Andreas Gassen
KBV-Chef Andreas Gassen / dpa

Krise des Gesundheitssystems - „Karl Lauterbach löscht das Feuer mit Benzin“

Der ambulanten Versorgung droht der Kollaps. Das sagen die Standesvertreter der Kassenärzte, Apotheker und Zahnärzte. Andreas Gassen, Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, schlägt Alarm – und geht dabei hart mit der Politik des amtierenden Bundesgesundheitsministers ins Gericht.

Ralf Hanselle / Antje Berghäuser

Autoreninfo

Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

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Andreas Gassen ist Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), die die Interessen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten auf Bundesebene vertritt und mit 185.298 Ärzten und Psychotherapeuten die ambulante Versorgung in Deutschland organisiert. Am 19. Oktober hat sich Gassen zusammen mit der Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände und dem Vorstandsvorsitzenden der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung in einen Notruf an Bundeskanzler Olaf Scholz gewandt: Die ambulante Versorgung stehe ihrer Einschätzung nach vor dem Kollaps. 

Herr Gassen, es gibt eine alte Baderegel, nach der man nie um Hilfe schreien sollte, wenn man keine Hilfe benötigt. Jetzt haben Sie jüngst zusammen mit der Standesvertretung der Zahnärzte und der Apotheker ein S.O.S. an den Bundeskanzler abgesetzt. Wie zugespitzt ist derzeit die Lage der ambulanten Versorgung in Deutschland?

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Helmut Bachmann | Fr., 3. November 2023 - 14:13

Eine Vorfeldberatung kann sicher eine gute KI übernehmen. Schließlich wissen auch Hausärzte oft nichts mehr über Hausmittel.

Alice Friedrich | Fr., 3. November 2023 - 14:20

Eine Darstellung der Verhältnisse, der man nur zustimmen kann.
Schön wäre es, wenn Herr Gassen die unzweifelhaft eklatante Untererfassung der Nebenwirkungen von Arzneien und Impfstoffen nicht nur nicht leugnen würde, sondern sich für eine angemessene Honorierung dieser ärztlichen Leistung einsetzen würde. Ein klar umrissenes Ziel für eine Standesvertretung, denke ich mal.

Heidemarie Heim | Fr., 3. November 2023 - 14:34

Wahrscheinlich nach, und alle schreien durcheinander wer an was schuld ist, schiebt die Verantwortung jeweils dem anderen zu und weigert sich auch den Balken im eigenen Auge zu sehen. Zum Beispiel die KBV, die in früheren Zeiten für die Positionierung bzw. Vergabe wo sich welcher Arzt niederlassen kann/soll und als wie lukrativ sich welche Fachrichtung erweist zuständig war. Natürlich mit allen ihrer eigenen Macht innewohnenden Bestimmungen. Wo der gemeine Hausarzt auf dem platten Land z.B. nur ein paar Budget-Euros mehr bekam wenn er neben seiner 60- Stundenwoche regelmäßige Fortbildungsmaßnahmen nachweisen konnte, während der viel besser bezahlte Radiologe in der Großstadt überspitzt gesagt nur überlegen musste ob sich die Investition für die neuere CT/MT-Technik in seiner Praxis lohnt o. ob diese genug Auslastung erfährt. Bei anderen Fachverbänden sah es nicht anders aus wenn es um Praxis-Zulassungen ging. Meine damalige Selbstständigkeit scheiterte z.B. fast an 5cm Deckenhöhe! MfG

Ines Schulte | Fr., 3. November 2023 - 14:46

Herr Dr. Gassen hat als kritische Stimme mit seinen Einschätzungen in der Vergangenheit zur Beruhigung und Versachlichung beigetragen. Ist es denn erwiesen, das Allheilmittel im Gesundheitswesen in der allumfassenden Digitalisierung zu suchen? Was in der Diagnosik als Meilenstein gelten kann, kostet m.E. bei der Logistik, der Terminvergabe und Aufnahme bei Patienten und bei den Angestellten Zeit und Nerven. Eine Praxis z.B. wie früher tel. zu erreichen, ist fast unmöglich geworden. Unnötige Zeitabläufe wie das computergesteuerte Ausdrucken von Terminen oder Rezepten, was früher fast nebenbei händisch ablief, vergrößern den Aufenthalt vor Ort. Nur ein Eindruck: Blicken alle nur noch in ihre Computer?

Dr. Herbert Schultz-Gora | Fr., 3. November 2023 - 19:18

... wird sich in Richtung Selbstzahler-Medizin öffnen müssen.
Die Honorare in den Praxen sind Quartalspauschalen und auf einem Niveau, das keinen Handwerker sich ins Auto setzen läßt.
Die Pauschalhonorierung ist entwürdigend: Wer 1 x im Quartal für z. B. ein Rezept das Kärtchen einliest, ist für den Arzt ein Glücksfall, wer wirklich krank ist und echt Zuwendung braucht, wird für den Arzt zum Verlust.
Auch ein ausführliches Gespräch, das sich viele Menschen wünschen, ist im Budget nicht drin.
Das GKV-System ist ein PLAN-Wirtschaftliches MONOPOL-System, das bei steigenden Ansprüchen und einer qualitativ steigenden Behandlungspraxis mehr MARKT-Elemente und mehr Eigenverantwortung im Sinne von Subsidiarität braucht.
Einfachste Lösung: Die "Grundversorgung" geht auf Kasse, weitergehende Diagnostik und Therapie, auch z. B. das ausführliche Gespräch geht auf Rechnung, die der Pat. begleicht, wobei sich nach alter Väter Sitte die Höhe des Honorars durchaus am Einkommen des Patienten orientiert

Ein ausführliches Gespräch nicht als Kassenleistung zu übernehmen, bedeutet, dass man die grundlegendste und selbstverständlichste Leistung, die jedem Arzt eine Selbstverständlichkeit und ein Grundbedürfnis sein sollte, ausschließt. Ein merkwürdiger Vorschlag. Auch weitergehende Diagnostik und Therapie dem Patienten aufzuhalsen, hat das Geschmäckle, erst die Kassenleistungen abzurufen und dann den Patienten als 2. Verdienstquelle heranzuziehen. Wie schon bei den IGEL-Leistungen...aber in weit größerem Ausmaß... besteht dann die Gefahr, dem Patienten Leistungen aufzudrängen, die wenig erfolgversprechend sind. Der Patient seinerseits aber greift in desolaten Situationen nach einem Strohhalm.
Ich habe großes Verständnis für den Wunsch der Ärzte nach einer guten Entlohnung, aber man sollte Möglichkeiten finden, nicht den Patienten als unerschöpfliche Cashcow über Gebühr heranzuziehen. Er ist das schwächste Glied der Kette.

Ernst-Günther Konrad | Sa., 4. November 2023 - 08:30

So sehr Sie und ihre Kollegen sich auch bemühen, weder Scholz wird eingreifen, noch KL Ihre Einwände berücksichtigen. Vielleicht wird sich erst was ändern, wenn die "Not" tagtäglich im Alltag auch den letzten Patienten ereilt hat. Nur die Menschen sind offenbar sehr leidensfähig. Lange Terminplanungen, halbe Tage Wartezeit, Massenabfertigung, Wartezeiten für Notarztwagen, Medikamentenmangel, OP Staus hier und da und noch vieles mehr, scheint noch nicht jeden Bürger gleichsam getroffen zu haben. Für alles Mögliche gehen wir auf die Straße, nur für unsere Freiheit, Demokratie unsere Gesundheit nicht. Und ja, die Pandemielüge hat eines gezeigt. Wie weit kann der Staat gehen, Menschen einzusperren, zu drangsalieren, fremd zu bestimmen, in Panik und Angst zu versetzen und die Gesellschaft bis hin in die Familien zu spalten und gegenseitig aufzuwiegeln. KL ist in erster Linie Lobbyist und bedient die Pharma. Den interessieren praktische medizinische Abläufe nicht, Patienten schon gar nicht.

Christa Wallau | Sa., 4. November 2023 - 10:51

Antwort auf von Ernst-Günther Konrad

der bereits m e h r f a c h seine totale Unfähigkeit (hauptsächlich bestehend aus Eindimensionalität = Beschränktheit, gekoppelt an Messianismus) bewiesen hat,
weiterwursteln lassen kann, ist mir ein Mysterium, das ich nie begreifen werde.

Es gibt offensichtlich in allen Ampel-Parteien keine Persönlichkeit mit entsprechender Sachkenntnis und gesundem Menschenverstand, die in der Lage und willens wäre, das Amt des Gesundheitsministers zu übernehmen und tragbare, vernünftige Lösungen für die entstandenen Probleme zu erarbeiten - gemeinsam mit anderen unabhängigen u. erfahrenen Fachleuten.

Dasselbe gilt auch für fast alle anderen Ministerien, denen Leute vorstehen, welche ihren Aufgaben nicht gewachsen sind - inklusive ihrer vielen Staatssekretäre.

In einer solchen Lage darf man als deutscher Staatsbürger getrost alle Hoffnung fahren lassen.
Kein e i n z i g e s der vielen massiven Probleme, die Deutschland inzwischen hat, wird von einer derartigen Regierung gelöst werden!

Gerhard Lenz | Sa., 4. November 2023 - 09:17

ausgesprochenen Lauterbach-Freund rangelassen. Der lag ja schon während der Covid-Pandemie mit dem heutigen Gesundheitsminister über Kreuz. Wußte damals schon alles "besser".

Seitdem ich denken kann, jammern Ärzte über den bevorstehenden Kollaps. In Abwandlung einer Werbebotschaft könnte man formulieren: "Nie ging es ihnen so schlecht wie schon immer!" Bereits vor Jahrzehnten hingen in Wartezimmern Plakatte, auf denen vor dem finanziellen Ruin der Ärzteschaft oder geringere Leistungen gewarnt wurde.
Ärzte jammen immer auf dem höchsten Niveau. Natürlich gibt es Mediziner, die über zunehmende Überlastung bei nicht parallel steigenden Einkommen zu klagen haben. Aber jahrelange Ständepolitik, eine bewusste Maximalkontrolle der Zahl von Arztpraxen, hohe Hürden bei der Ausbildung schufen Voraussetzungen dafür, dass heute hier und da Ärzte fehlen. Und nicht jeder will in den öden Osten oder die wilde Eifel, um dort eine jahrelang leerstehende Praxis zu übernehmen.