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Blutiges Erbe: Eine Gedenktafel auf dem Friedhof Père Lachaise erinnert heute noch an die Pariser Kommune / dpa

150 Jahre Pariser Kommune - Der blutige Beginn des 20.Jahrhunderts

Heute vor 150 Jahren begann die Pariser Kommune. Zehn Wochen später wurde sie brutal niedergeschlagen. Ein Fanal. Ihre Reformideen inspirierte Generationen von Utopisten und Sozialisten. Und ihr blutiger Untergang gibt einen Vorgeschmack auf das 20. Jahrhundert.

Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Die Revolution, sie begann mit einer Konterrevolution. Am Morgen des 18. März 1871 versuchten französische Truppen auf Befehl des „Chefs der Exekutive“ Adolphe Thiers die Pariser Arbeiterviertel zu besetzen, die Nationalgarde zu entwaffnen und deren 400 Kanonen zu beschlagnahmen.

Zunächst läuft alles nach Plan. Doch am Montmartre kommt es zu Unruhen, schließlich zu Verbrüderungsszenen zwischen den Regierungstruppen und den Anwohnern. Als schließlich ein General erscheint, um für Disziplin zu sorgen, wird er vom Pferd gezerrt und später erschossen. Der Versuch der Regierung die Macht in Paris an sich zu reißen ist gescheitert. Kurz vor 15 Uhr flieht Adolphe Thiers aus dem Regierungsgebäude am Quai d’Orsay. Es ist die Geburtsstunde der Pariser Kommune.

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Walter Bühler | Do., 18. März 2021 - 17:18

... die Fähigkeit zur Revolutionsromantik stark abgenommen. Gerade die Vereinnahmung in die Heiligenlegende einer Weltrevolution kommt mir heute verdächtig vor.

Der Widerstand bis zum letzten Blutstropfen, der ganze Bevölkerungsteile mit in den Untergang zieht, kann ebenso ein Zeichen von rücksichtslosem Fanatismus sein wie die simple ideologische Bereitschaft, den politischen oder nationalen Gegner physisch auszurotten. Der „terreur“ ist schon in der Revolution von 1789 praktiziert worden. Das organisierte Töten, das im 19. Jahrhundert durch die Technik eine bis dahin ungekannte Effizienz erreicht hat, vollzieht sich ebenso grausam und sinnlos in den kolonialistischen Eroberungskriegen, in den „Befreiungskriegen“, aber auch in den brutalen „Bürgerkriegen“ des späten 19. Jahrhunderts.

Wie viele Revolutionshelden haben sich später in grausame Unterdrücker verwandelt! Was hat der „arabische Frühling“ aus den laizistischen Staaten des Orients gemacht!
Keine Revolutionsromantik mehr!

Generell zeigt sich in der Wertung historischer Begebenheiten - kurzum: in der "Geschichtsschreibung" - ja stets auch die eigene politische Verortung bzw. das Weltbild des Wertenden. Bei politischen Systemänderungen kommt es aber besonders oft entweder zu Romantisierung/Verklärung oder aber zu Ablehnung/Verurteilung. Es gibt also offenbar "gute" und "schlechte" Umstürze. "Schlechte Umstürze" heißen dann oft "Putsch", "Junta" usw., "gute Umstürze" immer "Revolution". Aus linker Sicht sind die Umstürzler von 1789, 1830, 1848, 1871 oder 1918 usw. ja alle "auf der richtigen Seite", schließlich ist das große Ziel die "Weltrevolution", nach der dann alles auf links gedreht bzw. endgültig auf den Kopf gestellt ist. In diese Logik passt auch die Angst vor der "Konterrevolution" (= schlechte Revolution). Klaus Lederer hat heute vorgeschlagen, den 18.03. zum Gedenktag für die Märzler von 1848 zu machen. für gewöhnlich entlässt er aber Leute, die zu kritisch mit der Stasi umgehen. Noch Fragen?

den sog. "Militärputsch" 1973 in Chile einordnen? Wahrscheinlich als Volksaufstand gegen die von ihm selbst gewählte Regierung.

Wenn man in die gleichen Fußstapfen & die gleichen Regeln /Methoden derer tritt, die man geistig argumentativ als den falschen Weg sieht, dann stellt man sich auch automatisch auf die gleiche Stufe derer & dann braucht man nicht in Opposition zu gehen, weil man Qualitativ nichts verändert.

Deswegen tickt eine Opposition nach mehreren Jahren genau so wie die, die sie ideologisch bekämpft haben. Bestes Beispiel sind doch die Grünen, die heutzutage den Platz der SPD einnehmen. Und auch der linke Flügel ist wieder wesentlich stärker wie bei der damaligen SPD.

Der einzige Unterschied der Wahrnehmung:

Trotz oder gerade wegen des technischen Fortschritts & Entwicklung kann man nach meiner Meinung ganz schwer ermessen, wer wirklich hinter allem steht. Denn ich garantiere Ihnen, unsere Geschichte ist wie ein Zaubertrick. Wir Menschen/Untertanen bekommen meines Erachtens nur immer das Unwichtige/Puzzle zu hören & zu sehen, wie bei einen Zaubertrick.
Naja, ein Fluss ist immer in Bewegung - LG

helmut armbruster | Do., 18. März 2021 - 19:23

wer für was gestorben ist.
An den Denkmälern kann man es sehen:
Die Kommunarden sind anscheinend für nichts gestorben, denn auf ihrem Denkmal steht nur "Aux morts de la Commune" (Den Toten der Kommune).
Bei den Toten des 1. Weltkriegs unterscheidet man in Frankreich zwischen Franzosen und Elsässern.
Denn in französischen Orten liest man auf den Denkmälern "Morts pour la Patrie" (Gestorben für das Vaterland).
In elsässischen Orten liest man hingegen "Victimes de guerre" (Opfer des Krieges). Ist auch irgendwie logisch, denn die elsässischen Soldaten damals dienten dem deutschen Kaiserreich und so können sie nicht für das französische Vaterland gestorben sein.
Ist doch wirklich kurios wie die Franzosen das machen.

2015 wollte Belgien eine Gedenkmünze zum 200.jahrestag der Schlacht von Waterloo in Umlauf bringen.Bekanntlich die letzte Schlacht der ersten Bonapartisten und in der Folge der endgültige Untergang des "Kaiserreiches"...Nun,Frankreich protestierte und die Münze kam nicht in Umlauf.Übrigens,hätte die Revolution 1918 allein in Berlin 30.000 Tote gefordert und die bedingungslose Reaktion gesiegt,wäre sehr viel Häme über das deutsche Haupt,nicht zuletzt von Frankreich,ausgekippt worden.Die "Blutwoche"von Ende Mai 1871 war eine einzige Schlächterei der "Versailler Truppen"des Adolphe Thiers.Französiche Frechheiten.Bis in die Gegenwart.

Lieber Herr Noever,
mein Großvater ist noch im August 1914 als badischer Landwehrmann bei Ammerzweiler (Nähe Altkirch) gefallen und wahrscheinlich auf dem Friedhof von Illfurth beerdigt.
Bei aller Kritik an der französischen Haltung zur Geschichte des Elsass und der Geschichte Badens überwiegt dennoch in meiner Familie der Wunsch, mit den Franzosen und ihrem wunderbaren Land gut auszukommen.
Daher sehen wir in den Vorgängen, die Sie (leider) "Frechheiten" nennen, jene Grundüberzeugung, die Sie bei allen ehemaligen Kriegsgegner des 2. Weltkriegs vorfinden, nämlich eine gewisse Glorifizierung der eigenen Nation, die gegen Hitler gekämpft hat. Nicht wir Deutschen haben Hitler besiegt, sondern eben die anderen Völker.
Da unsere Familie gute Kontakte zu Franzosen hat, die uns gegenüber keine Vorurteile haben, sehe ich keinen Grund, diesen "begründeten" Patriotismus pauschal zu verdammen, auch wenn er hie und da zu weit geht.

Dorothee Sehrt-Irrek | Fr., 19. März 2021 - 10:30

unblutiger hinbekommen?
Haben eigentlich schon die USA bei der Commune mitgemischt?
Ich mag Gewalt nicht, auch nicht die dann wieder "ordnende".
Was war nun zeitgemäß oder vorausschauend, die "Ermächtigung" der Commune oder das Gewaltmonopol des Staates?
Die bürgerliche Emanzipation im Deutschen Kaisereich war sehr wohl ohne Gewalt möglich.
Es hätte nur länger gedauert.
Ich bin auch kein Fan von Napoleon.
War die Commune dessen Restitution als Volkeswille oder eine ernstzunehmende Demokratisierung?
Jedenfalls ein sehr nachdenklich stimmender Artikel.
Als Feiertag würde mir gewalttätige Emanzipation nicht gefallen, aber keine Frage, dass ich in der ehemaligen DDR auch sehr interessiert z.B. eine Clara-Zetkin-Str. zur Kenntnis nahm.
Bebel mag ich ja sowieso wegen seines Buches "Die Frau und der Sozialismus".
Sicherlich haben Konservative keine Gewerkschaften erfunden, aber ich war auch nie für einen Gewerkschaftsstaat.
Wer vermag all dies IMMER unblutig zu umfassen?
Er* wäre eine Wahl..