
- Die Logik der Abschreckung: Eine Erinnerung
Die atomare Bewaffnung hat das außenpolitische Handeln ab den späten 40er-Jahren grundlegend verändert: Sie hat Kriege verhindert um den Preis, dass die jeweiligen Atommächte innerhalb ihres Einflussbereiches freie Hand hatten. Stattdessen lieferten sie sich Stellvertreterkriege. Eine Renaissance des Stellvertreterkrieges mitten in Europa können wir uns auf Dauer nicht leisten. Hier ist Weisheit und Diplomatie gefragt, nicht moralistische Rechthaberei.
Im Jahr 1958 veröffentlichte der Philosoph Karl Jaspers sein Buch „Die Atombombe und die Zukunft des Menschen“. Es wurde ein Bestseller. Inzwischen ist es in Vergessenheit geraten. Teilweise zu Recht. Denn vieles in dem umfangreichen Werk ist der Situation der späten 50er-Jahre geschuldet. Einige Grundgedanken jedoch haben nach wie vor Gültigkeit: etwa, dass die Menschheit unter den Bedingungen der Atomwaffen in eine akute Grenzsituation gerückt ist. Und dass diese Situation die Logik des politischen Handels grundlegend geändert hat.
Angesichts der atomaren Bedrohung plädierte Jaspers etwas blauäugig für eine universale „Umkehr“ des politischen Denkens: Die „alte Politik“, die durch nationale Macht- und Herrschaftsinteressen bestimmt gewesen sei, müsse durch eine „neue Politik“ ersetzt werden, die von Vernunft und Ethos geleitet werde. Selten ist ein Projekt grandioser gescheitert.