Das U-Boot KRI Nanggala in den Gewässern vor Ost-Java im Jahr 2014 / dpa

Gesunkenes U-Boot vor Bali - Drama in tiefer See

Vor drei Tagen brach der Kontakt zum indonesischen U-Boot „Nanggala“ ab. Nach intensiver Suche und Rettungsvorbereitungen gibt es seit heute traurige Gewissheit: Das in Deutschland gebaute Boot ist gesunken und wurde dabei zerstört. Eine Bestandsaufnahme.

Autoreninfo

Julien Reitzenstein befasst sich als Historiker in Forschung und Lehre mit NS-Verbrechen und Ideologiegeschichte. Als Autor betrachtet er aktuelle politische und gesellschaftliche Entwicklungen.

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Es gibt wenige Sachverhalte, bezüglich derer über Jahrtausende in allen Kulturkreisen Konsens herrschte. Zu ihnen gehört die Tatsache, dass Menschen nicht wie Fische unter Wasser aufzuhalten vermögen. Das mag die große Faszination erklären, mit der die Welt auf die ersten Versuche reagierte, mit Booten unterhalb der Wasseroberfläche zu fahren. Erste Gedanken dazu finden sich bereits bei Aristoteles, und auch Multitalent Leonardo da Vinci entwarf ein Tauchboot.

Die USS Hunley gilt als erstes „richtiges“ militärisches U-Boot – 1864 versenkte sie als erstes U-Boot der Geschichte ein feindliches Kriegsschiff. Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Verbrennungsmotor in U-Booten eingesetzt, und von Anfang des 20. Jahrhunderts an wurden U-Boote zu einer gefährlichen Waffe zur See. Bis dahin hatten zahlreiche Pioniere ihr Leben gelassen, und anschließend – insbesondere im Zweiten Weltkrieg – fanden weitere zehntausende Seeleute ihren Tod beim Dienst auf U-Booten.

Allein in Deutschland kehrten rund drei Viertel aller rund 40.000 U-Boot-Fahrer nicht heim. Ihre Schicksale wurden in vielen Familien tradiert, Bücher und Filme wie „Das Boot“ von Lothar Günther Buchheim zeigten in Millionen von Wohnzimmern, was es bedeutet, in einer engen Stahlröhre auf dem Meeresboden gefangen zu sein – hunderte Meter unter der Meeresoberfläche. Das mag einen Teil des großen Interesses erklären, das auch schon beim Sinken der russischen Kursk im Jahre 2000 und der argentinischen San Juan 2017 bemerkbar war. 

Spekulationen von Fakten trennen

Am 21. April 2021 brach der Funkkontakt zum indonesischen U-Boot Nanggala ab. Das Boot befand sich zu jenem Zeitpunkt etwa 95 Kilometer nördlich der Insel Bali. Dort ist die See 500 bis 700 Meter tief. Und spätestens an dieser Stelle lohnt es sich, die tagelangen Spekulationen von Fakten zu trennen. Man liest, ein Boot dieses Typs könne maximal 250 Meter tief tauchen oder auch 500 Meter tief. Man liest, dass der Sauerstoff in diesem Bootstyp für maximal 24 Stunden reiche – oder auch für maximal drei Tage. 

Jedoch sind – wie bei den meisten Waffensystemen – viele Tatsachen über das betroffene Boot, aber auch den Bootstyp nicht öffentlich bekannt. Jene, die allgemein zugänglich sind, ermöglichen Laien keine verlässliche Lagebeurteilung. Es wäre aber naiv anzunehmen, dass die indonesische Marine in ihren Verlautbarungen alles Wissen über das vermisste Boot mit der Weltöffentlichkeit teilt – und damit auch mit potentiellen militärischen Gegnern. Denn sie hat noch ein baugleiches Schwesterschiff in Dienst. Nach deren Muster hat sie drei weitere in Lizenz in Südkorea gefertigte Boote bestellt, von denen eines bereits in Dienst ist. 

Da über die Mission des Bootes und eine mögliche Unglücksursache noch gar nichts bekannt ist, sollte zunächst das Boot des Typs 209 im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen. Nach Gründung der Bundeswehr im Jahre 1955 wurden zunächst drei selbstversenkte U-Boote der Kriegsmarine gehoben, instandgesetzt und in Dienst gestellt. Parallel wurden neue Boote entwickelt und von den Howaldtswerken Deutsche Werft (HDW) gebaut, die heute als Thyssen Krupp Marine Systems firmieren. Aus deren wichtigstem Bootstyp 201/205 entstand ab 1962 der modifizierte und leistungsstärkere Typ 206. 

Aufgrund der überlegenen Technik dieses Bootstyps – gerade in ihrem Kerneinsatzgebiet, den flachen Gewässern der Ostsee –, wurde aus ihm eine Exportversion entwickelt. Dieser Typ 209 wurde ab 1968 gebaut. Insgesamt wurden bis heute über 60 Boote dieses laufend weiterentwickelten Typs für mehr als ein Dutzend Staaten gebaut und exportiert – oder im Ausland in Lizenz hergestellt. Die Stärke dieses Bootes besteht in seiner geringen Größe, seiner Wendigkeit und seines leisen Antriebs bei vergleichsweise starker Bewaffnung: Die Standardversion verfügt über gleich acht Torpedorohre. Hinzu kommen je nach Wünschen der Auftraggeber Vorrichtungen zum Legen von Seeminen oder dem Abschuss von Harpoon-Raketen. Einige Auftraggeber verlangten beispielsweise Notausstiegsluken oder Rettungskapseln, wie sie in den Booten für die indische Marine verbaut sind. 

Ausgesprochen zuverlässig

Die indonesische Nanggala wurde vor 43 Jahren auf Kiel gelegt und vor 40 Jahren in Dienst gestellt. Das ist auch für ein U-Boot ein hohes Alter, allerdings gilt ein großer Teil des schwimmenden Materials der indonesischen Marine als veraltet. Jedoch befinden sich in anderen Staaten auch noch zahlreiche – bis zu 50 Jahren alte – Boote der frühen Baureihen des Typs 209 in Dienst. Sie gelten als ausgesprochen zuverlässig. Mit Ausnahme der türkischen Yildiray, die 2013 beim Auftauchen einen Frachter rammte und später repariert wurde, waren bisher keine Unfälle bekannt – bis heute der Verlust der Nanggala bekannt gegeben wurde. 

Die Nanggala gehört zur Baureihe 209-1300. Die Tonnage des 59,5 Meter langen und 6,2 Meter breiten Bootes liegt aufgetaucht bei 1.200 Tonnen und getaucht bei 1.390 Tonnen. Das Boot hat vier Dieselmotoren, die über Wasser vier Generatoren antreiben. Der Antrieb des Bootes erfolgt über und unter Wasser über einen Elektromotor. Dieser macht das Boot nicht nur leise, sondern auch vergleichsweise schnell. Unter Wasser sollen Geschwindigkeiten von über 21 Knoten erreicht werden, das entspricht fast 40 Kilometer pro Stunde. Zum Vergleich: Die Geschwindigkeit der jüngsten Atom-U-Boote der US-Navy wird mit 25 Knoten angegeben. 

Doch wie bei allen Herstellerangaben von seegehenden Einheiten werden nicht alle und vor allem keine maximalen Leistungsdaten veröffentlicht. Möglicherweise konnte daher die Nanggala auch eine etwas höhere Geschwindigkeit erreichen. Ähnlich ist es bei der Einsatzdauer, die mit 50 Tagen angegeben wird. Noch vager werden üblicherweise Tauchtiefen angegeben. Offiziell kann die Nanggala bis zu 257 Metern Tiefe tauchen. Und die Zerstörungstiefe wird mit größer als 500 Meter Tiefe angegeben. Das heißt, bei einem Absinken auf mehr als 500 Meter unter der Wasseroberfläche hält der Druckkörper des Bootes – also der Teil, in dem sich die Besatzung aufhält – dem Wasserdruck nicht mehr stand. Das Boot bricht dann auseinander oder es findet quasi eine Implosion statt. Da die Meerestiefe im möglichen Untergangsgebiet an einigen Stellen „nur“ 500 Meter tief war, gab es bis zuletzt noch Hoffnung, dass die eingeschlossenen Seeleute noch leben. 

Gut gehütetes Geheimnis

Doch gab es in den vergangenen Tagen gab es verschiedene Angaben und Spekulationen über den Sauerstoffvorrat an Bord und damit die mögliche Überlebensdauer der Besatzung. Dieser Vorrat ist jedoch in aller Regel ein gut gehütetes militärisches Geheimnis – und ebenso die Kapazitäten all jener Einrichtungen an Bord, die Kohlendioxid aus der Atemluft zu binden vermögen, aber auch jener, die Sauerstoff erzeugen. 

Nun hat die Nanggala regulär eine Besatzung von 33 Mann. Die indonesische Marine gab an, dass zum Zeitpunkt des Kontaktabbruchs 53 Menschen an Bord gewesen seien. Darunter soll der Kommandeur der indonesischen U-Boote, Oberst Harry Setiawan gewesen sein. Als Einsatzziel wurden Übungen und Waffentests angegeben. Jedoch ist der Sauerstoffverbrauch eines Menschen an Bord situationsabhängig unterschiedlich. Kurzum: Spekulationen dieser Art führen zu nichts. 

Seit heute besteht traurige Gewissheit: Keiner der 53 Menschen an Bord hat das Unglück überlebt. An der Wasseroberfläche in der Nähe der vermuteten Unglücksstelle wurden Trümmer und Ausrüstungsgegenstände des U-Boots gefunden, aber auch Gebetsteppiche. An der Fundstelle beträgt die Wassertiefe rund 850 Meter. Die indonesische Marine geht derzeit nicht von einer Explosion an Bord aus. Sollten einige der Unterwassermikrofone, die weltweit in den Ozeanen verteilt sind, das Unglück erfasst haben, wäre wahrscheinlich der Unterschied zwischen Explosion, Auseinanderbrechen oder Implosion erkennbar. 

Die aus verschiedenen Staaten entsandten Suchschiffe und -flugzeuge werden in den kommenden Tagen das Wrack lokalisieren. Möglicherweise erlauben bald die Kameras von Tauchrobotern Rückschlüsse auf die Unglücksursache. Die Bergung der 53 verunglückten Seeleute ist nun eine wichtige Aufgabe. Nicht nur für deren Angehörige ist heute ein trauriger Tag. Weltweit nehmen Menschen Anteil, besonders die U-Boot-Fahrer. Nach wie vor üben U-Boote eine große Faszination aus – und verlangen ihren Besatzungen ein einzigartiges seemännisches Können ab, ein Können, das über alle Nationen hinweg verbindet, ganz besonders an einem Tag wie heute.

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helmut armbruster | So., 25. April 2021 - 08:30

"... die Tatsache, dass Menschen sich nicht wie Fische unter Wasser aufzuhalten vermögen. "
Ich verstehe einfach nicht wieso und warum Journalisten glauben zu solch billigen Tricks greifen zu müssen um ihren Artikel interessant zu machen.
Bei mir bewirkt so etwas genau das Gegenteil. Ich habe nicht mehr weiter gelesen ...

"Ich habe nicht mehr weiter gelesen ..." - selbst schuld. Ich schon; erst wenn man bis zum Schluss gelesen hat, ist m.E. ein wirkliches und fundiertes Urteil legitim. Als gebürtiger und nicht weit der Howaldtswerke ausgewachsener Kieler bin ich mit dem Thema U-Boote nicht ganz unvertraut, und mich hat die Einleitung eher neugierig gemacht auf das was denn darauf folge. Für insider sicher nicht viel Neues - aber Insider waren sicher nicht die Zielgruppe des Autors. Wer tiefer in die Materie eindringen möchte, für den bieten sich andere Quellen an wie z.B. Peter Coates Blog "Submarine Matters" https://gentleseas.blogspot.com/

Ernst-Günther Konrad | So., 25. April 2021 - 11:22

Ich habe mehrere Artikel in den Msm quer gelesen und beteilige mich an solchen Spekulationen nicht. Ob Flugzeugabstürze oder eben die zahlenmäßig weniger häufig vorkommenden U-Boot Unglücke, sie sind sicherlich tragisch, sind aber auch Tribut der Menschheit, wenn sie sich in der Luft und im Wasser aufhalten. Natürlich ist der Viorgang traurig und ích verstehe auch die weltweite Trauer der U-Bootfahrer, wenn denn diese Vorfälle außerhalb von Kriegsgeschehen stattfinden. Was wäre es im Falle eines Kriegseinsatz gewesen? Dennoch vermag ich nicht mehr darüber sinnieren, als wenn ein Reisebus oder eine Bahn verunglückt. Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um, sagt der Volksmund. Und was die Ursache anbetrifft, werden wir diese nicht wirklich erfahren. Betriebs- und Staatsgeheimnis. Aha. Es war ein in DE gebautes U-Boot. Wird Steinmeier kondolieren und ein neues, besseres versprechen? Der Mensch unterwirft sich in Teilbereichen der Technik und die kann auch, neben Menschen versagen.

Bernd Muhlack | So., 25. April 2021 - 14:49

DAS BOOT

Einer der besten Filme aller Zeiten - mMn.
Eine TOP-Besetzung und geniale Texte, Sprüche.

"Na Männer - alles in Ordnung?"
"Jawoll Herr Kaleu!"

"Muss ich jetzt vors Kriegsgericht?"
"Nu mal raus aussen nassen Klamotten!"

"Gib dem Luder ordentlich Puder!"

"Wer sagt denn, dass Marmelade keine Kraft gibt?"

"Boot steigt!"
"Männer, die sitzen jetzt im Kasino und feiern unsere Versenkung! Not yet Kameraden - not yet!"

Wir waren einmal in den Münchner Filmstudios, Geiselgasteig. Auch das Boot wurde inspiziert.
Das ist grausam eng und dieses Krabbeln, Klettern durch die Schotts.
Nein, das wäre nichts für mich.

Der Untergang der damaligen Marine (incl. U-Boote) basierte im Wesentlichen darauf, dass die Alliierten den ENIGMA-Code geknackt hatten und er weiter verwendet wurde.
Hitlers Größenwahn war unendlich!

Am 8. Mai 1945 erklärte Großadmiral Dönitz die bedingungslose Kapitulation.

Knack - Knack
"Das ist der Wasserdruck: die Nieten platzen ab"
Semmelrogge und sein Grinsen!

Heidemarie Heim | So., 25. April 2021 - 17:32

Natürlich verbieten sich Spekulationen jeglicher Art werter Herr Reitzenstein! Deshalb empfand ich Ihren Ansatz, die Beschreibung technischer Details , auch hinsichtlich der Grenzen die es gilt nicht zu überschreiten als positiv. Es lenkt wenn auch nur kurz ab von dem traurigen Schicksal dieser 53 Menschen, die hoffentlich nicht all zu viel leiden mussten! Doch natürlich, wie bei jedem Unglück bleiben auch da die vielen Angehörigen mit ihren Fragen nach Ursachen oder sogar von Schuld. Und ich denke, der bei mir noch negativ in Erinnerung gebliebenen Ausflüchte und schlimmen Geheimniskrämerei gegenüber den Angehörigen der "Kursk", wären die indonesischen Verantwortlichen gut beraten offen und ehrlich aufzuarbeiten wie und warum es zu diesem Unfall kommen konnte. Das erfordert die Ehrerbietung und das Gedenken an die im Dienst Verstorbenen. RIP