
- Die Größe des Übels und die Höhe des Risikos
Der Strafrechtler und Rechtsphilosoph Reinhard Merkel sieht eine Pflicht der Ukraine, sich auf Verhandlungen mit Russland einzulassen. Doch sein Argument scheitert. Vielmehr gilt: Nicht zu verhandeln ist keine Verantwortungslosigkeit. Eine Erwiderung auf Merkels Kommentar von Uwe Steinhoff.
Gleich zu Beginn der russischen Invasion der Ukraine wurde dieses Land in einem auch von dem Strafrechtler und Rechtsphilosophen Reinhard Merkel unterzeichneten offenen Brief an den Bundeskanzler faktisch zur Kapitulation aufgerufen. Verteidiger des Aufrufes protestierten angesichts scharfer Kritik, dies sei eine Fehlinterpretation gewesen. Tatsächlich war diese Interpretation logisch und semantisch zwingend.
Es sei dahingestellt, ob Merkel in einem soeben in der FAZ erschienenem weiteren Beitrag nicht abermals die Pflicht der Ukraine zur Kapitulation impliziert. Explizit jedenfalls argumentiert er sich – auf die Theorie des gerechten Krieges stützend – lediglich für eine Pflicht der Ukraine, sich auf Verhandlungen mit Russland einzulassen. Auch dieses Argument scheitert jedoch, denn Merkel missversteht die Theorie des gerechten Krieges ebenso sehr wie die sich aus der politischen Ethik ergebenden Pflichten der ukrainischen Regierung gegenüber ihrem Volk.