PiS-Anhänger demonstrieren vor dem Präsidentenpalast gegen die Festnahmen / dpa

Machtkampf in Polen - Führende PiS-Politiker in Haft

In einer filmreifen Aktion sind in Polen zwei Spitzenleute der PiS-Partei festgenommen worden. Donald Tusk und seine Mannschaft sind offenkundig bereit, mit brachialen Mitteln die von Andrezj Duda willfährig genehmigte Justizreform zu ignorieren.

Autoreninfo

Thomas Urban ist Journalist und Sachbuchautor. Er war Korrespondent in Warschau, Moskau und Kiew. Zuletzt von ihm erschienen: „Lexikon für Putin-Versteher“.

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Es war eine Aktion wie aus einem politischen Krimi und die größtmögliche Demütigung für Präsident Andrzej Duda, der sich im Machtkampf mit der neuen proeuropäischen Regierung um Donald Tusk offenkundig als Sachwalter der abgewählten nationalpopulistischen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) versteht: Am Dienstagabend verlässt eine Wagenkolonne mit Blaulicht das Gelände des Präsidentenpalasts am Rande der Warschauer Altstadt und fährt zum vier Kilometer entfernten Belweder-Palast, wo Duda den Neujahrsempfang für die belarussische Opposition gibt. 

Wenige Minuten später betritt eine Gruppe Polizisten den Präsidentenpalast, geht zielsicher zu einem der Büros und präsentiert dem dort angetroffenen früheren Innenminister Mariusz Kamiński sowie dessen Stellvertreter Maciej Wąsik, beide Spitzenleute der PiS, zwei Haftbefehle. Die ehemaligen obersten Chefs der Polizei bekommen Handschellen angelegt und werden zu einer Polizeiwache auf der anderen Seite der Weichsel fernab des Zentrums gebracht.

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Tomas Poth | Mi., 10. Januar 2024 - 15:25

Unterstützt den Tusk-Putsch von oben, das ist knallharte Machtpolitik der Linksextremisten in Polen.
Wie wird sich die polnische Bevölkerung zeigen?

Thomas Hechinger | Mi., 10. Januar 2024 - 15:49

Wäre die Sache nicht so ernst, würde ich Ihren Beitrag, Herr Urban, als von unfreiwilliger Komik durchsetzt bezeichnen. Da läßt eine neue Regierung zwei Mitglieder der alten Regierung verhaften, und Sie schwadronieren von Wiederherstellung des Rechts. Ich muß nun wirklich nicht mit den feinen Verästelungen der polnischen Politik und den Machenschaften des Kaczyński-Regimes vertraut sein (und gewiß werde ich dieses Regime seiner Politik wegen nicht verteidigen), um zu erkennen, worum es hier geht: Es ist ein schleichender Staatsstreich. Früher nannte man das einmal Gleichschaltung. Schauen wir, ob Herr Tusk auch in sechs Monaten damit durch ist. Immerhin hat bisher noch niemand den Sejm angezündet. Es gibt also noch Hoffnung.

Kai Hügle | Mi., 10. Januar 2024 - 17:10

Antwort auf von Thomas Hechinger

Die beiden PiS-Politiker wurden rechtskräftig verurteilt, und zwar nicht von Tusk oder der EU, sondern von einem polnischen Gericht.
Die von Präsident Duda ausgesprochene Begnadigung ist unwirksam. Auch dies wurde nicht von Tusk verfügt und nicht von der EU, sondern vom Obersten polnischen Gericht.
Auch in Polen dürfte die Mehrheit der Bevölkerung der Auffassung sein, dass rechtskräftig verurteilte Straftäter ins Gefängnis gehören und nicht in den Präsidentenpalast, wohin sich die beiden Herren geflüchtet hatten. Und da es auch in Polen die Aufgabe einer Regierung ist, bestehende Gesetze auszuführen, ist die Verhaftung ebenso folgerichtig wie Urbans Aussage über die Wiederherstellung des Rechts zutreffend - auch wenn das den Ciceronen natürlich nicht gefällt.
Stellen Sie sich einfach vor, Faeser und Kühnert wären rechtskräftig verurteilt worden und suchten Zuflucht bei Steinmeier im Schloss Bellevue. Vielleicht verstehen Sie dann, worum es hier geht. Aber vielleicht auch nicht..

Es ist sehr fürsorglich von Ihnen, mir in Ihrem letzten Absatz ein Beispiel zu geben, das sogar ich begreifen kann. Also Faeser und Kühnert wären rechtskräftig verurteilt, meinen Sie in Ihrem Beispiel – natürlich nur hypothetisch, denn bei solch ethisch handelnden Politikern kann man sich unrechtes Tun nicht vorstellen –, und der Herr Steinmeier lüde die dann ins Schloß Bellevue ein. Gut, das stelle ich mir jetzt bildlich vor. Alle drei sind von derselben Partei, analog wie in Polen die zwei Knaben und der Duda. Stimmt. Habe ich kapiert. Und in Polen organisiert inzwischen der von der andern Partei die Durchsetzung des Rechts. Jetzt zurück nach Deutschland. Dann müßte auch hier der von der andern Partei, der gerade die alte Regierung abgelöst hat, die Durchsetzung des Rechts organisieren. Wer könnte das sein? Hm... ich komme einfach nicht auf den Namen. Sie sehen, jetzt überfordern Sie mich doch. Aber wahrscheinlich können Sie mir gleich den geheimnisumwitterten „Andern“ nennen.

Kai Hügle | Do., 11. Januar 2024 - 13:13

Antwort auf von Thomas Hechinger

Das klappt doch schon richtig gut. Ich sehe, Sie können gedanklich folgen. Um in der Analogie zu bleiben, schlage ich vor, in unserem Szenario ist Friedrich Merz nicht mehr Oppositionsführer, sondern der neue Bundeskanzler.
Vielleicht ist unter diesen fiktiven Vorzeichen die Fähigkeit besser entwickelt, die Bedeutung rechtskräftiger Urteile zu verstehen. Gutes Gelingen! :-)

Hans Jürgen Wienroth | Mi., 10. Januar 2024 - 16:01

Unrecht wird durch Umkehr nicht zu Recht. Ich habe bereits in meinem letzten Kommentar zu den Ereignissen in unserem Nachbarland geschrieben, dass ich zu den Vorgängen selbst wenig sagen kann.

Wenn ich jedoch die brachialen Methoden sehe, mit der in Polen der „Umbruch“ (oder muss man „Putsch“ der Regierung dazu sagen?) durch den ehemaligen EU-Ratspräsidenten durchgesetzt wird, dann wirft das ein schlechtes Licht auf die Demokratie der europäischen Institutionen. Da hilft es auch nicht, dass Polens rechte Regierung von der EU wegen der Demokratie-Defizite angeprangert wurde.

Wenn das der Stil der EU ist, der sich in Polen gerade zeigt, dann sind wir der Diktatur durch die EU-Institutionen näher, als ich bisher für möglich hielt. Was erwartet uns Europäer seitens der EU-Führung, sollten rechte und die sogenannten Populisten in der anstehenden Wahl zum EU-Parlament eine Mehrheit erzielen?

Ihrem Kommentar ist voll zustimmen. Auch ich habe in meinem letzten Kommentar schon meine Meinung dargelegt.
Ihr Satz: "Wenn das der Stil der EU ist, der sich in Polen gerade zeigt, dann sind wir der Diktatur durch die EU-Institutionen näher, als ich bisher für möglich hielt."
Genau so ist es.
Es geht der EU nicht um Rechtsstaatlichkeit, es geht nur um Durchsetzung der eigenen grünlinkswoken Interessen.
Habe von ein paar Tagen einen sehr interessanten Artikel von
Aleksandra Rybińska, einer Politikwissenschaftlerin und Soziologin aus Polen gelesen. Die stellte die ganze Situation ein bißchen anders dar als der Autor dieses Artikels.

Stefan Jarzombek | Mi., 10. Januar 2024 - 17:00

Vielleicht sollte wie im Februar 1920 eine Interalliierte Kommission die Aufsicht in Polen übernehmen, bevor es dort nicht nur zu Verhaftungen kommt, sondern auch um die Willkür zu unterbinden und Tusk zu mäßigen.
Das Land hat nun keine PiS mehr, dafür wird es wahrscheinlich jedoch nicht mehr zur Ruhe kommen bis Tusk wieder abgewählt worden ist, durch eventuelle Neuwahlen.

BHZentner | Mi., 10. Januar 2024 - 20:15

Der DLF berichtet genüßlich, wie der unter PIS-Regierung angeblich zum Prpagandainstrument verkommene ÖRR von Tusk und Co. geschleift wird - ebenso inbrünstig über die Verhaftung wegen ,,Machtmißbrauch" verurteilter, ehemaliger Minister; alles von der EU wohl mitbetrieben, zumindest lange ersehnt.
Und ja,@ Kai Hügle:toller Hinweis, ich stelle mir natürlich jedesmal vor Kühnert, Faeser, Scholz, Lauterbach (zusammen mit Drosten, Spahn) Habeck würden, zur Rechenschaft gezogen durch ein wieder unabhängiges Gericht,zu Volksverhetzer Steinmeier geflohen dorten verhaftet...und natürlich erst unser ,,unabhängiger" öffentlich-rechtlicher Rundfunk... dazu braucht es nicht viel Phantasie.

Ernst-Günther Konrad | Do., 11. Januar 2024 - 10:27

Zwei Haftbefehle gegen zwei Politiker ich denke mal, von Richtern unterschrieben. Nicht irgendwelche Politiker, sondern zwei rechtskräftig verurteilte, die mittels fragwürdiger Begnadigung ihrer möglichen Verurteilung in der Berufungsinstanz entgingen. Nunmehr Regierungswechsel und alles sieht danach aus, als würde sich die neue Regierung genauso wenig an Recht und Gesetz halten, sondern nach dem Motto " Tabula rasa" beginnen, vermeintlich dem Gesetz wieder Geltung zu verschaffen. Nur ist das so? Sind die PiS Politiker nur allein die Bösen und die TUSK Politiker nunmehr die "Guten" die aufräumen? Ich weiß nicht, ob sich dieses Vorgehen medial so aufgeplustert nicht rächen wird. Gerade weil auch die Richterschaft angeblich gespalten ist und auch sonst die Justiz in Polen äußerst fragil scheint. Am Ende dreht sich das Ganze gegen TUSK und der landet wegen eines Putschversuches im Gefängnis. Ob dieses Vorgehen besonders klug war muss sich erst noch erweisen. Ich habe da Zweifel.

Keppelen Juliana | Do., 11. Januar 2024 - 10:29

wie es weitergeht. Was Tusk derzeit treibt scheint nicht gerade demokratisch zu sein aber warten wir ab. Direkt amüsiert hat mich seine erste Amtshandlung den ÖR auszuschalten und neu zu besetzen. Nicht auszudenken würde das bei uns eine andere Partei machen der Aufschrei in Brüssel und unserer "Elite-Parteien" wäre bis zum Mond hörbar.

Dorothee Sehrt-Irrek | Do., 11. Januar 2024 - 12:03

Bruder im Warschauer Ghetto gegen die Deutsche Wehrmacht gekämpft.
Ich gehe mal davon aus, dass die heutige Situation aber gerade deshalb die vielleicht schwierigste seines Lebens darstellt?
Es tut mir leid, dass ich Herrn Tusk gegenüber voreingenommen bin, seit ich sein Bild in dem Buch der Professorin sah, deren Name mir schon wieder entfallen ist.
Nun wurde nicht nur Herr Tusk gewählt und die PiS nicht in dem Sinne abgewählt, die ja eher zuvor bei einer unglaublichen 2/3 Mehrheit lag, was nicht von Dauer sein konnte.
Ich bin also sehr gespannt, wie sich die unterschiedlichen Kräfte Polens hoffentlich friedlich miteinander arrangieren können.
Es gibt ja auch noch Sanktionsmechanismen der EU, aber ich sagte ja, für Herrn Kaczynski evtl. die schwierigste Situation seines Lebens?

das betraf wohl den Vater, der einer verarmten adligen Familie entstammte, laut Wiki.
Gerade weil in Europa adlige Familien immer noch sehr geachtet werden, würde ich auf deren Erfahrungen aus jahrhundertelangem Wirken für die Geschicke der einzelnen Länder nicht verzichten wollen.
Ich bin überzeugte parlamentarische (Sozial-)Demokratin, aber eben auch der Meinung, dass Demokratie (Selbstbestimmung) und europäische Geschichte immer schon nahe beieinander lagen.
Willkür oder Selbstermächtigung hingegen auf jeder Ebene verpönt war.
in diesem Sinne wünsche ich den Menschen in Polen gutes Gelingen.