Poliklinik in Kineschma
Auch in Russland interessiert man sich mehr für Entwicklungen in der Covid-Pandemie als für die Ukraine / dpa

Russlands Medienlandschaft unter der Lupe - Der Ukraine-Konflikt – ein Krieg der Medien?

Die alltäglichen Sorgen der Bevölkerung weichen oft von dem ab, was aktuell die Schlagzeilen dominiert. Das gilt vor allem für außenpolitische Nachrichten. Angesichts der aktuell zugespitzten Lage lohnt es sich, einen Blick auf die Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt in russischen Medien zu werfen und sie ins Verhältnis zum Stimmungsbild in der russischen Bevölkerung zu setzen.

Autoreninfo

Nathan Giwerzew ist Journalist in Berlin.

So erreichen Sie Nathan Giwerzew:

Was die russische Medienlandschaft betrifft, ist die demographische Disparität zwischen (zumeist staatlich geführten) Fernsehsendern und den Interessen der jüngeren Internetnutzer ein soziologisch besonders interessantes Phänomen. Während die älteren Russen vor allem fernsehen, informiert sich die politisch interessierte jüngere Generation vorwiegend aus Online-Quellen. Der hierzulande nicht zu Unrecht als „Chefpropagandist“ bekannte Dmitrij Kisseljow, selbst Jahrgang 1954, mobilisiert mit seinen antiwestlichen Tiraden auf Rossija Segodnja eher die noch in Sowjetzeiten kultivierten antiamerikanischen Ressentiments der betagten Fernsehzuschauer: Dass Russland seit dem Ende der Sowjetunion und nach dem Aufstieg Chinas nicht mehr der Global Player ist, der es früher war, kann leicht vergessen werden, wenn die verstaubte Rhetorik aus den Zeiten des Kalten Krieges ausgepackt wird. So war etwa, um ein weiteres Beispiel zu nennen, in der Sendung „Vesti“ in einem Kommentar der Moderatorin Margarita Simonjan jüngst von einem „Genozid“ der Ukrainer an der ethnisch russischen Bevölkerung in der Ostukraine die Rede – ein Gemeinplatz, den auch Putin in seinem letzten Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz aufgriff.

Außenpolitik? Aktive russische Internet-User haben andere Probleme

Bei der jüngeren Generation verfängt diese Rhetorik allerdings kaum. Die interessiert sich nämlich kaum für außenpolitische Probleme: Für sie stehen innenpolitische Probleme weit oben auf der Agenda. So sind dem mit der Überschrift „Herausforderungen der Pandemie und die strategische Agenda für Staat und Gesellschaft“ betitelten Jahresrückblick des soziologischen Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften vom Dezember 2021 einige Daten zu entnehmen, die bei manchen westlichen Beobachtern womöglich Verwunderung auslösen könnten. Der auf 7% angesetzte Anteil der russischen Internet-User, die sich an Online-Debatten über gesellschaftliche und politische Fragen beteiligen, sorgt sich vor allem um die steigenden Lebensmittelpreise (45,5%), dicht gefolgt von der Furcht vor steigenden Preisen für Wohnraum und kommunale Dienstleistungen (37,5%). Das drittrelevanteste Thema ist Behördenwillkür und Korruption (31,1%). Nur 8% der Nutzer bereitet der internationale Terrorismus Sorgen, während der Konflikt zwischen Russland und Europa nur 6,3% der Nutzer beschäftigt. Und die ökonomischen Sanktionen des Westens gegen Russland kümmern fast niemanden (3,6%).

Cicero Plus weiterlesen

  • Monatsabo
    0,00 €
    Das Abo kann jederzeit mit einer Frist von 7 Tagen zum Ende des Bezugzeitraums gekündigt werden. Der erste Monat ist gratis, danach 9,80€/Monat. Service und FAQs
    Alle Artikel und das E-Paper lesen
    • 4 Wochen gratis
    • danach 9,80 €
    • E-Paper, App
    • alle Plus-Inhalte
    • mtl. kündbar

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Tomas Poth | Fr., 18. Februar 2022 - 13:30

nteressanter wäre ein Blick in die Ukrainischen Medien, wie dort die Ereignisse behandelt werden. Letztlich geht es um das Fell der Ukraine wenn die Statthalter der jeweiligen Interessen den Konflikt mit Waffen beginnen!
Zu den Sorgen, das hört sich ja ähnlich an wie bei uns.
Ist es nicht so, Machteliten hüben wie drüben kämpfen um ihre Interessen und Einflüsse, treiben dafür das Volk auf die Schlachtfelder.
Die Medien handeln im Auftrag dieser Machteliten, um deren Interessen zu den unserigen zu machen und uns die Köpfe dafür hinhalten zu lassen?!

Ronald Lehmann | Fr., 18. Februar 2022 - 22:51

Antwort auf von Tomas Poth

Wie Recht Sie haben, Her Poth. Medien sind die Handlanger der Macht für Manipulation & Illusion.
Und ich glaube nicht, egal ob russischer oder ukrainischer Arbeiter, das diese auch nur im geringsten irgendwelche Lust auf Krieg verspüren. Krieg ist immer nur für die interessant, die weit ab von der Wirklichkeit des Geschehen ihre Befehle geben, um sich groß zu fühlen. Wie beim Computerspiel.

Enka Hein | Fr., 18. Februar 2022 - 13:31

..auf D übertragen.
Staatlich gelenktes Fernsehen haben wir auch.
Heißt ÖRR. Quasi der Schwarze Kanal mit homöopathischer Dosis Demokratie verkleidet.
Ich gehöre zwar zu den älteren Mediennutzern.
Aber Tagesschau und heute seit 2015 nicht mehr.
Echte Informationen anternativen Medien, u.a. Cicero oder im Ausland.
Also ehe wir über die Propaganda in Russland
lästern. Machen wir hier bestens selbst. Das Fachpersonal aus DDR Zeiten hat sich im ÖRR als Made auf Kosten des Steuerzahlers gut eingerichtet und manipuliert die deutschen linksgrünen Kleingeister bestens.
Corona war das und ist das letzte Beispiel. Lug und Trug zur besten Sendezeit.
Und in D hatan auch andere Sorgen als Ukraine.
Energiekosten, Inflation, Demokratieverlust, laufende BK.....

Joachim Kopic | Fr., 18. Februar 2022 - 14:33

Antwort auf von Enka Hein

... wer bei Fragen genau hinhört, weiß eigentlich schon vorher die Antwort ... und mit der stimme ich - ebenfalls verstärkt seit 2015 - immer weniger überein. :(

Gerhard Lenz | Fr., 18. Februar 2022 - 13:53

Propagandamedien unter dem Kommando des russischen Diktators führen diesen Medienkrieg schon seit langem. Da werden zuhauf Fake-News produziert, die dann begierig nicht nur von diversen "neutralen" Medien verbreitet werden, sondern auch so mancher Cicero-Forist begeistert unter das Volk zu bringen versucht.

Wir können nur froh sein, dass der US-Präsident nicht mehr Trump heisst. Der würde entweder seine westlichen Partner im Stich lassen, weil er eher den Tyrannen Putin als Verbündeten akzeptieren kann, als irgendeinen "dekadenten" Demokraten. Oder er würde, in einem Anflug von Opportunismus und bei ihm üblicher Verwirrtheit, mal eben den roten Knopf drücken, im Sinne von "America First", was interessiert schon der Rest der Welt.

Zumindest das ist uns erspart geblieben. Ein Putin, der mittlerweile NATO-Mitgliedern vorschreiben will, ob sie NATO-Truppen auf ihrem Territorium stationieren dürfen, ist schon Kriegstreiber und ätzend genug.

Ernst-Günther Konrad | Fr., 18. Februar 2022 - 14:14

Machen wir uns doch alle nichts vor. Ob sog. Staatsmedien oder Internetportale. Überall nutzt der Staat und seine Kritiker Medien, um ihre Meinung, ihre Sichtweise, gar Hass und Hetze zu verbreiten und besonders bei uns besonders auffällig, einen Krieg herbeizuschreiben. Jetzt wird gar von Scharmützeln in der Ost-Ukraine gesprochen. Wer da zündelt und wer da löscht ist je nach Sichtweise immer der andere. Was aber Ihr Artikel deutlich zeigt, der "gemeine" Russe hat andere Sorgen, sicher berechtigt, aber fern ab der Weltpolitik. Wie überall in der Welt sind es Existenzängste, Versorgungsängste, Angst vor staatlichen Übergriffen usw. Bei uns heißen diese Menschen "Querdenker" und "Nazis". Wie heißen die Russland Herr Giwerzew? Das auch immer extreme Geister, links wie rechts mitmischen ist doch klar. Nur die Russen an sich, haben eine andere Kultur in Hinblick darauf, dass sie schon immer einem "Führer" gefolgt sind. Ob unter einem Zaren, einer kommunistischen Diktatur oder unter Putin.

Walter Bühler | Fr., 18. Februar 2022 - 16:01

... dass die russische Bevölkerung nicht auf einen Krieg scharf ist?

Na ja, vielleicht für ein paar versprengte Arier oder Kuklux-Clan-Anhänger, die noch an die schöne Lehre von den slawischen Untermenschen glauben.

Wahrscheinlicher sind es jedoch mehrheitlich die unkritischen Nachbeter der CIA- und MI5-Agitation, die unter uns leben. Sie könnten eventuell von einer solchen Nachricht überrascht sein.

Na ja, und was den Umzug der US-Botschaft ins galizische Lemberg angeht: die nichtstaatlichen Helferlein der CIA in der Ukraine werden schon einen Grund gehabt haben, ihre Spuren zu verwischen. Mit den dortigen faschistischen Gruppen werden sie wohl kaum offen zusammengearbeitet haben.

Wie es ein Forist so treffend formuliert hat: "Propagandamedien... führen diesen Medienkrieg schon seit langem. Da werden zuhauf Fake-News produziert, die dann begierig nicht nur von diversen "neutralen" Medien verbreitet werden, ... "

So ist es.

Gerhard Fiedler | Sa., 19. Februar 2022 - 20:11

Wenn doch die Medien als vierte Gewalt im Staat, hier wie dort, der Ukraine nur solche Ratschläge erteilen würden, die diesem Land auch weiterhelfen! Welche aber wären diese?
Will die Ukraine Krieg vermeiden und am Ende nicht geteilt werden, ist es doch völlig verkehrt, einem Bündnis wie dem der Nato beitreten zu wollen, das sich gegen Teile des eigenen Volkes, der Russen, richtet. Zum anderen kann es nicht der Machtsphäre einer Großmacht entrinnen. So frei sind kleinere Völker nicht. Auch Deutschland ist nicht so frei, wie es vorgibt. Noch 75 Jahre nach Kriegsende kann es nicht dem Einfluß der USA entkommen, gar die Nato verlassen und tun was es will. Von daher kann es doch nur heißen, ein gutes Verhältnis zu Europa, den USA und Russland anzusstreben. Dagegen hätte Russland bestimmt nichts. Alles andere, Konfrontation gar, wäre unrealistisch, weltfremd und gefährlich.