Ampel-Streit um die Maskenpflicht - Nur noch ein paar Wochen ...

Die FDP fordert die sofortige Aufhebung der Maskenpflicht im Fernverkehr. Bundeskanzler Scholz und Gesundheitsminister Lauterbach (SPD) vertrösten hingegen auf den kommenden April. Doch wenn selbst Christian Drosten die Pandemie für beendet hält, mit welcher Begründung will man dann noch an Corona-Maßnahmen festhalten?

Kein Fußbreit den Viren: Gesundheitsminister Karl Lauterbach / dpa
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Ingo Way ist Chef vom Dienst bei Cicero Online.

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Dezember 2022. Fast ganz Europa, vom Rest der Welt zu schweigen, hat sich mittlerweile von den meisten noch verbliebenen Corona-Maßnahmen freigemacht – etliche Länder schon vor vielen Monaten – und die Pandemie, die de facto längst beendet ist, auch amtlicherseits beendet. In den skandinavischen Ländern, in Großbritannien, Frankreich, Tschechien, der Türkei und Rumänien gibt es überhaupt keine staatlichen Beschränkungen mehr, eine Maskenpflicht nur noch in Gesundheitseinrichtungen herrscht in Israel, Polen, Ungarn, Österreich, Serbien, Portugal, der Slowakei und den baltischen Staaten. Eine Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr gilt nur noch in Spanien, Griechenland, Zypern und in einigen Städten wie Wien und Sofia.

Und natürlich in Deutschland – hier auch in Fernzügen, obwohl der internationale Bahn- und Flugverkehr schon seit Monaten ohne Maskenpflicht auskommt. Doch genau darüber gibt es in der Ampel-Koalition jetzt Streit. Die FDP, die derzeit erfreulicherweise immer öfter aufmuckt, fordert ein sofortiges Ende der Maskenpflicht im Fernverkehr und aller übrigen Corona-Maßnahmen. Und sie bekommt dafür jetzt auch Rückendeckung von der CDU-Opposition. Man fragt sich, worüber überhaupt noch gestritten werden muss, hat doch jüngst sogar Deutschlands warnender und mahnender Obervirologe Christian Drosten das Ende der Pandemie verkündet. Und ohne Pandemie, so steht’s im Infektionsschutzgesetz, gibt es eben auch keine Rechtsgrundlage für freiheitseinschränkende Maßnahmen – und sei es auch „nur“ die Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske, was so harmlos nicht ist, wie von deren Befürwortern immer behauptet wird.

Also eigentlich keine Frage: Die letzten Beschränkungen müssen weg, und zwar unverzüglich. Doch wie zu erwarten, stemmt sich Gesundheitsminister Karl Lauterbach stramm gegen ein solches Ansinnen – und bekommt dafür Rückendeckung von Bundeskanzler Scholz, der – ganz korrekter Bürokrat – auf die Geltungsdauer der derzeitigen Fassung des Infektionsschutzgesetzes bis zum 7. April 2023 verweist. Mit diesem Datum würden ja sowieso alle Maßnahmen enden. Und auch der notorische Lauterbach vertröstet auf diesen Stichtag – mit der niedlichen Begründung: „Da kommt es doch jetzt nach drei Jahren Pandemie noch auf ein paar Wochen nicht an“, so der Minister im ZDF-heute journal.

Irgendeine Begründung wird Lauterbach schon einfallen

Drei Jahre Grundrechtseinschränkungen, da kann man doch, weil’s so schön war, anlasslos einfach noch ein paar Wochen (in Wahrheit sind’s natürlich Monate) weitermachen. Eine Begründung, die Verfassungsrechtler wie Volker Boehme-Neßler („Eine Unverschämtheit“) oder Josef Franz Lindner aus der (Ver-)Fassung bringt. Lindner gegenüber der Bild-Zeitung: „Lauterbachs ‚Paar-Wochen-These‘ ist aus verfassungsrechtlicher Sicht unvertretbar. Eine Maßnahme, die sich nicht mehr rechtfertigen lässt, muss sofort aufgehoben werden, nicht erst in ein paar Wochen oder Monaten.“

Ganz unabhängig von der rechtlichen Einschätzung gibt es auch sonst keinen Grund, Politikern, die dem deutschen Esel schon so oft die Karotte vor der Nase weggezogen haben, indem sie ein Ende der Maßnahmen verkündeten, bloß um sie dann doch jedes Mal wieder um ein paar Monate oder ein halbes Jahr zu verlängern, noch einen Funken Vertrauen zu schenken. Irgendeine Begründung wird Lauterbach auch am 7. April schon einfallen, weswegen man leider leider noch nicht auf sämtliche „Basisschutzmaßnahmen“ verzichten könne. Hat ja bisher auch immer geklappt.

 

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Nein, wenn das Maßnahmenregime nicht jetzt sofort per Verordnung der Bundesregierung beendet wird, was ohne weiteres möglich wäre, wird es endlos weitergehen. Zumal es ja schon jetzt nicht mehr ausschließlich mit dem Schutz vor Covid begründet wird. So forderte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, die Maßnahmen noch mindestens bis Ende Februar beizubehalten, da Masken auch vor anderen Infektionskrankheiten wie Grippe oder RS-Viren schützten. Auch die Chefin der „Wirtschaftsweisen“, Monika Schnitzer, wünscht sich ein Fortbestehen der Maskenpflicht im öffentlichen Nah- und Fernverkehr, da sie nicht nur vor Covid-Infektionen sondern auch vor anderen Atemwegserkrankungen schütze. „Der Krankenstand ist aktuell schon überdurchschnittlich hoch. Eine Aufhebung dieser Beschränkungen könnte den Krankenstand weiter erhöhen, was sich negativ auf die Wirtschaft auswirken würde“, so Schnitzer.

Das mag sich tatsächlich so verhalten, ist aber völlig irrelevant, da der Zweck der Corona-Schutzmaßnahmen nicht war, vor „anderen Atemwegserkrankungen“ zu schützen oder den allgemeinen Krankenstand zu senken, um der ächzenden Wirtschaft unter die Arme zu greifen. „Der entsprechende Paragraf 28b des Infektionsschutzgesetzes ebnet nur den Weg für staatlich verordnete Maßnahmen gegen Sars-CoV-2“, sagt denn auch der FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann. „Auf einer anderen Basis zu argumentieren, dass diese Maßnahmen gegen RS- oder Influenza-Viren hier hilfreich wären, gibt dieser Paragraf nicht her. Das wäre eine deutliche Überinterpretation und nicht verhältnismäßig.“

Die Geltung der Grundrechte ist nicht von Meinungsumfragen abhängig

Zumal die derzeitige Welle an Atemwegserkrankungen, von der überdurchschnittlich viele Kinder betroffen sind, die nun als Vorwand für eine Beibehaltung der Maskenpflicht herhalten muss, sehr wahrscheinlich eine Folge eben dieser Maskenpflicht ist. Der Berliner Hausarzt Erich Freisleben erklärte das kürzlich im Interview mit Cicero so: „Endemische Viren, zu denen ja normalerweise auch das Corona-Virus gehört, treten zu bestimmten Jahreszeiten gehäuft auf. Dabei sind die Grunderreger den Menschen immunologisch bekannt, die neuen Varianten aber, die mit jeder neuen ,Grippesaison‘ auftreten, triggern das Immunsystem immer wieder neu. Das ist wichtig. Man kann sich diesen Prozess wie ein leichtes Muskeltraining vorstellen. Mit jeder Trainingseinheit wird der Körper ein bisschen stärker. Dadurch aber, dass wir in den zurückliegenden Jahren den natürlichen Fluss der Viren mittels Kontaktvermeidung und Maskenpflicht unterbrochen haben, konnten auch die Abwehrkräfte nicht weiter stimuliert werden.“

Die durch Corona-Maßnahmen wie Maskentragen, Kontaktbeschränkungen, Isolation oder Heimunterricht hervorgerufene Krankheitswelle durch ein Beibehalten solcher Maßnahmen bekämpfen zu wollen, ähnelt dem Verhalten eines Patienten, der von seinem Schmerzmedikament abhängig geworden ist und sich immer neue Pillen gegen die Entzugserscheinungen einwirft, während die ursprüngliche Schmerzursache längst verschwunden ist. Hier hülfe lediglich ein kalter Entzug. Ein Ende der Maskenpflicht ist also nicht nur rechtlich, sondern auch gesundheitspolitisch geboten.

Doch dann ist da noch das Volk, der große Lümmel. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov lehnt die Mehrheit der Deutschen eine sofortige Abschaffung der verbleibenden Corona-Maßnahmen ab. Demnach sind 52 Prozent gegen ein Ende der Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln, 60 Prozent lehnen eine Abschaffung der Isolationspflicht für Infizierte ab, und 64 Prozent sagen, die Pandemie sei für sie noch nicht vorbei, was immer das heißen mag. (Allerdings fand die Umfrage statt, bevor Guru Drosten die Erlaubnis gab, sich zu entspannen.)

Aber auch das hat nichts zu sagen, schließlich ist die Geltung der Grundrechte nicht von Mehrheitsstimmungen oder Meinungsumfragen abhängig. Die Ergebnisse zeigen lediglich, wie sehr die Panikkommunikation in Deutschland verfangen hat – und wie empfänglich die Landsleute dafür sind, denn andernorts freute man sich natürlich über das Ende der Beschränkungen. Ein Grund mehr, jetzt sofort auf kalten Entzug zu setzen.

(mit dpa-Material)

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