Wer war Adolf Josef Kanter wirklich? / Illustrationen: Simon Prades

DDR-Spion Adolf Josef Kanter - Deckname „Fichtel“

Kriegsheimkehrer Adolf Josef Kanter stieg in den siebziger Jahren zum wichtigsten Spion der DDR in Westdeutschland auf. Er bespitzelte fast die gesamte Bonner Politikerelite und blieb unentdeckt bis 1990. Verhinderte er eine frühere Wiedervereinigung?

Autoreninfo

Dirk Koch war 27 Jahre Mitglied des Bonner Büros des Spiegel, 25 davon als dessen Leiter. Mit seinem Namen verbinden sich große Scoops des Nachrichtenmagazins wie etwa die Flick-Affäre. Für die späte Enthüllungsgeschichte über den größten Spion der DDR recherchierte Koch die letzten Jahre in der Stasi-Unterlagenbehörde und bei noch lebenden Zeitzeugen.

So erreichen Sie Dirk Koch:

Die Bonner Redaktion des Spiegel hatte zur Zeit des Kalten Krieges ihr Büro in einem viergeschossigen Zweckbau an der Ecke Dahlmannstraße / Welckerstraße, mitten im Regierungsviertel der alten Bundeshauptstadt. Aus den Fenstern nach Westen ging der Blick auf das Nachbarhaus an der Welckerstraße, zweistöckig, gebaut in den 1950er Jahren, die neonhellen Räume belegt von Fachverbänden und Pressediensten. Wer da ein- und ausging? Für uns vom Spiegel nicht interessant. Man beachtete die Leute gegenüber nicht und grüßte sich nicht.

Das war ein Fehler. So haben wir uns um die Gelegenheit gebracht, den erfolgreichsten und einflussreichsten deutschen Spion vergangener Zeiten kennenzulernen. Wir hätten die Bekanntschaft eines unscheinbaren Mannes machen können, nicht klein, nicht groß, das nach hinten gekämmte Stirnhaar gelichtet, Hornbrille, Typ Sachbearbeiter im grauen Anzug mit Krawatte, leise und höflich. Sein Name: Adolf Josef Kanter. 41 Jahre lang war er Agent Ostberlins, nicht entdeckt bis zum Ende der DDR, eine der wichtigsten Quellen seit Gründung der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA), des Auslandsgeheimdiensts des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Kanter war sieben Jahre lang, von 1974 bis 1981, stellvertretender Leiter der Politischen Stabsstelle der Geschäftsführung des Flick-Konzerns am Sitz der Bundesregierung in Bonn. Sein Job bei Flick: vertrauliche Informationen beschaffen, Politiker und Politik kaufen. Von 1981 an hatte er, selbstständig geworden, sein Büro neben der Spiegel-Redaktion.

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Michaela Diederichs | Mi., 27. November 2019 - 15:11

So einen bräuchten wir jetzt, um die Berliner Elite in die Luft zu jagen. Dann wäre er mir sogar richtig sympathisch. Der Typ war ja ausgesprochen wendig.

"Auch Egon Bah wurde abgehört" - kleingedruckt nicht so schlimm, aber als fette Zeile...

Michaela Diederichs | Mi., 27. November 2019 - 17:13

Antwort auf von Michaela Diederichs

Bahr - möchten Sie das nicht korrigieren? Ich fand den Mann gut. So stört mich das richtig!

Helmut Sandmann | Do., 28. November 2019 - 04:53

Und warum wird erst jetzt darueber so ausfuehrlich berichtet? Waren die Medien auch gekauft?

Ernst-Günther Konrad | Do., 28. November 2019 - 07:35

Nun Herr Koch. Netter Agentenkrimi. Nur, niemand kann sagen, was er letztlich ausgerichtet hat. Die DDR ging trotzdem unter. Warum überrascht es mich nicht, das die Politiker auch schon damals versuchten, alles zu vertuschen und zu verdecken. Aha, da hat Kohl mal schnell seine Fäden gezogen und schwupps wird ein Staatsanwalt kalt gestellt.
Ähnlichkeiten mit derzeit lebenden Personen und aktuellen Sachverhalten sind wahrscheinlich rein zufällig und nicht beabsichtigt?
Was ist heute anders als damals?
Nun, damals blieb vieles wirklich noch "geheim". Heute wird offen das Recht gebrochen und die Medien erklären uns dann, warum es kein Rechtsbruch ist und die Gesetze wurden so gestaltet, dass es erst gar nicht zu gerichtlichen Prüfungen kommt.
Vielleicht findet sich ein Drehbuchautor der einen netten Krimi daraus macht.

Michaela Diederichs | Do., 28. November 2019 - 11:12

Es gab schon mal ein Magazin mit dem Thema Digitalisierung. Das fand ähnlich "viel" Interesse. Jedenfalls gab es so gut wie keine Kommentare. Gibt vielleicht drängendere Probleme?