
- Die Ampel als Projektarbeit
Was vor dem 26. September bitter versäumt wurde, das versucht SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz nun in einem fast schon pathetischen Kraftakt nachzuholen. Der nüchterne Hanseat gibt sich plötzlich seherisch und visionär: Weil Deutschland die Ampel gewählt habe, habe Deutschland auch den Fortschritt gewählt. Alles klar?
Deutschland hat die Ampel gewählt. Das glaubt zumindest Olaf Scholz. Und wenn es nach den nackten Zahlen und den einfachen Mehrheitsverhältnissen im Parlament geht, dann hat der SPD-Kanzlerkandidat mit dieser Behauptung nicht ganz unrecht: Mehr als 50 Prozent der Wähler schließlich haben am vergangenen Sonntag ihr Kreuz bei der SPD, den Grünen oder der FDP gemacht. Doch da bei der Bundestagswahl keine Koalitionen, sondern allenfalls Kandidaten und Parteien zur Auswahl standen, ist es jetzt an Scholz, das nächste Problem aus dem Weg zu räumen. Und das ist vielleicht weit schwieriger zu knacken als die 25,7 Prozent, die Scholz am vergangenen Sonntag auf das Konto seiner Sozialdemokraten verbuchen konnte.
Am Wahlsonntag nämlich ging es um den einfachen Sieg an den Urnen, jetzt aber geht es um den Sieg über die Köpfe und somit über die große Erzählung, die in eben diesen Köpfen zum Klingen gebracht werden soll. Dass ein solch harmonischer Wohlklang zuweilen weit schwieriger zu erzielen ist als die einfache Addition von Stimmzetteln, das weiß vielleicht niemand besser als der einstige SPD-Generalsekretär unter Gerhard Schröder. Es braucht nämlich ein verbindendes Projekt, um die Menschen am Ende wirklich mitzunehmen.