar keine oder nur sehr wenig Steuern zahlen, läuft es bei Cum-Ex-Deals so, dass sich die Beteiligten Steuern bescheinigen und erstatten lassen, die nicht bezahlt wurden. Der Trick funktioniert über eine Fiktion, dass es zu einem identischen Zeitpunkt mehrere Eigentümer am gleichen Wertpapier geben soll, für das einmal auf die ausgeschüttete Rendite (cum) Kapitalertragssteuer plus Soli abgeführt und aufgrund der Besonderheiten der zugrunde gelegten Konstruktion diese Steuer mehrfach durch betrügerischen Antrag auf Rückerstattung – erstattet wurde. Dazu stellte das Finanzgericht Hessen im Februar 2016 fest: Dies sei aber mit den fundamentalen Grundsätzen des Zivilrechts nicht vereinbar, wonach zwingend nur eine Person Eigentümer sein könne. Demzufolge könne das wirtschaftliche Eigentum i.S.d. § 39 Abs. 2 S. 1 AO im Falle des Leerverkaufs erst dann übertragen werden, wenn der Leerverkäufer selbst wirtschaftlicher Eigentümer geworden sei.

Fantasie war gefragt

Das Finanzamt für Großunternehmen wollte im Falle der Warburg-Bank nicht ohne das Wissen entscheiden, dass „die Politik“ es billigen würden, wenn man Warburg mit Rückforderungen verschont. Deswegen hat man dort zwar jede Menge Argumente der Warburg-Bank goutiert, aber zugleich postuliert, dass man beabsichtige, Rückforderungen zu stellen. Warburg selbst hat „die Politik“ früh involviert. Dabei hat Warburg nicht allein auf die guten Beziehungen zur Hamburger SPD vertraut, sondern vor allem auf den Chef des Seeheimer Kreises und Machtkerns der SPD, Johannes Kahrs.

Sichergestellt werden sollte nur, dass die Politik in Hamburg nicht zugunsten der Staatskasse interveniert und auf die Entwicklung der Rechtslage hinweist. Zu keinem Zeitpunkt war geplant, dass der Erste Bürgermeister oder der Senator und Präses der Finanzbehörde direkt intervenieren. Gegen den Willen der Sachebene des Finanzamtes sollte keine Entscheidung für Warburg erzwungen werden. Allerdings verlangte die Dimension der Entscheidung, dass die Handelnden des Finanzamtes sicher sein konnten, von der Finanzbehörde ermessenslenkende Hinweise zu bekommen, welches Handeln von der Politik gewünscht sei. Da war dann Fantasie gefragt.

Mit „grüner Tinte“?

Niemand hatte allerdings damit gerechnet, dass Christian Olearius Tagebuch führte. Deswegen hat der Hamburger Senat noch im November 2019 bestritten, dass es „persönliche Gespräche zwischen dem Bankhaus M.M. Warburg“ und ihm gegeben habe. Man fühlte sich sicher vor unliebsamen Enthüllungen, weil es eben nichts Schriftliches gab, das auf Absprachen hingedeutet hätte. Erst im Februar 2020 gab es dann Berichte über ein (!) Treffen von Scholz mit Olearius. Als Scholz einen Monat später im Finanzausschuss aussagte, erwähnte er weitere Treffen nicht. Auch nicht, als er im Juli 2020 direkt nach solchen im Finanzausschuss befragt wurde. Erst im September 2020, nach intensiver Auswertung der Tagebücher von Olearius durch Journalisten, wurden zwei weitere Treffen bekannt und dann auch von Scholz eingeräumt. Aber geht es darum überhaupt?

Wenn doch zum Zeitpunkt der Gespräche mit M.M. Warburg, die von Olaf Scholz mit dem geschäftsführenden Gesellschafter Christian Olearius geführt wurden, schon längst feststand, dass Cum-Ex-Geschäfte zum Nachteil des Staates nicht legal sind und dass von dem Steuerpflichtigen der Nachweis der angeblich gezahlten Steuer positiv zu erbringen ist, dann ist es absurd, dass ein Regierungschef – obendrein Jurist sich nicht den Vorgang präsentieren lässt, aber stattdessen die interessensgeleiteten Darstellung der Bank an den Senator und Präses der Finanzbehörde in Hamburg zur Weiterleitung empfiehlt. Der Finanzsenator bekommt auf Anraten von Scholz von Olearius das Schreiben, dass dem Finanzamt und Scholz bereits vorliegt, und Tschentscher leitet es an die Finanzbehörde/Steuerverwaltung in seinem Haus weiter – der Stelle, die vom Finanzamt für Großunternehmen involviert worden war, um Rückendeckung für Rückforderungen in Höhe von 47 Millionen Euro zu bekommen, die ansonsten zum Jahresende 2016 verjähren würden. Der Senator schreibt in grün auf das Schreiben „Bitte um Informationen zum Sachstand“ (Spiegel online, 27. August 2021). Dabei sind in dem Warburg-Schreiben die zentralen Argumente der Bank durch grüne Unterstreichungen hervorgenhoben (Spiegel online und Manager Magazin vom 27. August 2021).

Grün ist die Farbe der Senatoren. In diesem Fall aber sollen die Unterstreichungen von einer Referentin der Finanzbehörde stammen. Die Erklärung: Es wurde ein „Textmarker“ benutzt, und somit herrsche offenbar Farbenfreiheit. Zwar wurde nicht gemarkert, sondern unterstrichen, aber um Glaubwürdigkeit geht es in der Causa schon längst nicht mehr. Till Steffen, damals Justizsenator und Kollege von Tschentscher „irritieren die Markierungen in Grün. Als ehemaliger Behördenchef wisse er, wie ‚heikel‘ solche Anmerkungen seien. ‚Wenn in einer Behörde an einem Schriftstück etwas mit grüner Tinte angemerkt oder auch nur markiert ist, stehen alle stramm.‘ Es werde ‚sorgfältigst geprüft, was gemeint ist und was am besten zu tun ist‘“ (Spiegel online, 27. August 2021).

Insofern darf mit guten Argumenten bezweifelt werden, dass eine Referentin vergessen hat, dass die Farbe grün ausschließlich Behördenchefs vorbehalten ist, wie es auch in der Geschäftsordnung der Finanzbehörde klar geregelt ist. Da steht auch nichts von „grüner Tinte“, wie Steffen es formuliert hat, sondern nur etwas von der Farbe grün. Man darf davon ausgehen, dass der Finanzsenator sehr genau informiert war und wusste, dass für die Stadt ein hoher Millionenbetrag auf dem Spiel stand, und trotzdem mischt er sich scheinbar nicht ein. Warum nicht? Einerseits interessiert er sich für das Verfahren, bittet um den Sachstand – und andererseits interveniert er nicht offen.

Was bleibt?

Der erste Anschein lenkt ab vom Wesentlichen. Die Intervention besteht darin, dass im vollen Wissen der drohenden Verjährung von bedeutenden Forderungen gegen Warburg die Nichtintervention Zustimmung zum Plan bedeutet, keinen Rückforderungsbescheid zu stellen. Das war für die Handelnden in der Finanzbehörde und im Finanzamt die wichtige Mitteilung. Sie wussten nun, dass der Verzicht auf Steuermillionen politisch gewollt war. Dass dabei auch noch die zentralen Argumente des Bankhauses mit Senatorengrün hervorgehoben waren, ließ sicherlich auch die letzten Anflüge von Zweifeln bei den Entscheidungsträgern bei Finanzbehörde und Finanzamt schnell schwinden.

Was bleibt? Christian Olearius und Max Warburg werden sich demnächst vor Gericht verantworten müssen. Ein früherer Generalbevollmächtigter der Privatbank und enger Vertrauter Olearius‘ wurde bereits für Cum-Ex-Geschäfte Anfang Juni dieses Jahres zu fünf Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Den Politikern, die Warburg zu Diensten waren, wird dieses Schicksal erspart bleiben.

In Österreich müssten sich Tschentscher und Scholz hingegen warm anziehen. Hier wurde gerade der ehemalige Vizekanzler Christan Strache (ehemals FPÖ) wegen Korruption am 27. August 2021 zu 15 Monaten bedingter Haft erstinstanzlich verurteilt, weil die Chronologie der Ereignisse dem Gericht als Beweis genügte, dass sich Strache für Walter Grubmüller und seine Wiener Privatklinik Währing einsetzte, als dieser anfing, der FPÖ Spenden zukommen zu lassen (2.000 und 10.000 Euro). In Deutschland ist Ähnliches nicht zu befürchten. Ganz im Gegenteil: Momentan stehen die Chancen gut, dass der deutsche Vizekanzler Scholz demnächst sogar Kanzler werden könnte.

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Manfred Bühring | So., 19. September 2021 - 17:58

Das so ein Politiker wie Teflon-Olaf Kanzlerkandidat mit den besten Umfragewerten aller Kandidaten sein kann, zeigt den Zustand unserer Politik und der sedierten Wähler, die das wohl noch cool finden, auf beklemmende Art und Weise auf. Da kann es einen vor der Zukunft nur noch gruseln.

Gerhard Lenz | So., 19. September 2021 - 19:03

Antwort auf von Manfred Bühring

Der könnte ja dann auch gleich mal den ganzen Saustall in der eigenen Partei auskehren, und nicht nur die alten Spendenskandale der Herrschaften Weil, Meuthen und Reil endlich aufklären, sondern auch die jüngst bekanntgewordenen Schweinerein, wonach zur letzten Bundestagswahl Plakate im Werte von 3 Millionen Euro von der AfD bestellt, oder nicht bestellt aber dieser geschenkt wurden - ohne dass die Partei das deklarierte.

Was, kein Interesse, dient ja nicht der sozial-nationalen Revolution?

Im Übrigen wette ich, dass Scholz sogar aus dem Stegreif Gedichte aufsagen kann. Nicht nur in der Beziehung ist er garantiert Chrupalla & Co. überlegen.

Obwohl er - zugegeben - zuweilen in der Tat eine sedierende Ausstrahlung hat. Macht aber nichts, immer noch besser als ein pöbelnder Möchtegern-Räächter aus der sächsischen Provinz.

Was hat das denn nun schon wieder mit der AfD zu tun? Bleiben Sie doch einfach mal beim Thema Cum-Ex und der Rolle von Scholz als damaligem 1. Bürgermeister der FHH. Das muss doch selbst Ihnen als ewigem SPD-Anhänger mehr als peinlich sein, was Scholz sich da geleistet hat.

Christa Wallau | So., 19. September 2021 - 21:33

Antwort auf von Manfred Bühring

hat bei mir viel früher angefangen als jetzt, kurz vor dieser Wahl.
Es gruselt mir schon lange vor der - von vielen Deutschen so hoch geschätzten - Frau Merkel und den Zombies in der CDU, die ihr zujubelten.
Von den Grünen und Linken (= SED-Nachfolgern) ganz zu schweigen!

Mir scheint, daß leider die meisten Menschen in Deutschland so unsensibel geworden sind wie der junge Mann im Märchen, der erst ausziehen mußte, um das Gruseln zu l e r n e n!
Das heißt: Er mußte das Grauenhafte, Widerliche am eigenen Leib spüren!
Die Ahnung bzw. die die Vorstellung des Schrecklichen reichte ihm nicht.

Das kommt dabei heraus, wenn eine lange Friedenszeit und relativ hoher Wohlstand die Bürger eines Landes verblöden lassen ...

Peter Sommerhalder | So., 19. September 2021 - 17:59

dass Olaf $cholz nichts zu befürchten hat...

Peter Heinitz | So., 19. September 2021 - 19:03

Die Kleinen hängt man, die Grossen lässt man laufen und die schwimmen dann noch nach oben - unfassbar!!

Zitiere dazu George Orwell - „Menschen, die korrupte Politiker wählen,Betrüger, Diebe und Verräter - sind keine Opfer, sondern Komplizen.“

Rob Schuberth | So., 19. September 2021 - 19:29

...der von Olaf Scholz.
Auch wer versucht Scholz - jetzt noch - über diese Kausa, in der er wahrlich eine schlechte Rolle gespielt hat, schaden zu wollen, muss anerkennen dass die Union ihren erheblichen Anteil daran hat.

Warum in vielen Medien so getan wird als ob nur der aktuelle Fin.Minister dafür Verantwortung tragen würde, der irrt.
Denn Cum-Ex u. ä. Betrugsmodelle der Banken, waren bundesweit im Einsatz.

Es hilft auch nicht wenn Laschet versucht Scholz eine Fachaufsicht anzudichten, obwohl dieser lediglich die Rechtsaufsicht hat.
Und da ist ihm nichts vorzuwerfen.
Quelle:
https://www.sueddeutsche.de/meinung/aktuelles-lexikon-rechtsaufsicht-ol…

Dumm gelaufen Herr Laschet.

Ernst-Günther Konrad | Mo., 20. September 2021 - 07:10

Jetzt sollten wir aber nicht auf dem armen Olaf herum hacken. Jedes politische Amt hat doch inzwischen eines Preis. Und mal ehrlich, auf die schlappe 90 Millionen konnte man doch gut verzichten, war doch nur das Geld der Steuerzahler. Und außerdem brauchte die "arme" SPD doch die 45500 in der Parteikasse. Was sind wir doch alles für Spießer. Wir betrügen doch auch das Finanzamt, wenn wir ein Arbeitszimmer angeben, das wir gar nicht haben oder es nicht groß genug ist. Mal ehrlich, jeder von uns hätte das Geld für die Partei doch auch genommen und sich später einfach nicht mehr erinnern können für was. Olaf hat einfach zu viel zu tun. Er musste doch den G 20 Gipfel eskalieren lassen, den Wirecard-Skandal, den Cum-EX und aktuell der FUI Skandal brauchten doch seine volle Aufmerksamkeit. Dazwischen übte er schon mal das Vergessen und die Raute und wie man hört und liest, kann er sogar Kanzler. Also sind wir doch nachsichtig. Merkel, Laschet und die CDU sind es doch auch. Mir wird übel.

Werter Herr Konrad,

in Ihrer "Abrechnung" mit Scholz müssen Sie bitte zwei Dinge streichen.

Cum-Ex (Sie hätten noch Cum-Cum anfügen können) und FIU.

Ich vermute Sie sind da den MSM auf den Leim gegangen.

Cum-Ex u. Cum Cum begannen weit vor Scholz Amtsübernahme 2017. Da hat dieser "nur" Schäubles Erbe übernommen, trägt aber nicht die Verantwortung die Sie ihm hier andichten wollen.

Eine sehr gute u. leicht verständliche Darstellung dieser Kausa finden alle Interessierten hier:
https://www.finanzfluss.de/blog/cum-ex/

FUI:
Über diese Sondereinheit zur Geldwäschebekämpfung hat Scholz nur die Rechts- nicht aber die Fachaufsicht, wie es ihm Laschet anzudichten versucht. Wieder war es Schäuble der diese Einheit zum Zoll abschob u. deren Tatkraft tatkräftig reduzierte. Scholz hat das wieder aufgebaut u. mehr Kompetenzen geschaffen (wollte die CDU nicht).
Beide Skandale sind also CDU-Skandale u. Laschet weiß das auch.
Wir sollten uns fragen warum die MSM ihm diese Lügen durchgehen lassen.

Heidemarie Heim | Mo., 20. September 2021 - 13:54

Zunächst einmal mein Dank an Herr Ockert! Der, obwohl noch kulturell den Grünen verbunden, berechtigte und belegte Zweifel über deren Wunschpartner (SPD) aufkommen lässt. Die von ihm in aller Deutlichkeit aufzeigende Chronologie, wie der Handel mit Bananen und grüner Tinte tatsächlich vonstatten geht unter Zuhilfenahme der Politik und ihrer Vertreter/innen, ist daher aller Ehren wert! Was aber zur restlosen Beseitigung noch persönlich vorhandener Zweifel was Vertrauen betrifft führte, sind die Anmerkungen bzw. Feststellungen unter "Was bleibt?". Sicher ist in Österreich und anderen Rechtsstaaten, in die SPD-Minister schon mal mit der Kavallerie einfallen wollten;) auch nicht alles Gold was glänzt in Sachen Verschwiegenheit und Erinnerungsmängel, aber wenigstens sind diese im Umgang mit faulen Südfrüchten wohl von Rechts wegen konsequenter als wir! MfG

Gunther Freiherr von Künsberg | Di., 21. September 2021 - 15:42

Es ist völlig normal, dass in HH Entscheidung über so geringe Beträge von 2X 47 Mio Euro nicht auf der Ebene eines Senators getroffen wird, sondern wegen der Geringfügigkeit auf Sachbearbeiterebene. Auch haben Besuche des 1. Bürgermeisters von HH (Ministerpräsident) bei Privatbankiers bestenfalls den Charakter eines Kaffeekränzchen, weil in HH 94 Mio Euro Peanuts sind, und darüber zu diskutieren an Peinlichkeit kaum zu übertreffen ist.Viel wichtiger ist doch die Diskussion über den schlechten Zustand von Toilettenräumen in Schulen CDU-regierter Länder. Dafür aber ist der Privatbankier nicht zuständig, sondern nur für entsprechende Parteispenden in gleicher Höhe um werbewirksam und damit kostenintensiv die Partei in die Lage zu versetzen den Zustand von Toilettenräumen in Schulen (anderer Bundesländer) zu kritisieren. Vielleicht sollte der Ausschuss Scholz zur Überprüfung seines Selektivgedächtnisses fragen, welche Sorte Kuchen die Warburg Bank ihm beim Kaffeekränzchen angeboten hat.