
- Politisch-wirtschaftliches Harakiri
Heute vor zehn Jahren kam es in Fukushima zur Nuklearkatastrophe, kurze Zeit später beschloss die Bundesregierung den Ausstieg aus der Kernenergie. Doch dieser Weg hat unschöne Folgen: Strompreisanstieg und das Verfehlen der CO2-Ziele. Die vorläufige Bilanz des deutschen Sonderwegs fällt erschütternd aus.
Es ist Zeit, Bilanz zu ziehen. Nach dem Reaktorunfall in Fukushima in Japan gab es nur ein einziges Land auf der Welt, das den Ausstieg aus der Kernenergie beschloss: Deutschland. Es war die Bundeskanzlerin, die in einer Kurzschlussreaktion vier Tage nach dem Störfall erklärte, dass die ältesten acht Kernkraftwerke abgestellt werden sollten. Da die Bundesregierung ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz wie das Atomgesetz nicht einfach außer Kraft setzen kann, sprach der Bundesverfassungsrichter Hans-Jürgen Papier von verfassungswidrigem Vorgehen.
Treiben durch die öffentliche Meinung
Wie immer in krisenhaften Situationen, wie etwa bei der Öffnung der Grenzen 2015 oder in der Coronakrise, ließ sich die Bundeskanzlerin treiben von der öffentlichen Meinung. Die war aber durch Angst- und Panikmache, insbesondere der öffentlich-rechtlichen Medien, aufgeputscht und klar auf der Seite des Ausstiegs. Wir erinnern uns noch gut an die täglichen Brennpunkte in ARD und ZDF mit dem immer wiederkehrenden Rangar Yogeshwar, in deren Folge in Deutschland, 9.000 Kilometer von Japan entfernt, die Geigerzähler ausverkauft waren.
Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass ein anderer Bundeskanzler zunächst Ursachenforschung betrieben hätte und nach dem Abklingen der ersten verständlichen Erregung und Angst entschieden hätte, was im Interesse Deutschlands und nicht im Interesse des eigenen politischen Überlebens notwendig war. Noch im Jahr 2010 war die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke um acht bis 14 Jahre durch den Bundestag beschlossen worden. Noch 2008 sagte Bundeskanzlerin Merkel: „Ich halte es nicht für sinnvoll, dass ausgerechnet das Land mit den sichersten Atomkraftwerken die friedliche Nutzung der Kernenergie einstellt.
„Wallmann-Ventil“ und „Töpfer-Kerzen“
Eine nähere Untersuchung hätte ergeben, dass der Unfall in Deutschland niemals hätte passieren können, wie auch die Reaktorsicherheitskommission feststellte. Denn abgesehen davon, dass die Kraftwerke von Fukushima zu gering gegen Flutwellen und Überschwemmung geschützt waren, gab es dort auch nicht das im Jahre 1986 in Deutschland eingeführte „Wallmann-Ventil“. Ein solches Ventil sorgt dafür, dass bei Überdruckbildung im Sicherheitsbehälter Gase gefiltert entlastet werden können. Das Wallmann-Ventil war im Zuge der Überarbeitung der Sicherheitskonzepte deutscher Kernkraftwerke nach der Katastrophe von Tschernobyl eingeführt worden. Auch die sogenannten „Töpfer-Kerzen“, das heißt Wasserstoff-Rekombinatoren, mit denen deutsche Kernkraftwerke längst nachgerüstet waren, hätten eine Wasserstoffexplosion wie in Fukushima vermieden.
Die Fehlentscheidung der Kanzlerin
Trotz Fukushima kamen alle anderen Kernenergieländer der Welt zu anderen Schlussfolgerungen. Spanien, Belgien, die Schweiz, die USA und Schweden verlängerten die Laufzeit ihrer Kernkraftwerke. Holland und Polen planen den Einstieg in die Kerntechnik. Schweden, das in den 1980er-Jahren beschlossen hatte, bis 2000 alle Kernkraftwerke zu schließen, hat mittlerweile den Betrieb einzelner Kraftwerke bis 2040 erlaubt. Sogar der Ersatz bestehender Kernkraftwerke ist dort nunmehr möglich.
In Deutschland war die Laufzeitverlängerung ein halbes Jahr vor dem Ausstiegsbeschluss ebenfalls erfolgt: Im Herbst 2010 beschloss der Deutsche Bundestag eine Verlängerung der Laufzeiten um acht Betriebsjahre für ältere Kraftwerke und um 14 Jahre für jüngere Kraftwerke. Danach wäre Brokdorf im Jahre 2036 vom Netz gegangen. Durch die Einrichtung einer Ethikkommission, die sich dadurch auszeichnete, dass in ihr kein einziger Energiefachmann vertreten war, allerdings mehrere Kirchenvertreter und Ausstiegsaktivisten, erhielt die Bundeskanzlerin ein Votum, das sie für eine gesetzliche Regelung brauchte.
Am 9.Juni 2011 erklärte sie im Deutschen Bundestag „Die Nutzung der Kernenergie wird bis 2022 beendet.“ Am 30. Juni 2011 beschloss der Bundestag in namentlicher Abstimmung bei wenigen Gegenstimmen das „13. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes“, das die Stilllegung aller Kernkraftwerke bis 2022 vorsah. Die Folgeschäden der Entscheidung der Kanzlerin und des Deutschen Bundestages für den Wohlstand Deutschlands sind immens. Denn in der Regierungserklärung von 2009 hatte die CDU-FDP Koalition das Ziel der Vorgängerregierung einer 40-prozentigen CO2-Minderung bis 2020 übernommen.
Die Folge: Strompreisanstieg
Ein Großteil der durch den Ausstieg wegfallenden CO2-freien Stromproduktion musste nun durch Kohle- und Braunkohlekraftwerke ersetzt werden. Dadurch blieben die CO2-Emissionen durch die Stromerzeugung bis 2018 weitgehend konstant, obwohl massive Subventionen in Höhe von 400 Milliarden Euro für Windkraftanlagen und Photovoltaikdächer zu einem massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien führte. Hinzu kommen die Kosten von etwa 100 Milliarden Euro, die für die Hochspannungstrassen auszugeben sind, um Windstrom vom Norden in den früher kernkraftreichen Süden zu transportieren.
Die Subvention, die auf jeden Stromkunden umgelegt wurde, führte zu einem massiven Strompreisanstieg. Deutschland hat mit 32 Eurocent pro Kilowattstunde den höchsten Strompreis der Welt; der internationale Durchschnitt liegt bei zwölf Eurocent pro Kilowattstunde. Die Erneuerbaren-Energie-Umlage beträgt mittlerweile zehn Eurocent pro Kilowattstunde, die inzwischen zum Teil vom Steuerzahler bezahlt wird.
Der höchste Strompreis der Welt, eine Folge der falschen Entscheidung im Jahre 2011, trifft nicht nur die Verbraucher, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit von Industrie und Gewerbe und deren Arbeitsplätze, soweit sie nicht zu den wenigen Betrieben gehören, die von der Umlage befreit sind. Der Wirtschaftsstandort Deutschland zerbröselt. Schon heute investiert die chemische Industrie vor allen Dingen wegen der prohibitiv hohen Stromkosten weniger als die Höhe der Abschreibungen. Die Industrie schrumpft.
Ziele der Bundesregierung werden nicht erfüllt
Um die CO2-Ziele trotz Kernenergieausstiegs dennoch einzuhalten, mussten andere Bereiche herangezogen werden wie der Verkehr, die Wärmeversorgung und die Landwirtschaft, die mit weiteren CO2- Einsparvorgaben belastet wurden. Am Ende wurde sogar der Verbrennungsmotor geopfert, eine Schlüsseltechnologie Deutschlands. Es war allerdings schon 2011 erkennbar, dass im Jahre 2020 die CO2-Ziele nicht eingehalten werden konnten – dieses Scheitern war einer der Gründe, die zum Anschwellen der „Fridays for Future“-Bewegung 2019 führte. Dank eines umfassenden Corona-Lockdowns wurde das Minderungsziel allerdings zumindest kurzfristig erreicht.
Durch den Doppelschlag des Verzichts auf Kernenergie und Kohle fallen 80 Prozent der gesicherten Leistung an Strom weg und werden ersetzt durch Strom, der von Wind und Wetter abhängt und mit Dunkelflauten im Winter von bis zu 10 Tagen eine Strommangelwirtschaft hervorrufen wird, die wir nur von Entwicklungsländern kennen. Verkehr und Wärmeversorgung künftig auch noch zusätzlich von fluktuierenden Stromquellen wie Sonne und Wind abhängig zu machen, das grenzt an politisch-wirtschaftliches Harakiri. Die hierfür notwendige Speicherung durch Wasserstoff oder Batterien ist schlicht unbezahlbar.
Neue Lösung für ein altes Problem?
Mit der Stilllegung der Kernkraftwerke ist das Problem der radioaktiven Rückstände in den abgebrannten Brennelementen ungelöst, die in zwölf Zwischenlagern neben den Kernkraftwerken aufbewahrt werden. Eine neue Generation von Kerntechnologien, die inhärent sicher sind und das Endlagerproblem auflösen, wird weltweit entwickelt, nur nicht in Deutschland. Denn die bis 2011 gültige Zweckbestimmung des Atomgesetzes, die Erforschung der Nutzung der Kernenergie zu fördern, wurde ersatzlos gestrichen. Die Kernforschung zum Zwecke der Energieerzeugung wurde eingestellt.
Die Kerntechnik der IV. Generation, an der weltweit geforscht wird, arbeitet überwiegend mit schnellen Neutronen. Sie sind in der Lage, auch nicht spaltbare Atomkerne durch Neutroneneinfang zu spaltbaren zu machen. Damit wäre das Problem der Reichweite gelöst, denn herkömmliche Reaktoren nutzen lediglich fünf Prozent des Urans durch Kernspaltung. Zugleich wird aber auch das Problem des Atomabfalls gelöst, denn dieser kann als Ausgangsstoff eingesetzt werden. Selbst wenn es nicht um die kostengünstige CO2-freie Stromerzeugung durch Kernenergie ginge, müsste sich Deutschland mit dieser Technologie befassen, denn sie sichert die Umwandlung der über Zehntausende von Jahren langlebigen Rückstände in Stoffe, die bereits nach einigen hundert Jahren als abgeklungen gelten.
Der Dual-Fluid-Reaktor
Ein neues Konzept der IV. Generation ist auch der Dual-Fluid-Reaktor (DFR). Er wurde als privates Projekt von Kernphysikern aus Deutschland ohne staatliche Zuschüsse entwickelt und hat mittlerweile weltweit Patente. Die Beschreibung des Reaktors durch die Erfinder liest sich wie die Beschreibung des Steins der Weisen:
- Der DFR erzeugt wie die meisten Konzepte der IV. Generation keinen langlebigen Atommüll; im Gegenteil, er baut den bestehenden Atommüll ab.
- Die Energieeffizienz ist etwa 1000 Mal so groß wie bei Stromerzeugungen auf Basis Erneuerbarer Energien.
- Das Kraftwerk ist inhärent sicher.
- Die Erzeugungskosten für Strom sollen für ein Großkraftwerk von 1500 Megawatt elektrischer Leistung bei einem Eurocent pro Kilowattstunde liegen.
Neues Kapitel der Kernenergie
Die Patentinhaber, die sich im privaten Institut für Festkörper-Kernphysik in Berlin organisiert haben, haben ihre Zelte mittlerweile in Vancouver in Kanada aufgeschlagen. Je mehr die desaströsen Unzulänglichkeiten der Energiewende auf Wind- und Solarbasis in den nächsten Jahren zutage treten werden, umso mehr sollte die Offenheit kluger politischer Köpfe auch in Deutschland wachsen, sich mit einem neuen, sicheren Kapitel der Kernenergie zu beschäftigen.
Dazu braucht es einen Wechsel in der politischen Führung, vor allen Dingen aber ein Umdenken in den Redaktionsstuben deutscher Medien, in denen nach einer Untersuchung von Matthias Kepplinger 70 Prozent der Journalisten immer noch der Auffassung sind, dass Fukushima „endgültig bewiesen“ habe, dass „die Risiken der Kernenergie nicht tragbar sind“. Aber bevor es den ersten „Brennpunkt“ in ARD oder ZDF zur Technologie der IV. Generation gibt, müsste uns alle die berechtigte Angst um die Sicherheit unserer Energieversorgung erschüttern.