Bundespressekonferenz der Ampel-Regierung - „Die Mehrheit der Bürger unterstützt die Corona-Politik“

Am Dienstag stellten sich der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der künftige Minister für Wirtschaft und Klima Robert Habeck (Grüne) sowie der künftige Finanzminister Christian Lindner (FDP) den Fragen der Hauptstadtpresse. Die zentralen Themen der Bundespressekonferenz waren die Corona-Politik, die Spaltung der Gesellschaft, Wirtschaft und Energiewende, die Stabilität in Europa sowie das Verhältnis zu China.

Christian Lindner, Robert Habeck und Olaf Scholz bei der Bundespressekonferenz / dpa
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Nachdem nun auch die Grünen dem Koalitionspapier „Mehr Fortschritt wagen“ der Ampel-Parteien zugestimmt haben, ist der Weg frei für eine rot-grün-gelbe Regierung. Auch die Ministerposten hierfür sind bereits verteilt. Im Rahmen der Bundespressekonferenz stellten sich der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der künftige Vizekanzler und Minister für Wirtschaft und Klima Robert Habeck (Grüne) sowie der FDP-Chef und künftige Finanzminister Christian Lindner (FDP) daher am Dienstagvormittag den Fragen der Hauptstadtpresse.

„Alle Parteien werden in der Regierung wachsen. Sie werden sich verändern. Das ist ja völlig klar. Aber zum Besseren“, sagte Habeck. Und weiter: „Der Sinn von Politik ist, Verantwortung für die Wirklichkeit zu übernehmen.“ Und Christian Lindner kündigte an: „Wir wollen uns als drei Partner nicht (nur) ergänzen, sondern erweitern.“

Während Lindner und Habeck ihrem Ruf als versierte Rhetoriker einmal mehr gerecht wurden, Fragen meist klar und deutlich beantworteten, erinnerte Scholz über weite Strecken an einen Wanderprediger, der weniger ganz konkrete Antworten geben, sondern lieber vom großen Ganzen erzählen wollte. Ein Überblick über die wichtigsten Themen dieser Bundespressekonferenz und die Positionen der drei Vertreter der neuen Ampel-Regierung.

Impfquote in Deutschland

Derzeit liegt die 7-Tage-Inzidenz in Deutschland laut Robert-Koch-Institut bundesweit bei 432,2. Besonders im Osten Deutschlands, in Sachsen (1082,1), in Thüringen (1023,1) und in Sachsen Anhalt (907,7), liegt sie dabei deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Und weil dem so ist, war die Corona-Politik selbstredend auch am Dienstag eines der ganz zentralen Themen der Bundespressekonferenz. „Wir müssen alles dafür tun, dass wir die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger schützen können“, verteidigte Scholz dabei einmal mehr die geltenden Corona-Maßnahmen.

Als ganz zentrales Mittel der Pandemiebekämpfung wurde auch am Dienstag wieder das Impfen genannt. Da waren sich Scholz, Habeck und Lindner weitgehend einig. „Wir haben eine sehr hohe Impfquote, es ist ein ganz großer Teil der deutschen Bevölkerung bereits zweimal geimpft, sehr viele haben sich mindestens einmal impfen lassen, und jetzt sind Millionen dabei, sich eine Auffrischungsimpfung zu holen“, bilanzierte Scholz den derzeitigen Impffortschritt der Bundesrepublik.

Den neuen Krisenstab, der vor den Ampel-Parteien eingerichtet wurde, um das Impfen in Deutschland voranzubringen, hob Scholz dabei besonders hervor. Als Zielmarke bei der Auffrischungsimpfung setzt sich die Ampel-Regierung bis Jahresende weiterhin die Zahl von 30 Millionen. „Das Impfen ist der Weg wieder zu einer offenen, freien Gesellschaft, mit möglichst wenigen Einschränkungen“, so Habeck. Experten bezweifeln gleichwohl, dass bis Jahresende 30 Millionen Menschen eine Auffrischungsimpfung bekommen haben werden.

Wie zu erwarten war, kam in dem Zusammenhang auch die gesetzliche Impfpflicht zur Sprache. Bei dieser hatte FDP-Chef Lindner jüngst eine öffentlichkeitswirksame Kehrtwende vollzogen. Lindner hatte sich vor der Bundestagswahl noch deutlich gegen eine gesetzliche Impfpflicht ausgesprochen, seine Meinung aber Anfang Dezember korrigiert. Auch Lindner hält eine gesetzliche Impflicht nun für „verhältnismäßig“. Gleichwohl bemühte sich der FPD-Chef am Dienstag, den Eindruck zu vermitteln, dass eine gesetzliche Impfpflicht weder „ein Vorhaben der Ampel-Koalition“ sei, noch eine parteiübergreifende Forderung der FDP.

Dafür wurde der designierte Finanzminister auch ganz konkret: „Es gibt die Verabredung, dass aus der Mitte des Deutschen Bundestages sogenannte Gruppenanträge fraktionsübergreifend erarbeitet werden. Und dann werden die Mitglieder des Deutschen Bundestages in einer offenen Debatte über diese Gruppenanträge entscheiden“, sagte Lindner. Und weiter: „Wir als freie Demokraten werden kein einheitliches Abstimmungs- und Meinungsbild in unserer Fraktion herstellen, sondern es in die ethische Abwägung der Mitglieder unserer Fraktion stellen, ob sie einer allgemeinen Impfpflicht zustimmen.“ 

Spaltung der Gesellschaft

Teil des Themengebietes Corona-Politik war am Dienstag auch die Frage nach der gesellschaftlichen Spaltung. „Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger unterstützt die Corona-Politik der gegenwärtigen Bundesregierung und wird genauso die Corona-Politik der künftigen Bundesregierung unterstützen“, war sich Scholz sicher und verteidigte die Ungleichbehandlung von Geimpften und Ungeimpften: „Wir brauchen Einschränkungen insbesondere für diejenigen, die sich nicht haben impfen lassen. Denn darüber gibt es gar keine Zweifel. Man kann das ganz konkret sehen; das heute uns alle beeinträchtigende Infektionsgeschehen rührt von den Ungeimpften her“, sage Scholz und bemühte damit einmal mehr das umstrittene bis weitgehend widerlegte Narrativ von der „Pandemie der Ungeimpften“. Außerdem bestritt Scholz, dass es eine Spaltung der Gesellschaft gebe. Die sei „überwiegend einer Meinung mit Nuancen“, sagte Scholz – und machte es sich damit wohl ein bisschen sehr einfach.

Habeck wiederum zeigte erst Verständnis für Ungeimpfte: „Diejenigen, die sich bisher nicht haben impfen lassen, haben, denke ich, sehr unterschiedliche Gründe dafür. Teilweise ist es vielleicht einfach nur die sprachliche Barriere, nicht erreicht worden zu sein, nicht informiert zu sein. Es mögen berechtigte Sorgen vor gesundheitlichen Nachwirkungen geben. Das ist alles hinzunehmen, zu akzeptieren beziehungsweise als ernstzunehmende Argumente zu gewichten“, sagte Habeck, um dann aber anzufügen: „Auf Dauer können sie nicht Bestand haben, weil wir eine freiheitliche, offene Form des Zusammenlebens nur herstellen können, wenn wir uns in großer Anzahl impfen lassen.“

„Problematisch“, so Habeck weiter, werde es da, „wo aus unterschiedlichen Gründen eine ideologische Bewegung entsteht, die sich nicht mit der Frage des Impfens auseinandersetzt, sondern die Staatlichkeit selbst, die offene Demokratie, die freiheitlich-demokratische Grundordnung und ihre Repräsentanten nicht mehr akzeptiert oder gar angreift“. Ähnlich äußerte sich auch Christian Lindner: „Ich will unterstreichen, dass wir uns alle gemeinsam entschieden Einschüchterungsversuchen gegenüber staatlichen Verantwortungsträgern entgegenstellen. Unser Staat ist eine wehrhafte Demokratie. Alle diejenigen, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung infrage stellen, müssen sich sicher sein, dass dieser Staat das nicht hinnehmen wird.“

Finanzen, Wirtschaft, Energiewende

Zweites großes Thema war am Dienstag die Wirtschaft und damit einhergehend auch die übergeordnete Frage, wie die neue Ampel-Regierung – auch in Zusammenspiel zwischen dem Ministerium für Wirtschaft und Klima und dem Finanzministerium – die Energiewende gestalten will. Lindner lobte zunächst die Finanzplanung von Olaf Scholz, Lindners bald Vorgänger im Amt des Finanzministers, als „sehr vorausschauend“, auch mit Blick auf „Unvorhergesehenes in dieser Pandemie“.

Gleichwohl räumte Linder ein, es sei zu befürchten, „dass aufgrund der Pandemie viele notwenige Maßnahmen, die dem Klimaschutz und der Transformation von Wirtschaft, Gesellschaft und Staat gedient hätten, nicht vorgenommen werden konnten, weshalb wir unter strikter Betrachtung und Beachtung dessen, was die Verfassung erlaubt, auch dafür Mittel künftig nutzen möchten“.

Habeck sieht das ähnlich. Bei der Energiewende fange man – „wenn wir ehrlich sind“ – bei einem „Rückstand“ an. „Und diesen Rückstand werden wir die ersten anderthalb, zwei Jahre mit uns herumschleppen“, so Habeck. Der designierte Minister für Wirtschaft und Klima betonte zudem, dass es weniger um „kurzfristige Geländegewinne“ gehe, sondern um eine „grundsätzliche Veränderung“. Denn: „Das wirtschaftliche System insgesamt wird so reformiert, dass Wachstum und Klimaschutz sich organisch miteinander zu verbinden.“ Das sei die eigentliche Aufgabe.

Auf die Frage, ob sich bei diesem Vorhaben Wirtschaftsministerium und Finanzministerium in die Quere kommen, ob es also zu Konflikten untereinander kommen könnte, sagte Lindner kurz darauf: „Ich verstehe das Bundesministerium der Finanzen als ein Ermöglichungsministerium. Das heißt, die Aufgabe in den nächsten vier Jahren wird es sein, zu ermöglichen, dass die öffentlichen Vorhaben für den Klimaschutz als auch die privaten Transformationsaufgaben realisiert werden könne.“

Insbesondere im Bereich der Mobilität habe man sich „außerordentlich ehrgeizige Ziele“ gesetzt, so Lindner. „Wenn dieses Programm, das diese Koalition sich vorgenommen hat, realisiert sein wird, dann werden wir in Deutschland ein mobiles, aber auch wesentlich klimafreundlicheres Land sein. Das zu ermöglichen, das ist unsere gemeinsame Aufgabe.“ Konflikte zwischen seinem und dem Ministerium Habecks sehe er da nicht.

Situation in der Europäischen Union

Ausführlich äußerte sich die künftige Ampel-Regierung auch zur innereuropäischen Stabilität und zum Verhältnis zu Russland. Auf die Frage, wie umzugehen sei mit Russland angesichts der Tatsache, dass das Land an der Grenze zur Ukraine derzeit Panzer auffahren lässt und tausende Soldaten entsandt hat, sagte Scholz: „Wir verfolgen die Situation in der Ukraine sehr, sehr sorgfältig. Und wir wissen, dass das gerade eine sehr, sehr ernste Lage ist. Deshalb ist es auch klar, dass wir unmissverständlich auf dem bestehen, was für uns alle wichtig ist: auf der Unverletzlichkeit der Grenzen“, so der designierte Bundeskanzler.

In dem Zusammenhang ging es auch um das umstrittene Pipeline-Projekt Nord Stream 2. Hierzu äußerte sich neben Scholz auch Robert Habeck: „Nord Stream 2 ist nicht genehmigt, und die Überprüfung der Vorgaben, der europäischen wie der deutschen, dauert an. Und wir werden entlang des Raumes der Überprüfung sicherlich auch nochmal politisch darüber reden, wie die außenpolitische Situation in der Ukraine ist und die europäische Möglichkeit, hier deeskalierend zu wirken“, kündigte Habeck an. Was damit konkret gemeint ist, blieb entsprechend offen.

Auch zur innereuropäischen Stabilität äußerten sich die Anwesenden, vor allem mit Blick auf die politische Situation in Polen und Ungarn. „Deutschland ist ein Land mitten in Europa. Wir sind nicht dazu aufgerufen, am Rande zu stehen und schlechte oder gutgelaunte Kommentare abzugeben, sondern wir sind für das Miteinander in Europa und das Gelingen des Fortschritts mitverantwortlich“, holte Scholz aus. Und weiter: „Deshalb betrachten wir und ich es als wichtig, dass es Spaltungen nicht geben wird, weder Nord/Süd noch West/Ost. Sondern, dass wir alle gemeinsam zusammenarbeiten in der Europäischen Union.“

Was Polen betreffe, sei es, so Scholz, wichtig, „diese Nachbarschaft freundschaftlich zu gestalten“, denn „Polen ist eine große Nation, eine Demokratie, und ich bin sehr froh, dass Polen Teil unserer gemeinsamen Europäischen Union ist“. Dass man als Bundesregierung die „Fragen der Rechtsstaatlichkeit sehr klar beurteilen“ müsse, sei „richtig und notwendig, denn das führt uns in Europa auch zusammen“.

Habeck erinnerte in dem Zusammenhang daran, dass „wenn man immer von den osteuropäischen Staaten, von Polen und Ungarn redet, dass man der Situation in diesen Ländern unrecht tut“. Gerade in Polen gebe es „eine starke demokratische Bewegung für eine andere Politik“, so Habeck. „Dessen ungeachtet gilt, das historische Werk (die Europäische Union, Anm. d. Red.) eben auf der Grundlage von Rechtsstaatlichkeit durchzuführen. Und Rechtsstaatlichkeit dann auch einzufordern, ist Aufgabe der Europäischen Kommission, und sie sollte dann von Deutschland auch in der Hinsicht unterstützt werden.“ Und Lindner sagte, auch mit Blick auf die Sorge mancher EU-Länder, Deutschland könne mit ihm als Finanzminister wieder zur Sparpolitik der vergangenen Jahrzehnte zurückkehren: „Die Bundesrepublik Deutschland wird in Europa auf Stabilität achten und gleichzeitig ermöglichen, dass Investitionen in Wettbewerbsfähigkeit freigesetzt werden.“

Umgang mit China

Als weiteres Thema kam die Sprache auf die deutsche Außenpolitik in den kommenden vier Jahren, vor allem mit Blick auf China. Aufhänger war, dass die Vereinigten Staaten jüngst angekündigt haben, keine diplomatischen Vertreter zu den Olympischen Winterspielen nach Peking zu entsenden. Als Grund haben die USA unter Präsident Joe Biden (Demokraten) angeben, damit gegen einen andauernden Völkermord in der Region Xinjiang und andere Menschenrechtsverletzungen durch die chinesische Regierung zu protestieren. China wirft den USA im Gegenzug vor, die Olympischen Winterspiele zu politisieren und unterstellt „eine Verhöhnung des olympischen Geistes, eine politische Provokation und ein Angriff auf 1,4 Milliarden Chinesen“.

Ganze drei Mal wurde Scholz daher von Journalisten in der Bundespressekonferenz gefragt, ob sich auch Deutschland diesem diplomatischen Boykott der USA anschließen werde. Drei Mal ringt sich Scholz an diesem Dienstag nicht zu einer Antwort durch und sagt stattdessen Satze wie diesen: „Die Welt wird multipolar. Unsere große Aufgabe wird sein, dass es auch eine multilaterale Welt wird, in der Kooperation gelingt.“ Oder auch: „Die Welt ist eben heutzutage und wird in absehbarer Zeit geprägt sein von Staaten, die nicht die gleichen Vorstellungen haben wie wir. Das müssen wir hinkriegen.“ Und Lindner sagte: „Diese Koalition hat sich vorgenommen, die Beziehungen zur Volksrepublik China weiterzuentwickeln. Hierbei wird auch die besondere Rolle des chinesischen Binnenmarktes für die deutsche Wirtschaft eine Rolle spielen.“ Pünktlich nach einer Stunde war die Bundespressekonferenz mit Scholz, Habeck und Lindner vorüber.

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