
- Dealen mit Erdogan?
Der Militärputsch in der Türkei ist auch für Angela Merkel pikant. Sie hat sich in der Flüchtlingspolitik vollkommen auf Erdogan verlassen. Ihr Pakt wirkt nun noch unappetitlicher. Ein Kommentar
Nehmen wir für einen Moment an, die derzeitige Türkei bewürbe sich um eine Mitgliedschaft in der Nato und/oder der Europäischen Union. Die Entscheidung stünde fest, noch bevor der Brief in Brüssel angekommen wäre.
Nach dem seltsamen Putsch und Recep Tayyip Erdogans unmittelbarer Säuberung in Armee, Justiz und Verwaltung geht es um eine andere Frage: Wie verfährt man mit einem zunehmend autokratischen Staatspräsidenten, der sich auf die Unterstützung seines Wahlvolkes berufen kann und von dem man sich in eine unselige Abhängigkeit hat bringen lassen?
Merkel in der Klemme
Natürlich kann man sich die Staats-und Regierungschefs nicht aussuchen, mit denen man es im Weltgeschehen zu tun hat. In Russlands Staatspräsidenten Wladimir Putin und dessen türkischen Pendant Erdogan hat es Europa, hat es die Bundeskanzlerin gleich mit zwei Schlüsselfiguren zu tun, die es mit Skrupel nicht so haben und denen die Demokratie westlicher Spielart nicht eben zum Vorbild dient.
Angela Merkel ist nun in einer Lage, die der Brite „Catch 22“ nennt. Catch 22 ist das Gegenteil einer Win-Win-Situation, eine Lage, in der alles, was man tut, falsch ist. Das eine ist nur möglicherweise etwas falscher als das andere. Kurz vor dem Jahrestag ihres Alleingangs vom 4. September 2015, der Grenzöffnung für die Flüchtlinge aus Ungarn, steht die deutsche Kanzlerin in der Flüchtlingsfrage nun ohne Partner in der EU da und mit einem zwielichtigen Partner am Bosporus. Kein Wunder, dass ihr Koalitionspartner SPD darum bemüht ist, bei dem Thema ein paar Meter Abstand zu ihr zu nehmen.